Die Bertelsmann AG hat einen Börsengang
abgewendet. Der 25%-Anteil der Groupe Bruxelles Lambert (GBL), die einen
Börsengang hätte fordern können, werde für 4,5 Milliarden Euro zurückgekauft,
teilte das Gütersloher Unternehmen mit. Um den Rückkauf zu realisieren, wird
sich Bertelsmann vorübergehend höher verschulden müssen. Außerdem soll das
Musikverlagsgeschäft BMG Music Publishing verkauft werden.
Die
vom belgischen Milliardär Albert Frère (80) und der kanadischen
Industriellenfamilie von Paul Desmarais kontrollierte Groupe Bruxelles
Lambert (GBL) hatte 2001 einen Anteil von
25,1 Prozent (25 Prozent der Stimmrechte) an der Bertelsmann AG im Tausch für einen 30-Prozent-Anteil an der RTL
Group erworben (4 siehe
Artikel Aktientausch
bei Bertelsmann AG). Dadurch konnte
Bertelsmann die RTL Group alleine kontrollieren und
besitzt inzwischen 90,4 Prozent
an Europas größtem Rundfunkunternehmen (Rest: Streubesitz). Die RTL Group ist
heute mit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz und einem operativen Ergebnis
von mehr als 750 Millionen Euro die größte und ertragsstärkste der sechs
Bertelsmann-Sparten.
GBL hatte sich 2001 in dem Kaufvertrag das Recht einräumen lassen,
den Bertelsmann-Anteil später an die Börse zu bringen. Nach der
Hauptversammlung am vergangenen Montag hätte diese Option jederzeit eingelöst
werden können. Die Familie Mohn konnte den Börsengang nun durch den Rückkauf
des GBL-Aktienpaketes verhindern.
Ü
BMG Music Publishing wird verkauft
Der Kaufpreis von 4,5 Milliarde Euro soll über einen
Zwischenkredit mehrere Banken finanziert werden. „Dieser Kredit wird im Verlauf
der nächsten 12 bis 18 Monate durch die hohe Mittelfreisetzung aus dem
laufenden Geschäft und die zu erwartenden Erlöse aus dem geplanten Verkauf von
BMG Music Publishing deutlich zurückgeführt“, heißt es in einer
Pressemitteilung der Bertelsmann AG. Ein Verkauf des Musikverlags BMG Music
Publishing, der die Rechte unter anderem an Titeln der Popstars Christina
Aguilera und Coldplay besitzt, könnte Experten zufolge zwischen 1 und 1,3
Milliarden Euro einbringen.
Für die restlichen mehr als vier Milliarden Euro Kaufpreis sollen
Kredite aufgenommen und über Gewinne aus dem laufenden Geschäft binnen zwölf
bis 18 Monaten getilgt werden. Damit stiegen die Finanzschulden der Bertelsmann
AG – die Schuldenlast des Konzerns liegt zurzeit bei 3,9 Milliarden Euro –
vorübergehend auf das 3,4-fache des operativen Ergebnisses (Ebitda), sagte
Finanzvorstand Thomas Rabe. Dieser so genannte Leverage-Faktor soll aber bis
Ende 2007 wieder auf die Zielgröße von 2,3 sinken. Schon für das Jahresende stellte Rabe einen
Leverage-Faktor von „unter 3,0“ in Aussicht. Ein Verkauf des 50-Prozent-Anteils
am Musik-Joint-Venture Sony BMG sei
dagegen „nicht geplant“, sagte der Bertelsmann-Finanzvorstand.
Ü
Rückkauf soll zum 1. Juli erfolgen
Noch besitzt die GBL 25,1 Prozent der Bertelsmann-Kapitalanteile.
Der Rückkauf der Bertelsmann-Aktien soll am 1. Juli vollzogen werden. Dann
werden wieder hundert Prozent der Stimmrechte
bei der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) liegen, in der die Anteile
der Familie Mohn (25 Prozent) und der Bertelsmann Stiftung (75 Prozent)
gebündelt sind.
Mit dem Kaufpreis von 4,5 Milliarden Euro, in denen 120 Millionen
Euro Dividenden (für das Jahr 2005) enthalten sind, einigten sich die Parteien
auf einen Kompromiss. Frère hatte Medienberichten zufolge ursprünglich mehr als
fünf Milliarden Euro verlangt. Bertelsmann hatte Ende vergangenen Jahres von
Investmentbankern einen Unternehmenswert von 17,8 Milliarden Euro ermitteln
lassen, was einen Rückkaufpreis von 4,45 Milliarden Euro ergeben hätte.
Allerdings soll der Unternehmenswert dank guter Geschäfte inzwischen weiter
gestiegen sein.
|
2005 |
2004 |
2003 |
Umsatz |
17.890 € |
17.016 € |
16.801 € |
Operating EBIT |
1.610 € |
1.429 € |
1.026 € |
EBIT (Ergebnis vor Finanzergebnis und Steuern) |
1.671 € |
1.747 € |
1.365 € |
Jahresüberschuss vor Fremdanteilen |
1.217 € |
1.217 € |
208 € |
Wirtschaftliche Finanzschulden |
3.931€ |
2.632€ |
3.227€ |
Mitarbeiter |
88.516 |
76.266 |
73.221 |
„Der Preis ist angemessen“, kommentierte Vorstandschef Gunter
Thielen. Bertelsmann sei „in hervorragender Verfassung“ und steuere 2006 auf
ein Rekordergebnis zu. Der Umsatz werde voraussichtlich „um mehr als fünf
Prozent“ wachsen, das Ergebnis werde sich mindestens im gleichen Maße
entwickeln. Im vergangenen Jahr hatte Europas größter Medienkonzern sein
operatives Ergebnis auf 1,6 Milliarden Euro gesteigert (4 siehe Artikel Bertelsmann
mit neun Prozent Rendite).