Der Fall (von) EM.TV
Börsen-Shooting-Star hat sich übernommen
Von Dr. Matthias Kurp, 06.12.2000
Das Muppet-Märchen
ist vorbei, der Kurs-Sturz der EM.TV-Aktie hält an: Mit knapp mehr als 6 Euro
wurde die Aktie zuletzt nur noch auf 5 Prozent ihres Höchststandes bewertet.
Der Aufstieg und Fall des Thomas Haffa ist ein Musterbeispiel für Risiken der
New Economy.
Grund für
die Krise von EM.TV ist das
magere Ergebnis, das der Börsen-Shooting-Star in diesem Jahr erzielen wird. Vor
Zinsen, Steuern und Abschreibungen sollen höchstens 50 Mio. Mark übrig bleiben
– zu wenig, um die enormen Zinsen und Kredite zahlen zu können. EM.TV-Gründer
und -Chef Thomas Haffa hatte das für die steigenden Börsenkurse zwingend
erforderliche Wachstum seines vermeintlichen Medien-Imperiums nämlich zuletzt
immer mehr auf Pump organisiert. Besonders teuer schlugen dabei die
Formel-1-Rechte zu Buche. Für die Hälfte von Bernie Ecclestones Holding SLEC
musste Haffa nämlich 3,6 Mrd. Mark zahlen, davon 712 Mio. Dollar in bar. Der Spiegel berichtet von notwendigen Krediten, die
jährliche Tilgungen von 40 Mio. Mark erfordern. Darüber hinaus beinhaltet der
Kaufvertrag eine Option auf weitere 25 Prozent von SLEC. Macht EM.TV von dieser
Option bis zum Jahresende keinen Gebrauch, darf Ecclestone ab April 2001 den
Anteil zwangsweise zum Preis von 2 Mrd. Mark an Haffas Unternehmen veräußern.
Ü
Preiswerte Übernahme für Kirch
Nutznießer der EM-TV-Krise ist einmal mehr
Medienmogul Leo Kirch. Sein Unternehmen wird im Zuge einer Kapitalerhöhung
künftig 16,74 Prozent an dem schwer angeschlagenen Unternehmen halten und
sicherte sich sogar 25 Prozent der Stimmrechte. Der Clou: Für seine Beteiligung
an EM.TV muss Kirch keinen Pfennig in bar bezahlen. Der Einstieg erfolgt
lediglich in Form einer Sacheinlage, weil die KirchGruppe nun EM.TV das
Gemeinschaftsunternehmen Junior-TV vollständig überlässt. Außerdem erwarb Kirch
24,5 Prozent der Formel-1-Rechte von EM.TV und zahlt dafür 550 Mio. Dollar.
EM.TV hatte die Rechte im März umgerechnet für den anderthalbfachen Preis
erworben.
Aus dem einstigen Börsen-Darling Thomas Haffa ist
längst ein Master of Desaster geworden. Seine Aktiengesellschaft hatte noch im
Februar einen Börsenwert gehabt, der dem 86-fachen Umsatz entsprach. Wie die
künstlich aufgeblähte New Economy funktioniert, zeigt die folgende EM.TV-Chronik:
1989: Der ehemalige Kirch-Manager Thomas Haffa gründet die
EM GmbH in München.
Oktober 1997: Die EM.TV & Merchandising
AG geht an die Börse (neuer Markt). Die 30-fach überzeichnete Aktie startet mit
35,50 DM (bereinigt um mehrere Aktiensplits: 0,35 Euro). 59% der Aktien bleiben
im Besitz der Familie Haffa.
Dezember 1998: EM.TV erwirbt für 0,5 Mrd.
Mark 50% an Kirchs Junior.tv mit Filmrechten an 20.000 halben Programmstunden
Kinder- und Familienunterhaltung.
Juli 1999: Kursplus von weit mehr als 20.000 Prozent:
Wer beim Börsenstart 10.000 DM in EM-TV-Aktien anlegte, besitzt Mitte 1999
bereits ein Aktienpaket im Wert von 1,7 Millionen DM.
September 1999: EM.TV beteiligt sich für 0,8
Mrd. Mark zu 45% an Herbert Kloibers Tele München Gruppe (zweitgrößter
deutscher Filmhändler).
Dezember 1999: Das Unternehmen machte 1999
mit 220 Mitarbeitern 325 Mio. Mark Umsatz, wird an der Börse aber mit 15 Mrd.
Mark bewertet.
Februar 2000: EM.TV übernimmt für 1,34
Mrd. Mark die Jim Henson Company. Die Aktie erreicht mit 120 Euro ihren
Kurshöchsstand und ein Kursplus von 33.000 Prozent. Wer beim Börsenstart 10.000
DM in EM-TV-Aktien anlegte, besitzt ein Aktienpaket im Wert von mehr als 2
Millionen DM.
März 2000: EM.TV übernimmt für 3,6 Mrd. Mark 50% von
Ecclestones Formel-1-Holding SLEC.
Oktober 2000: Nach einer Korrektur des
Halbjahresberichts fällt der Aktienkurs um etwa 30%. Finanzvorstand Florian
Haffa, Bruder des Firmengründers, tritt zurück.
Dezember 2000: Der Aktienkurs sinkt nach
Gerüchten über Zahlungsschwierigkeiten auf ca. 16 Euro. Der Aktienwert des
Unternehmens sinkt auf ca. 2,5 Mrd. Mark
Gewinnwarnung: Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) beträgt
voraussichtlich nur ca. 50 Mio. DM im Vergleich zu den geplanten 525 Mio. DM.
Ohne Zukäufe und Sondereinflüsse häufte EM.TV demnach in den ersten neun
Monaten des Jahres im operativen Geschäft einen Verlust von 135,3 Millionen DM
an.
4. Dezember 2000: Die Münchner Kirch-Gruppe
erwirbt 16,74% am angeschlagenen deutschen Medienkonzern EM.TV und sichert sich
damit zugleich Formel-1-Rechte. TV-Chef Thomas Haffa überträgt der KirchGruppe
zudem knapp 8% seiner Stimmrechte, so dass diese künftig eine Sperrminorität
von 25 Prozent der Stimmanteile hält. Kirch übernimmt außerdem für 550
Millionen US-Dollar (1,23 Milliarden Mark) 49 Prozent der EM-Anteile an der
Formel 1. Der Filmrechtepool von Junior.tv geht zu 100 Prozent auf EM.TV über.
Die Beteilgung an der Tele München Gruppe soll an Kloiber zurück verkauft
werden. Die EM-TV-Aktie verliert erneut 24% an Wert.
6. Dezember 2000: Der Wert der EM.TV-Aktie
sinkt auf knapp über 6 Euro.