Die Hamburger
Bürgerschaft soll noch vor der Sommerpause ein neues Mediengesetz
verabschieden. Doch der vom Hamburger Senat am 29. April beschlossene
Gesetzentwurf sorgt bei vielen Seiten für Kritik. Die Hamburgische Anstalt für
neue Medien und die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten klagen über
eine zu weit gehende Deregulierung. Die Hamburger Koalition aus CDU, FDP und
Schill-Partei allerdings rühmt den Gesetzentwurf als dringend notwendige
Liberalisierung.
„Die
Neufassung des Hamburgischen Mediengesetzes wird die jahrelang von Betreibern
und Bürgern gleichermaßen beklagte, aus heutiger Sicht nur noch schwer
begreifliche Überregulierung im Privatrundfunk beenden“, begründet der
Hamburger Senat die geplante Novellierung. Und darum geht es im Kern: Alle
inhaltlichen Auflagen für die Programme der Hamburger Hörfunkprogramme sollen
zukünftig entfallen, der Offene Kanal soll bereits ab Juli in einen
Ausbildungskanal der neuen Media School Hamburg umgewandelt werden und der
13-köpfige Vorstand der Hamburgischen
Anstalt für neue Medien (HAM) verkleinert und direkt von der Hamburger
Bürgerschaft gewählt werden.
Das seit 1985 geltende Hamburger Mediengesetz trug deutlich die
medienpolitische Handschrift der SPD und stellte sicher, dass auch
privatwirtschaftliche Hörfunkstationen – je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
– mindestens einen Wortanteil von 10 bis 15 Prozent der Sendezeit garantieren
müssen. Der konservative Hamburger Senat hält dies für überflüssig und will
Anbietern wie Radio Hamburg oder Alsterradio sogar erlauben, ihre
Nachrichten teilweise oder vollständig von Agenturen oder anderen Stationen zu
übernehmen. Im Ballungsraumfernsehprogramm von Hamburg
1 sollen Nachrichtensendungen sogar von Werbung unterbrochen werden dürfen.
„Eigenverantwortung und Selbstkontrolle der
privaten Sender sollen an die Stelle veralteter Vorschriften treten“, heißt es
in einer Pressemitteilung der Hamburger Senatskanzlei. Aus Sicht der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM)
entlässt das neue Hamburger Modell den privatwirtschaftlichen Rundfunk
allerdings aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung als Kulturgut.
„Rundfunkprogramme sind keine Ramsch-Ware“, bezog Wolfgang Thaenert als
Vorsitzender der Direktorenkonferenz deutlich Stellung.
Ü
Lob vom VPRT, Kritik vom HAM-Vorstand
Während der Verband
Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) lobte, das neue Hamburgische
Mediengesetz trage dazu bei, „die Flut von Regulierungen und Einschränkungen in
den Landesmediengesetzen abzubauen“, kritisierte der HAM-Vorstand die neuen
Regelungen scharf. Gefördert werde nicht Vielfalt, sondern Einfalt, weil der
Verzicht auf Regulierung zu mehr Kommerzialisierung und Konzentration führe. HAM-Direktor Lothar Jene warnte in diesem Zusammenhang vor
einer „fortschreitenden Boulevardisierung“. Der Hamburger
FDP-Fraktionsvorsitzende Burkhard Müller-Sönksen hingegen erhofft sich von der
Deregulierung mehr Wettbewerb, schließlich schaffe das neue Mediengesetz „die
attraktivsten Rahmenbedingungen für private Rundfunkanbieter“.
Äußerst umstritten ist auch das Vorhaben der Hamburger Regierungskoalition, den Mitte der 80-er Jahre eingeführten Offenen Kanal praktisch abzuschaffen. Der Bürgerkanal ermöglichte bislang in fast 50.000 Sendungen Bürgern und Gruppen eigene Hörfunk- oder Fernsehbeiträge.
Unmittelbar nach Verabschiedung des neuen Mediengesetzes soll
der Kanal, bei dem 14 feste Mitarbeiter beschäftigt sind, in Hamburg vorerst
abgeschaltet und an die neue Hamburg Media School
(HMS) übertragen werden.
Das HMS-Programm soll aus Rundfunkgebühren-Mitteln, die noch der HAM zustehen, später einen Zuschuss in siebenstelliger Höhe erhalten. Damit würden die etwa 900.000 Euro, die zuletzt jährlich an den Offenen Kanal flossen, künftig an ein halbprivates Unternehmen gehen. Immerhin heißt es in einer Pressemitteilung der Senatskanzlei, auch in Zukunft werde es „eine Bürgerbeteiligung an einem solchen Kanal geben; beispielsweise zu Themen wie „Kinder und Jugend“, „Integration“ und „Stadtteilkultur“. Wie dies aber konkret aussehen soll, ist noch unklar. Das HMS-Programm soll frühestens Anfang kommenden Jahres ausgestrahlt werden.
Ü
Parteipolitische Abhängigkeit wächst
Während die Hamburgische Anstalt für neue
Medien zurzeit noch über Zulassungs- und Kontrollmechanismen sowie Fördergelder
verfügt, um medienpolitisch auf eine Vielzahl und Vielfalt
privatwirtschaftlicher Rundfunkangebote einzuwirken, wird dies, sollte die vom
Senat beschlossene Novelle die Bürgerschaft passieren, bald kaum noch der Fall
sein. CDU, FDP und Schill-Partei setzen vielmehr allein auf die Gesetze des
Marktes. Der neue HAM-Vorstand soll nur noch aus sieben Experten bestehen, die
von der Bürgerschaft mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Der
parteipolitische Einfluss auf die HAM dürfte damit deutlich zunehmen.