Viacom verlegt Viva nach Berlin

Nur Brainpool und wenige Viva-Mitarbeiter bleiben in Köln

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 01.03.2005

 
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Der US-Medienkonzern Viacom verlagert das Viva-Musikfernsehgeschäft nahezu komplett von Köln nach Berlin. Am 28. Februar teilte das Unternehmen mit, MTV und Viva sollten künftig zentral von der Bundeshauptstadt aus agieren, um so „Synergien besser nutzen zu können“. Die meisten Viva-Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz oder müssen nach Berlin umziehen.

Nach einer Sitzung des Viacom-Aufsichtsrates sagte MTV-Geschäftsführerin Catherine Mühlemann, 120 der 600 Mitarbeiter der Viva Media AG in Köln sollten entlassen und weitere 90 Verträge nicht verlängert werden. Entsprechende Verhandlungen mit dem Betriebsrat seien bereits aufgenommen worden. Viva-Betriebsrat Thomas Diekmann teilte am 1. März mit, in Köln seien noch weitaus mehr Viva-Stellen bedroht als bislang bekannt: „Von 290 Leuten verlieren 270 ihren Job", lautete seine Prognose. Etwa zwanzig Viva-Mitarbeiter sollen zur Produktions-Tochtergesellschaft Brainpool wechseln. Nach Schätzungen des Betriebsrats bleiben bestenfalls etwa 35 Viva-Arbeitsplätze erhalten, und auch Mühlemann räumte inzwischen ein, dass Viva und Viva Plus in Köln dauerhaft mit etwa dreißig bis fünfzig Arbeitsplätzen auskommen müssten.

 

Ü Brainpool soll in Köln bleiben

 

Der MTV-Mutterkonzern Viacom hatte im Juli die Mehrheit der Viva-Aktien übernommen, nachdem die vierzehn Viva-Großaktionäre – darunter Time Warner (30,6%) und Universal (15,3%) – insgesamt 75,8 Prozent der Viva-Anteile verkauft hatten (4siehe Artikel Viacom will Viva Media AG übernehmen und Viacom übernimmt Viva Media AG). Am 14. Januar schließlich stimmten die Aktionäre der Viva Media einem Beherrschungsvertrag zwischen Viva und Viacom sowie einer Zwangsabfindung („Squeeze-Out“) der Minderheitsaktionäre zu (4siehe Artikel Viva jetzt fest in der Hand von Viacom). Wegen Klagen von Kleinaktionären aber sei der Beherrschungsvertrag juristisch noch nicht unter Dach und Fach, sagte Mühlemann, die am 28. Februar in den Viva-Vorstand berufen wurde. Dass Viacom auch ohne einen ins Handelsregister eingetragenen Beherrschungsvertrag verriet, was aus Viva werden soll, lag offenbar daran, dass der Druck von Werbekunden und Mitarbeitern immer größer wurde.

Während das Geschäft mit den Musikkanälen von Viva und MTV in Berlin angesiedelt werden soll, bleibt die Entertainment-Sparte mit der zu Viva gehörenden Produktionsfirma Brainpool in Köln. Als „Trostpflaster“ für die nordrhein-westfälische SPD-Medienstandortpolitik bleiben die Redaktion von Viva Plus und die Sendeabwicklung für beide Viva-Kanäle am Rhein. In Köln sollen auch die Viva-Live-Sendungen „Sarah Kuttner - Die Show“, „17“, „Loveline“ sowie das neue Format „Love, Sex & Videos“ hergestellt werden. „Damit haben wir ein Zugeständnis an die Politik gemacht, kommentierte Mühlemann. Außerdem wird das neue "MTV Networks Europe Department für Business Development und Network Relation" unter Leitung von Viva-Gründer Dieter Gorny künftig in Köln residieren.

 

Ü CDU kritisiert Landesregierung

 

Die CDU-Landtagsopposition warf der nordrhein-westfälischen Landesregierung vor, in der Medienpolitik erneut eine Niederlage erlitten zu haben. „Der Verlust von einem Fünftel aller Arbeitsplätze bei Viva und Viva plus in Köln ist ein herber Rückschlag für den Medienstandort NRW“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende und medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Lothar Hegemann. NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück äußerte hingegen Verständnis dafür, „dass Viacom im Zuge der Integration von Viva sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen zum Teil neu aufstellen muss“. MTV Networks habe der nordrhein-westfälischen Landesregierung zudem zugesichert, die Musikförderung in NRW auszubauen, um den deutschen Nachwuchs zu fördern. Diese Aktivitäten sollen in Verbindung mit einem neuen Konzept für den Viva-Musikpreis „Comet“ erfolgen, hieß es. Steinbrücks Medien-Staatssekretärin Miriam Meckel hatte ursprünglich damit gedroht, Viva aus dem nordrhein-westfälischen Kabelnetz zu verbannen. Davon aber ist nun keine Rede mehr.

Für die beiden Hauptprogramme MTV und Viva, die Marktführer des deutschen Musikfernsehens, kündigte Catherine Mühlemann eine umfangreiche Neupositionierung an: „Wir wollen, dass sich die Veränderungen schon im April deutlich im Programm niederschlagen.“ Vier Programme als reine Musikkanäle in Deutschland seien auf Dauer nicht überlebensfähig, daher würden sich die Formate von MTV und Viva, MTV 2 Pop und Viva plus zunehmend spezialisieren, eine Umwandlung in normale Vollprogramme sei ausgeschlossen.

 

Ü Unklare „Neuausrichtung“

 

Dass Viva Plus in Köln bleibt, obwohl das MTV-Mutterunternehmen Viacom das Musikfernsehgeschäft in Berlin bündeln will, kann als Indiz für die Umwandlung zu einem Jugend-Unterhaltungsprogramm gedeutet werden. Die Nähe zu Brainpool wäre dabei von Vorteil. Der MTV-Ableger MTV 2 Pop soll sein Programm auch künftig in Hamburg produzieren und erhielt von der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) am 23. Februar eine Zulassung für weitere zehn Jahre. Die HAM teilte am 24. Februar mit, während MTV, Viva und Viva Plus deutlich jugendorientiert blieben, „ist für MTV 2 Pop eine stärkere Formatierung als Musiksender für die ganze Familie zu erwarten“. Mühlemann erklärte, MTV 2 Pop hätte mit seinen unmoderierten Videoclip-Schleifen seine Funktion als strategisches „Instrument“ gegen die Viva-Programme verloren. Über die Neuausrichtung sei noch nicht entschieden.

 

 

Ü Hier finden Sie den kompletten Geschäftsbericht der Viva Media AG 2003.

 

Ü Buchtipp Musikfernsehen in Deutschland.