Die EU-Kommission hat die Fusion von Bertelsmanns Musiksparte BMG mit Sony Music ohne Auflagen genehmigt. Stimmt auch die US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission zu, ist auf dem Tonträgermarkt der Weg frei für den weltweit zweitgrößten oder sogar größten Musikproduzenten. Das neue Unternehmen mit Hauptsitz in New York soll Sony BMG heißen und Bertelsmann sowie Sony je zur Hälfte gehören.

Bei Sony Music sind Künstler wie Anastacia, Michael Jacksons, David Bowie, Bruce Springsteen, Oasis und Jennifer Lopez unter Vertrag, bei der Bertelsmann Music Group (BMG) unter anderem Carlos Santana, Christina Aguilera, Dido, Usher, Avril Lavigne und Britney Spears. Mit einem Umsatz von etwa vier Milliarden Euro wäre Sony BMG etwa so stark wie das auf dem Weltmarkt führende Unternehmen Universal Music. Sony ist nach eigenen Angaben in mehr als sechzig Ländern vertreten, BMG in ungefähr vierzig. In Deutschland stammten im ersten Halbjahr 2004 knapp 37 Prozent der vorderen hundert Chart-Titel von BMG oder Sony. Nach der Fusion würden statt fünf nur noch vier große Konzerne etwa 75 Prozent des weltweiten Musikmarktes und achtzig Prozent des europäischen Marktes dominieren.

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Die EU-Kommission hatte seit Februar den geplanten Zusammenschluss geprüft. Bertelsmann und Sony hatten die Fusion ihrer Musiksparten mit dem stark unter Druck geratenen Musikmarkt begründet. Lag der Umsatz des Tonträger-Weltmarktes 1999 noch bei 38,5 Milliarden Dollar, ist er im vergangenen Jahr erneut um 7,6 Prozent auf 32 Milliarden Dollar gesunken. In Deutschland ging der Umsatz 2003 sogar um mehr als 19 Prozent zurück. Mit dem Zusammenschluss wollen BMG und Sony pro Jahr 250 bis 300 Millionen Euro einsparen. Die Fusion sei ohne Auflagen genehmigt worden, teilte die EU-Kommission mit. Es gebe keine Belege dafür, dass eine Verringerung des Kreises der führenden Musikunternehmen von fünf auf vier auf nationalen Märkten zu einer „kollektiv gehaltenen dominanten Position“ führen werde, hieß es in der Begründung aus Brüssel. Eine Entscheidung der US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) wird bereits für die nächsten Tage erwartet.

Sony und Bertelsmann hatten die Fusion bereits Ende 2003 vertraglich vereinbart (4 siehe Artikel Bertelsmann & Sony vereinen Music-Label). Der neue Musikriese werde 9000 Mitarbeiter beschäftigen und zwischen 4,5 und 5 Mrd. Dollar jährlich umsetzen, sagte der BMG-Vorstandsvorsitzende Rolf Schmidt-Holtz. Mit dem operativen Abschluss der Fusion könne aber erst in etwa einem Jahr gerechnet werden. Branchen-Experten rechnen damit, dass bis zu einem Viertel der Mitarbeiter von BMG und Sony Music um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen.

Ü EU fand keine „Marktdominanz“

Die Fusion von BMG und Sony ist der Höhepunkt einer seit Jahren anhaltenden Konzentrationswelle in der Tonträgerindustrie. Zu BMG zählen inzwischen vor allem die Label Ariola, Arista, Bad Boy, BMG Classics und Zomba, zu Sony gehören Columbia, Epic, Legacy Recordings, Sony Nashville und Sony Wonder. Der europäische Verband von mehr als 2000 unabhängigen Musikproduzenten, Impala, hatte von der Europäischen Union (EU) ein Verbot der geplanten Fusion gefordert, weil er Preisabsprachen vor allem bei CDs sowie Sonderaktionen befürchtete. Bertelsmann und Sony Music hingegen begründen ihren Zusammenschluss mit wirtschaftlichen Zwängen, da sich die Konkurrenzsituation durch alternative Medien wie DVDs, das Internet oder Mobiltelefone verschärfe.

