Die Bertelsmann AG hat einen Börsengang abgewendet. Der 25%-Anteil der Groupe Bruxelles Lambert (GBL), die einen Börsengang hätte fordern können, werde für 4,5 Milliarden Euro zurückgekauft, teilte das Gütersloher Unternehmen mit. Um den Rückkauf zu realisieren, wird sich Bertelsmann vorübergehend höher verschulden müssen. Außerdem soll das Musikverlagsgeschäft BMG Music Publishing verkauft werden.

Die vom belgischen Milliardär Albert Frère (80) und der kanadischen Industriellenfamilie von Paul Desmarais kontrollierte Groupe Bruxelles Lambert (GBL) hatte 2001 einen Anteil von 25,1 Prozent (25 Prozent der Stimmrechte) an der Bertelsmann AG im Tausch für einen 30-Prozent-Anteil an der RTL Group erworben (4 siehe Artikel Aktientausch bei Bertelsmann AG). Dadurch konnte Bertelsmann die RTL Group alleine kontrollieren und besitzt inzwischen 90,4 Prozent an Europas größtem Rundfunkunternehmen (Rest: Streubesitz). Die RTL Group ist heute mit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz und einem operativen Ergebnis von mehr als 750 Millionen Euro die größte und ertragsstärkste der sechs Bertelsmann-Sparten.

Textfeld: RTL Group
Die RTL Group hat im vergangenen Jahr mit 5,1 Milliarden Euro mehr als 28 Prozent zum Konzernumsatz beigetragen und fast 47 Prozent zum operativen Ergebnis der Bertelsmann AG. Die Rundfunk-Beteiligungen an 34 TV- und 34 Hörfunk-Stationen in ganz Europa erwirtschafteten dank eines um fast fünfzig Prozent gestiegenen Netto-Ergebnisses (537 Millionen Euro) eine Umsatz-Rendite von 14,8 Prozent. Während in Deutschland die Marktanteile von RTL, RTL 2, Vox, Super RTL und n-tv sowohl auf dem Zuschauer- als auch auf dem Werbemarkt zurückgingen, erzielte die RTL Group mit ihren TV-Programmen in Frankreich (M6), England (Five) und Spanien (Antena 3) Rekordergebnisse. Für die Zukunft sind Beteiligungen an und Übernahmen von Fernsehprogrammen in Süd- und Osteuropa geplant. Insgesamt will die Bertelsmann AG in diesem Jahr etwa eine Milliarde Euro für Akquisitionen ausgeben.
 

 

 

 

 

 

 


GBL hatte sich 2001 in dem Kaufvertrag das Recht einräumen lassen, den Bertelsmann-Anteil später an die Börse zu bringen. Nach der Hauptversammlung am vergangenen Montag hätte diese Option jederzeit eingelöst werden können. Die Familie Mohn konnte den Börsengang nun durch den Rückkauf des GBL-Aktienpaketes verhindern.

Ü BMG Music Publishing wird verkauft

Der Kaufpreis von 4,5 Milliarde Euro soll über einen Zwischenkredit mehrere Banken finanziert werden. „Dieser Kredit wird im Verlauf der nächsten 12 bis 18 Monate durch die hohe Mittelfreisetzung aus dem laufenden Geschäft und die zu erwartenden Erlöse aus dem geplanten Verkauf von BMG Music Publishing deutlich zurückgeführt“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bertelsmann AG. Ein Verkauf des Musikverlags BMG Music Publishing, der die Rechte unter anderem an Titeln der Popstars Christina Aguilera und Coldplay besitzt, könnte Experten zufolge zwischen 1 und 1,3 Milliarden Euro einbringen.

Für die restlichen mehr als vier Milliarden Euro Kaufpreis sollen Kredite aufgenommen und über Gewinne aus dem laufenden Geschäft binnen zwölf bis 18 Monaten getilgt werden. Damit stiegen die Finanzschulden der Bertelsmann AG – die Schuldenlast des Konzerns liegt zurzeit bei 3,9 Milliarden Euro – vorübergehend auf das 3,4-fache des operativen Ergebnisses (Ebitda), sagte Finanzvorstand Thomas Rabe. Dieser so genannte Leverage-Faktor soll aber bis Ende 2007 wieder auf die Zielgröße von 2,3 sinken. Schon für das Jahresende stellte Rabe einen Leverage-Faktor von „unter 3,0“ in Aussicht. Ein Verkauf des 50-Prozent-Anteils am Musik-Joint-Venture Sony BMG sei dagegen „nicht geplant“, sagte der Bertelsmann-Finanzvorstand.

Ü Rückkauf soll zum 1. Juli erfolgen

Noch besitzt die GBL 25,1 Prozent der Bertelsmann-Kapitalanteile. Der Rückkauf der Bertelsmann-Aktien soll am 1. Juli vollzogen werden. Dann werden wieder hundert Prozent der Stimmrechte bei der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) liegen, in der die Anteile der Familie Mohn (25 Prozent) und der Bertelsmann Stiftung (75 Prozent) gebündelt sind.

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Mit dem Kaufpreis von 4,5 Milliarden Euro, in denen 120 Millionen Euro Dividenden (für das Jahr 2005) enthalten sind, einigten sich die Parteien auf einen Kompromiss. Frère hatte Medienberichten zufolge ursprünglich mehr als fünf Milliarden Euro verlangt. Bertelsmann hatte Ende vergangenen Jahres von Investmentbankern einen Unternehmenswert von 17,8 Milliarden Euro ermitteln lassen, was einen Rückkaufpreis von 4,45 Milliarden Euro ergeben hätte. Allerdings soll der Unternehmenswert dank guter Geschäfte inzwischen weiter gestiegen sein.

 

 

2005

2004

2003
(angepasst)

Umsatz 

17.890 €

17.016 €

16.801 €

Operating EBIT 

1.610 €

1.429 €

1.026 €

EBIT (Ergebnis vor Finanzergebnis und Steuern)

1.671 €

1.747 €

1.365 €

Jahresüberschuss vor Fremdanteilen 

1.217 €

1.217 €

208 €

Wirtschaftliche Finanzschulden

3.931€

2.632€

3.227€

Mitarbeiter

88.516

76.266

73.221

„Der Preis ist angemessen“, kommentierte Vorstandschef Gunter Thielen. Bertelsmann sei „in hervorragender Verfassung“ und steuere 2006 auf ein Rekordergebnis zu. Der Umsatz werde voraussichtlich „um mehr als fünf Prozent“ wachsen, das Ergebnis werde sich mindestens im gleichen Maße entwickeln. Im vergangenen Jahr hatte Europas größter Medienkonzern sein operatives Ergebnis auf 1,6 Milliarden Euro gesteigert (4 siehe Artikel Bertelsmann mit neun Prozent Rendite).