Die Medien- und Entertainment-Konzerne Sony und Bertelsmann wollen eine gemeinsames Musikunternehmen gründen. Sollten die Kartellbehörden dem Vorhaben zustimmen, hätte der neue Tonträger-Gigant einen Weltmarktanteil von mehr als 25 Prozent. Das neue Unternehmen soll alle Musiklabel von Sony Music und der Bertelsmann Music Group (BMG) bündeln und den Namen Sony BMG erhalten.

Seit etwa drei Jahren verhandeln die fünf größten Musikkonzerne der Welt über Kooperationen, Übernahmen oder andere Fusionsformen. Auch wenn Universal Music, Sony Music, EMI, Warner Music und BMG 75 Prozent des weltweiten Musikmarktes unter sich aufgeteilt haben, sind die Gewinnmargen angesichts der Online-Musiktauschbörsen drastisch gesunken (vgl. Artikel 4 Tonträgerindustrie setzt auf Phonoline).

Ü Branchen-Riesen der Musikindustrie

 

Marktanteil 2002

Umsatz
2002

Ergebnis 2002

Universal Music

25,9%

6,3 Mrd. $

+ 556 Mio. $

Sony Music

15,6%

4,8 Mrd. $

  – 72 Mio. $

EMI

12,0%

3,0 Mrd. $

+ 356 Mio. $

Warner Music

11,9%

3,6 Mrd. $

+ 412 Mio. $

BMG

11,1%

2,7 Mrd. $

+ 125 Mio. $

Im Oktober 2000 zogen Time Warner und EMI ihren Fusionsantrag bei der Europäischen Kommission überraschend zurück, weil sie nicht mehr von einer Genehmigung durch die Kartellbehörden ausgingen (vgl. Artikel 4 Fusion Warner Music/EMI gestoppt). Gemeinsam hätten die Unternehmen damals auf dem Musikmarkt einen Anteil (nach Verkäufen) von 24,3 Prozent erreicht, wobei EMI zwar den größeren Marktanteil (13,2 %) verbuchen konnte, Warner Music aber mit 452 Mio. Dollar etwa 60 Mio. Dollar mehr Gewinn erzielte als EMI. Vor zwei Jahren war ein Fusionsversuch von BMG und EMI ebenfalls an kartellrechtlichen Hindernissen gescheitert.

Ü Fusionen haben bei den „Majors“ Tradition

Textfeld: Jahr	Zusammenschluss
1987:	Bertelsmann kauft RCA Records für 330 Mio. Dollar.
1988:	Sony übernimmt CBS Records für 2 Mrd. Dollar.
1989:	Polygram erwirbt Island Records und A&M Records für insgesamt 732 Mio. Dollar.
1990:	Polygram kauft A&M Records (Preis unbekannt).MCA übernimmt Geffen für 545 Mio. Dollar.Matsushita erwirbt für 6,1 Mrd. Dollar die MCA-Entertainment-Group.
1992:	Virgin wird an Thorn EMI für 957 Mio. Dollar abgegeben.
1993:	Motown wird von Polygram für 301 Mio. Dollar gekauft.
1995:	Seagram beteiligt sich zu 80% an MCA für 5,7 Mrd. Dollar.
1998:	Philips verkauft Polygram an Seagram/Universal für 10,6 Mrd. Dollar.Universal und Polygram fusionieren zur Universal Music Group (u.a. Mercury, Motor, Island, MCA, Universal, Interscope, Geffen, Motown).
2000:	AOL fusioniert mit Time Warner (Wert: 670 Mrd. Dollar).Der französische Vivendi-Konzern übernimmt per Aktientausch die kanadische Seagram-Gruppe (Wert: 34 Mrd. Dollar)
2002:	BMG stockt für ca. 3 Mrd. Dollar seinen Anteil am international erfolgreichste Independent Label Zomba Records von 20 auf 100 Prozent auf.EMI übernimmt mit Mute das erfolgreichste deutsche Independent Label.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ü Fusionen als Strategie gegen die Krise

Zwischen 1999 und 2002 ist der weltweite Umsatz der Musikindustrie um mehr als 16 Prozent auf etwa 32,2 Milliarden Dollar zurückgegangen. Kein Wunder, dass auch die Branchenriesen nach neuen Synergien suchen. Zuletzt scheiterten Verhandlungen zwischen Time Warner und Bertelsmann.