Die EU-Wettbewerbshüter, die noch vor vier Jahren eine Fusion von Warner Music und EMI mit ihren Bedenken verhindert hatten (4 siehe Artikel Fusion von Warner/EMI gestoppt), mühten sich diesmal vergeblich, eine „kollektive Marktdominanz“ sowie drohende Preisabsprachen nachzuweisen. Nachdem der Europäische Gerichtshof in ähnlichen Fällen immer wieder darauf hingewiesen hatte, die EU-Kommission müsse Wettbewerbsverzerrungen konkret belegen, und deshalb einige Fusionsverbote wieder rückgängig gemacht werden mussten, hatten BMG und Sony nun leichtes Spiel. Oligopole weniger Anbieter reichen zur Verhinderung von Fusionen offenbar als Argumente so lange nicht aus, wie kein konkretes Duopol oder Monopol droht.

Ü Fusionen haben bei den „Majors“ Tradition

Textfeld: Jahr	Zusammenschluss
1987:	Bertelsmann kauft RCA Records für 330 Mio. Dollar.
1988:	Sony übernimmt CBS Records für 2 Mrd. Dollar.
1989:	Polygram erwirbt Island Records und A&M Records für insgesamt 732 Mio. Dollar.
1990:	Polygram kauft A&M Records (Preis unbekannt).MCA übernimmt Geffen für 545 Mio. Dollar.Matsushita erwirbt für 6,1 Mrd. Dollar die MCA-Entertainment-Group.
1992:	Virgin wird an Thorn EMI für 957 Mio. Dollar abgegeben.
1993:	Motown wird von Polygram für 301 Mio. Dollar gekauft.
1995:	Seagram beteiligt sich zu 80% an MCA für 5,7 Mrd. Dollar.
1998:	Philips verkauft Polygram an Seagram/Universal für 10,6 Mrd. Dollar.Universal und Polygram fusionieren zur Universal Music Group (u.a. Mercury, Motor, Island, MCA, Universal, Interscope, Geffen, Motown).
2000:	AOL fusioniert mit Time Warner (Wert: 670 Mrd. Dollar).Der französische Vivendi-Konzern übernimmt per Aktientausch die kanadische Seagram-Gruppe (Wert: 34 Mrd. Dollar)
2002:	BMG stockt für ca. 3 Mrd. Dollar seinen Anteil am international erfolgreichste Independent Label Zomba Records von 20 auf 100 Prozent auf.EMI übernimmt mit Mute das erfolgreichste deutsche Independent Label. 
2004:	BMG und Sony Music schließen sich zusammen.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ü Konsequente BMG-Sanierung

BMG hatte in den vergangenen beiden Jahren bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um trotz sinkender Umsätze die Rendite zu optimieren. Während 2001 noch Verluste gemacht worden waren, betrug der Jahresüberschuss im vergangenen Jahr 110 Millionen Euro, im erstem Halbjahr 2004 erreichte der operative Gewinn etwa 30 Millionen Euro (1. Halbjahr 2003: 182 Mio. € Verlust). Im Juni hatte Maarten Steinkamp , Chef von BMG Deutschland, angekündigt, etwa 60 Prozent seiner unter Vertrag genommenen Künstler erhielten keine neuen Verträge. Betroffen davon sind Interpreten, deren CDs sich nur zwischen 3.000- und 25.000-mal verkaufen ließen, was im vergangenen Jahr für 85 Prozent der BMG-Produkte zutraf. Statt früher 150 hat BMG inzwischen nur noch knapp 70 Musiker und Gruppen im aktuellen Pop-Sortiment. Aussortiert wurden unter anderem Udo Lindenberg, Lou Bega und RTL-„Superstar“ Juliette. Die Zahl der BMG-Beschäftigten in Deutschland betrug vor zwei Jahren noch etwa 500, liegt inzwischen bei nur noch 300 und soll auf mindestens 230 reduziert werden. Trotz sinkender Umsätze wurde der Gewinn in Deutschland im ersten Halbjahr 2003 auf etwa 11 Millionen Euro fast verdoppelt.

 

3Weitere Daten zum Musikmarkt finden Sie im Download-Bereich Daten & Fakten.