Konzentration auf TV-Markt nimmt zu
ProSiebenSat.1 Media AG bündelt Kirchs
Free-TV-Geschäft
Von Dr. Matthias Kurp, 22.08.2000
Mit der Gründung
der ProSiebenSAT.1 Media AG nimmt die Konzentration auf dem deutschen
Free-TV-Markt zu. Außer den öffentlichen-rechtlichen Anbietern gibt es bald nur
noch zwei Akteure: PoSiebenSAT.1 Media AG und RTL-Group. Schlechte Zeiten für
den Pluralismus?
Die
Brutto-Werbeumsätze im privat-kommerziellen Free-TV stiegen im ersten Halbjahr
2000 im Vergleich zu 1999 um 14,8 Prozent. Nach Jahren in der Verlustzone
erblüht Deutschlands privat-kommerzielle TV-Landschaft wirtschaftlich zu neuem
Leben. Der Wert der CLT-UFA-Senderfamilie, die demnächst RTL Group heißen soll, wird
auf etwa 50 Mrd. Mark geschätzt. Die ProSieben Media AG vermeldete soeben für das erste Halbjahr
eine Verbesserung des Konzernergebnisses um 15 Prozent auf 110,6 Mio. Euro.
Doch der Preis für die Öffentlichkeit ist hoch: Statt Anbietervielzahl herrscht
ein Duopol. ProSieben und SAT.1
fusionieren, die Bertelsmann
AG gründete gemeinsam mit Pearson TV die neue RTL Group, und die wenigen
unabhängigen Programmanbieter kämpfen ums Überleben und werden rasch zum
Spielball. Während n-tv für
RTL und ProSieben zum Übernahmekandidat avancierte, befindet sich der ehemalige
Frauensender tm3 ohne Champions League in einer lebensbedrohlichen
Identitätskrise.
Die am 22. August von den Aktionären der ProSieben
Media AG in München beschlossene Fusion mit SAT.1 zur neuen ProSiebenSAT.1
Media AG bedeutet endgültig die offizielle Bündelung früher oft geleugneter
Aktivitäten der KirchGruppe. Schließlich gehören der Kirch-Gruppe mit 58,4%
sowohl die Mehrheit der Anteile bei ProSieben als auch 59% von SAT.1. Die übrigen 41% der
SAT.1-Gesellschafteranteile hält der Axel Springer Verlag, an dem die KirchBeteiligung
GmbH & Co. KG wiederum mit 40,05% beteiligt ist. Der Rest der
ProSieben-Stammaktien gehört mit 41,6% zurzeit noch der Rewe-Beteiligungs-Holding National
GmbH.
Ü
Kirch Media bleibt wichtigster Gesellschafter
Die neue Fernsehfamilie ProSiebenSAT.1 Media AG wird zu 72% den
Anteilseignern der ProSieben Media AG und zu 28% den bisherigen
SAT.1-Gesellschaftern gehören. Hauptaktionär wird damit die KirchMedia
GmbH & Co. KGaA, die 88,52 der Stammaktien auf sich vereinen wird. Der
Axel Springer Verlag tauscht seinen 41%-Anteil an SAT.1 gegen 11,48% am
Stammkapital der ProSiebenSAT.1 Media AG und soll KirchMedia eine Option
eingeräumt haben, diese Anteile später komplett zu übernehmen. Rewe wird seine
ProSieben-Anteile gegen eine Beteiligung von 6% an KirchMedia eintauschen. Das
Unternehmen KirchMedia GmbH & Co. KGaA war Anfang 1999 bei der
Restrukturierung der Kirch-Gruppe zur Bündelung von Kirchs Free-TV-Aktivitäten
gegründet worden und soll später an die Börse gebracht werden.
Dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des 3.
Rundfunkänderungsstaatsvertrages hat Leo Kirch (73) damit seine
TV-Senderfamilie insofern konsolidiert, als seine Unternehmensgruppe fast alle
Anteile an den beteiligten Sendern selbst übernommen hat. Vor 1997 war
TV-Anbietern in Deutschland lediglich eine Beteiligung an einem
Fernsehvollprogramm oder einem Informationsspartenprogramm mit maximal 49,9%
erlaubt sowie zwei weitere TV-Beteiligungen mit jeweils weniger als 25%. Kirch
hatte aus diesem Grund Anteile durch seinen Sohn Thomas oder befreundete
Unternehmen halten lassen, eine verdeckte Strohmann-Funktion dieser Akteure
aber stets abgestritten. Seit 1997 darf sich ein Medienunternehmen an beliebig
vielen TV-Programmanbietern beteiligen, solange deren kumulierter
Zuschauermarktanteil nicht die 30%-Grenze überschreitet. Deshalb hält Kirch
Media inzwischen auch 100% der Anteile am Deutschen Sport Fernsehen (DSF). Rechnet man die aktuellen
Marktanteile der neuen ProSiebenSAT.1 Media AG zusammen, so ergibt sich für
Juni ein Marktanteil von 23,5%. Hinzu kommen 1,0% Marktanteil von DSF. Die
Quoten von N24 werden noch nicht gemessen und müssen deshalb unberücksichtigt
bleiben. Alles in allem hat die Kirch-Gruppe die zulässige Höchstgrenze von 30%
fast erreicht.
Ü
RTL- und Kirch-Senderfamiie als Duopol
Auf einen ähnlich hohen Wert kommt auch die
RTL-Senderfamilie, deren Quoten-Spitzenreiter RTL (13,7% Marktanteil im Juni) noch immer Europas
erfolgreichster Werbeträger ist. Zusammen mit den Beteiligungen an RTL2 (34,8%), Super RTL (50%) und Vox (99,7%) erzielten die Angebote
der neuen RTL Group im Juni einen Zuschauer-Marktanteil von 24,1%. Die RTL
Group entstand im April aus der Fusion von CLT-UFA mit dem britischen
Fernsehproduzenten Pearson TV und wurde am 30. Juni von der EU-Kommission
genehmigt. Beide Konzerne zusammen erzielten 1999 mit einem Umsatz von etwa 7,4
Mrd. Mark einen Vorsteuergewinn von fast 900 Mio. Mark. 37% der Anteile gehören
der Bertelsmann AG zusammen mit der WAZ-Gruppe, 22% Pearson TV, 30% der Group
Bruxelles Lambert (GBL) des belgischen Bankiers Albert Frère. Etwa 11% wurden
am 26. Juli an die Londoner Börse gebracht.
CLT-UFA
erzielte 1999 einen Umsatz von 6,3 Mrd. Mark und nach zwei Verlustjahren wieder
einen Erlös von knapp 812 Mio. Mark. Die neue RTL Group ist mit Beteiligungen
an 22 Fernsehstationen und 18 Radioprogrammanbietern Europas größtes
Rundfunkunternehmen. Erfolgreichste TV-Station ist der deutsche Marktführer
RTL, der 1999 mit 3,8 Mrd. Mark Bruttowerbererlösen 368 Mio. Mark Vorsteuergewinn
erzielte. Durch die Integration von Pearson TV stärkte das von Bertelsmann
dominierte Unternehmen vor allem die Position im TV-Produktionsbereich und
besetzt nun effektiver als zuvor die gesamte Verwertungs- und
Wertschöpfungskette des Rundfunkbereichs. Aktuelle Übernahme- oder
Beteiligungskandidaten zur Komplettierung des deutschen TV-Angebots sind
zurzeit die Programmanbieter n-tv
und Onyx-TV.