Aktientausch bei Bertelsmann AG

Hoher Preis für die Mehrheit an RTL Group

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 05.02.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Die Bertelsmann AG erhöht ihren Anteil an der RTL Group von 37 auf 67 Prozent. Der Medienkonzern tauscht mit der Finanzholding Groupe Bruxelles Lambert den Anteil von 30 Prozent an der RTL Group gegen 25,1 Prozent der Bertelsmann-Aktien.

 

Der Gütersloher Medienkonzern will die Stärkung seiner Position bei der RTL Group, so erklärte der Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff am 5. Februar, über einen Aktientausch finanzieren. Dabei erhält die belgisch-kanadische Holding Groupe Bruxelles Lambert S.A. (GBL) 25,1 Prozent der Bertelsmann-Aktien, allerdings nur 25 Prozent der Stimmrechte, so dass eine für das Verhindern von Beschlüssen notwendige Sperrminorität (mehr als 25 Prozent) ausgeschlossen ist. GBL ist mehrheitlich im Besitz der Unternehmer Albert Frère und Paul Desmarais und war bei der Gründung von RTL in Deutschland über die Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion (CLT) der Gründungsgesellschafter mit den meisten Anteilen (46,1 Prozent). Am 13. Januar 1997 schließlich fusionierte das Unternehmen mit der Bertelsmann-Tochtergesellschaft UFA zur CLT-UFA (beide Gesellschafter hielten je 50 Prozent) und machte sich auf den Weg zum europäischen Rundfunk-Marktführer. Der Wallone Albert Frère (75) gilt als der reichste Mann Belgiens und besitzt ein verschachteltes Geflecht von Unternehmensbeteiligungen.

Sollte der Aktientausch sowohl von den Aufsichtsgremien beider Konzerne als auch von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden, könnte Bertelsmann bei der RTL Group das operative Geschäft endlich maßgeblich allein bestimmen. Die RTL Group war im April 2000 aus dem Zusammenschluss von CLT-UFA und Pearson TV entstanden, wobei der deutsche Anteil zunächst nur 37 Prozent betrug, der von der BW TV und Film-Beteiligung (gehört zu 80 Prozent der Bertelsmann AG, zu 20 Prozent der WAZ-Gruppe) gehalten wurde. Mit dem neuen Anteil von 67 Prozent, so heißt es in einer Bertelsmann-Pressemitteilung, übernimmt der Gütersloher Konzern gemeinsam mit dem Partner WAZ-Gruppe (hält umgerechnet 7,4 Prozent der Anteile) die „klare Führung“ bei der RTL Group. 22 Prozent des Unternehmens gehören wie bisher dem britischen TV-Produktionsunternehmen Pearson, 11 Prozent sind als Streubesitz an der Börse. Der Börsenkurs der RTL Group ist nach Bekanntwerden des Aktientauschs am 5. Februar um 6,7 Prozent auf 263 Euro (514 Mark) gestiegen.

Ü RTL-Group ist Europas Rundfunk-Marktführer

Die RTL Group betreibt 22 Fernseh- und 18 Hörfunk-Stationen in elf Ländern, die täglich bis zu 120 Millionen Zuschauer und 25 Millionen Hörer erreichen. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen mit etwa 6000 Mitarbeitern etwa 4,2 Mrd. Euro (2,1 Mrd. Mark) Umsatz und weist inzwischen eine Marktkapitalisierung von 28 Milliarden Mark auf. Rasch avancierte die RTL Group zu Europas größtem TV-Produzenten sowie Sportrechte-Vermarkter und betreibt mit RTL Europas größten Werbeträger. Die bedeutendsten TV-Beteiligungen sind RTL Television (Köln, 100 Prozent), RTL 2 (München, 34,8 Prozent), Super RTL (Köln, 50 Prozent), VOX (Köln, 99,7 Prozent), M6 (Paris, 42,3 Prozent), Veronica (Hilversum), RTL TVI (Luxemburg/Brüssel, 66 Prozent), Channel 5 (London, 64,7 Prozent) und RTL KLUB (Budapest, 49 Prozent).

Wie wichtig Bertelsmann die operative Führung bei der RTL Group war, macht der hohe Preis deutlich, der für die zusätzlichen 30 Prozent gezahlt werden muss. Die Groupe Bruxelles Lambert erhält außer dem Anteil von 25,1 Prozent am Aktienkapital auch zwei Sitze im Aufsichtsrat und hat das Recht, ihre Beteiligung in etwa drei bis vier Jahren ganz oder teilweise an die Börse zu bringen. Damit lässt die Bertelsmann AG erstmals in ihrer Geschichte auch Kapitaleigner mit Stimmrecht jenseits der eigenen Unternehmerfamilie zu. Künftig soll der Kapitalbesitz der Bertelsmann AG wie folgt aussehen: 57,6 Prozent Bertelsmann Stiftung (davon noch 7,4 Prozentpunkte bei der Zeit-Stiftung, die aber zurückerworben werden sollen), 17,3 Prozent Familie Mohn, 25,1 Prozent GBL. Bei den Stimmrechten hingegen bleiben 75 Prozent bei der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, die BGL erhält 25 Prozent.

Ü Sinneswandel bei Unternehmensgründer Reinhard Mohn

Vor zwei Jahren noch schien eine Fusion auf dem Wege des Aktientauschs oder gar eine Börsenplatzierung von Aktien der Bertelsmann AG undenkbar. Als der Vorstandschef Thomas Middelhoff 1999 mit seinem Freund und AOL-Chef Steve Case über eine Fusion verhandelte, scheiterte dies am Veto des 79-jährigen Unternehmensgründers Reinhard Mohn. Ein Börsengang und die Beteiligung Fremder war tabu und deshalb auch ein Aktientausch mit dem weltweit größten Internet-Provider. AOL fusionierte deshalb wenig später mit Time Warner und musste alle Verbindungen zu Bertelsmann kappen. Inzwischen scheint Mohn seine Meinung revidiert zu haben. Bei der gewählten Konstruktion des Anteilstauschs könnte eine spätere Börsenplatzierung von GBL-Anteilen Mittel für weitere Übernahmen bescheren, ohne dass die Bertelsmann Stiftung die Kontrolle über das Unternehmen verliert. Weil GBL die Anteile an die Börse bringen darf, so erklärte Bertelsmann-Finanzvorstand Siegfried Luther inzwischen, müsse auch die Bertelsmann AG insgesamt eine Börsennotierung vorbereiten. Damit wäre dann ein Weg für eine weitere Marktkapitalisierung geebnet.