Vivendi übernimmt Seagram

Transnationaler Mediengigant will ganz an die Spitze

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 20.06.2000

 
 

 

 

 

 

 

 


Die kanadische Seagram-Gruppe, der französische Vivendi-Konzern und der Pay-TV-Anbieter Canal+ wollen zum zweitgrößten Medienkonzern der Welt fusionieren.

 

Die Fusion war bereits seit Monaten vorbereitet worden und wurde am Dienstag, 20. Juni, von den Chefs der drei Unternehmen in Paris offiziell verkündet. Der neue transnationale Mediengigant soll den Namen Vivendi Universal erhalten, hat zurzeit einen Börsenwert von etwa 100 Mrd. Dollar und erzielte 1999 einen Gesamtumsatz von 65 Mrd. Dollar (131,1 Mrd. Mark). Zunächst aber muss die EU-Kommission die Fusion unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten prüfen. Der Zusammenschluss gilt als Reaktion auf die Fusion von AOL, Time Warner und EMI, die gemeinsam bis Ende des Jahres den größten Multimedia-Konzern der Welt bilden wollen.


Der weltweit zweitgrößte Unterhaltungs- und Telekommunikationskonzern besetzt international die Marktfelder Filmproduktion, Fernsehen, Pay-TV, Printmedien, Musik, Festnetz- und Mobiltelekommunikation. Um auch im Bereich Internet aktiver zu werden, ist die Einführung eines Internet-Portals geplant, das unter dem Namen Vizzavi gemeinsam mit Vodafone betrieben werden und 80 Mio. Vivendi- und Vodafone-Kunden erreichen soll.

Ü Früher staatlicher Energieversorger

Vivendi war 1998 aus der Compagnie Générale des Eaux (CGE) hervorgegangen. Seitdem wuchs das Wasser- und Energieversorgungsunternehmen, das auch in den Bereichen Umwelttechnik, Transportwesen und Immobilien aktiv ist, ständig und erzielte 1998 bereits etwa ein Zehntel seines Umsatzes im Bereich Medien. Als Wachstumsfeld war der Kommunikationssektor erst 1996 entdeckt worden, nachdem Jean-Marie Messier die Konzernleitung übernommen hatte. Noch im selben Jahr wurde gemeinsam mit Mannesmann und British Telecom das Telekommunikationsunternehmen Cegetel gegründet, das inzwischen nach der France Télécom zweitstärkster Anbieter in Frankreich ist. Im Februar 1997 übernahm Vivendi Anteile des französischen Verlagshauses Havas und schluckte das Traditionsunternehmen ein Jahr später komplett. Über Havas realisierte Vivendi auch eine 49%ige Beteiligung am französischen Pay-TV-Anbieter Canal+, dem erfolgreichsten französischen Bezahlfernsehen.


Der Unterhaltungskonzern Seagram ging aus einem Spirituosen- und Getränkekonzern (Chivas Regal) hervor, macht inzwischen aber zwei Drittel des Umsatzes im Mediengeschäft. Mit der Universal Group gilt Seagram als weltweit größtes Musikunternehmen. Hinzu kommen mit Universal Pictures die legendären US-Filmstudios, unter deren Namen auch mehrere Film- und Freizeitparks betrieben werden. Außerdem ist Seagram über das Kabelfernsehunternehmen USA Networks auch zu 45% an einem US-amerikanischen TV-Network beteiligt. 24% der Seagram-Aktien gehörten zuletzt der Familie des Geschäftsführers Edgar Bronfman jr. „Der Zusammenschluss bedeutet den krönenden Abschluss für Seagrams Umwandlung in eine führende Kraft der globalen Medien- und Unterhaltungsindustrie“, sagte Bronfman am Dienstag in Paris und schwärmte von einer „Ära der Gelegenheiten“.

Ü Messier schwärmt vom Wachstum

„Es ist die Geburt eines neuen Weltführers der Kommunikation, es ist das erste Unternehmen, das erstrangige globale und lokale Inhalte mit der nächsten Generation digitaler Verteilung verbindet“, lobte auch Vivendi-Chef Jean-Marie Messier euphorisch bei der Pressekonferenz in Paris die neue „einzigartige Wachstums-Plattform“. Messier will neuer Chef von Vivendi Universal werden, das an den Börsen in Paris, New York und Toronto notiert werden soll. Sitz des Unternehmens wird Paris, mit einer Außenstelle in New York. Der bisherige Seagram- Präsident Edgar Bronfman jr. wird voraussichtlich Messiers Stellvertreter.


Die Vivendi/Seagram-Fusion geschieht zwar über einen Aktientausch, ist faktisch aber eine Übernahme Seagrams durch Vivendi. Liegt der Vivendi-Aktienkurs unter 96,69 Dollar sollen 0,8 Vivendi-Aktien gegen ein Seagram-Wertpapier getauscht werden, bei einem Kurs von mehr als 124,30 Dollar beträgt das Umtauschverhältnis 0,622. Insgesamt entspricht der Aktientausch einem Kaufpreis von etwa 34 Mrd. Dollar (69,4 Mrd. Mark). Sowohl Vivendi (minus 7%) und Canal+ (minus 10%) als auch Seagram (minus 6%) mussten am Tag der Fusionsverkündigung deutliche Kursverluste hinnehmen.