Um ein Veto der Kartellwächter in den USA und Europa zu verhindern, wollen Bertelsmann und Sony lediglich ihre Recorded-Music-Sparten vereinen, also nur die Plattenlabel, nicht die Tonträger-Auslieferung, die CD-Herstellung oder die Musikverlage. Diese ausgeklammerten Bereiche sollen jeweils etwa 30 bis 40 Prozent der Musik-Geschäfte beider Unternehmen ausmachen. Zu BMG zählen vor allem die Label Ariola, Arista, Bad Boy, BMG Classics und Zomba, zu Sony gehören Columbia, Epic, Legacy Recordings, Sony Nashville und Sony Wonder. Als Stars sind bei den beiden Platten-Majors Michael Jacksons, David Bowie, Bruce Springsteen, Oasis und Jennifer Lopez (alle Sony) ebenso unter Vertrag wie Britney Spears, Carlos Santana, Christina Aguilera oder Whitney Houston (BMG).

Textfeld:
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ü Vertragsabschluss spätestens Anfang 2004

Bertelsmann und Sony wollen die Gesellschafteranteile der Gemeinschaftsfirma jeweils zur Hälfte übernehmen. Seit September wurde auf höchster Ebene verhandelt, bevor die Fusion der Musiksparten feststand. Standort des neuen Mega-Musikmultis soll New York werden. BMG-Chef Rolf Schmidt-Holtz wird künftig das Aufsichtsgremium (Board) leiten, während Sony-Music-Boss Andrew Lack das operative Geschäft übernimmt. Nach Recherchen des Spiegel erwarten Sony und Bertelsmann von der Fusion jährliche Einsparungen von 300 Mio. Euro. Die Integrations- und Restrukturierungskosten würden auf 400 Mio. Euro geschätzt.

Bertelsmann bringt als Mitgift in die neue Musik-Ehe eine breit aufgestellte Wertschöpfungs- und Musik-Verwertungskette mit, die von den Rechtem am Superstar-Format (vgl. Artikel 4 Superstar als Super-Gewinnquelle) über die RTL-Senderkette bis hin zum Club-Geschäft reicht, während Sony über ein Hollywood-Studio (Columbia) verfügt und Anfang 2004 ein Musikgerät auf den Markt bringen will, das ähnlich wie Apples iPod zum Abspielen von Musik-Downloads geeignet ist, aber mit etwa 60 Dollar nur etwa ein Fünftel so teuer sein soll wie die Apple-Lösung.

Ü Wettrennen um Genehmigungen

Spätestens Anfang 2004 wollen Bertelsmann und Sony den endgültigen Vertrag unterschreiben. Vorgespräche mit den EU-Kartellbehörden wurden bereits eingeleitet, in Washington soll sogar schon eine Anmeldung der Fusion bei den Kartellbehörden vorliegen. Bei der EU-Kommission und den US-Kartellbehörden könnte demnächst auch ein Fusionsantrag von EMI und Warner Music landen, die ebenfalls miteinander verhandeln. Das britische Unternehmen EMI soll 1,6 Mrd. Dollar für die Warner-Plattenfirmen geboten haben. Wer den Kartellbehörden zuerst einen fertigen Fusionsvertrag vorlegt, dürfte die besten Chancen auf eine Genehmigung haben. Anschließend wäre der Markt nämlich so stark konzentriert, dass die Behörden weitere Übernahmen unterbinden müssten, heißt es in der Branche. Time Warner verhandelt deshalb außer mit EMI auch mit anderen Interessenten, die nicht aus dem Musikmarkt stammen und deshalb keine Fusions-Hürden überwinden müssen, zum Beispiel Investoren wie den ehemaligen Universal-Eigentümer Edgar Bronfman und Haim Saban.

3Weitere Daten zum Musikmarkt finden Sie im Download-Bereich Daten & Fakten.