Holtzbrinck scheitert mit Kartell-Beschwerde
Übernahme der Berliner Zeitung bleibt auch nach
OLG-Beschluss verboten
Von Dr. Matthias Kurp, 27.10.2004
Die
Verlagsgruppe Holtzbrinck darf
die Berliner Zeitung nicht übernehmen. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat
ein entsprechendes Verbot des Bundeskartellamtes bestätigt. Das Kartellamt
hatte den Zeitungskauf wegen einer drohenden marktbeherrschenden Stellung des
Verlags bei den Berliner Abonnementzeitungen im Februar gestoppt, obwohl
Holtzbrinck den Tagesspiegel zuvor an seinen Ex-Manager Pierre Gerckens
verkauft hatte.
Der erste Kartellsenat des Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG)
wies die Beschwerde der Georg von
Holtzbrinck GmbH & Co. KG gegen die Verfügung des Bundeskartellamtes
vom 2. Februar 2004 als unbegründet zurück. In dem Beschluss (Az.: IV Kart
7/04) bestätigte der Kartellsenat unter Vorsitz von Richter Jörg-Winfried Belker die Rechtsauffassung des Bundeskartellamtes, das argumentiert
hatte, durch den Erwerb des Berliner Verlages, zu dem die Titel Berliner
Zeitung, Berliner
Kurier und die Stadtillustrierte Tip gehören, erlange Holtzbrinck
in der Bundeshauptstadt eine marktbeherrschende Stellung.
Ü
Gerckens nur ein „Treuhänder“?
Entscheidend für den Beschluss
war, dass der Kartellsenat einen Verkauf des Holtzbrinck-Titels Der Tagesspiegel an Paul Gerckens, der im
September 2003 angekündigt worden war (4 siehe
Artikel Holtzbrinck-Verlag
verkauft Tagesspiel), nicht als Verringerung des Holtzbrinck-Marktanteiles
auf dem Berliner Zeitungsmarkt wertete. Vielmehr ergebe sich, so hieß es in
einer OLG-Pressemitteilung vom 27. Oktober, dass Gerckens „die an ihn
übertragenen Geschäftsanteile letztlich nur treuhänderisch verwalten und das
wirtschaftliche Risiko des Erwerbs bei Holtzbrinck verbleiben sollte“. Ähnlich
hatte auch das Bundeskartellamt argumentiert. Bereits zum Verhandlungsauftakt
hatten die Richter am 12. Oktober in Düsseldorf deutlich gemacht, der Senat
störe sich an zweierlei Klauseln des Gerckens-Vertrages: Erstens sei der Käufer,
der zuvor jahrelang als führender Manager für Holtzbrinck tätig war,
verpflichtet, den Tagesspiegel bis Ende 2006 nicht weiterzuverkaufen, und
zweitens bestehe für Holtzbrinck ein Rückkaufrecht bis Ende 2004.
Auch der geringe Preis – nur zehn
Millionen Euro, zahlbar in vier Raten – nährte den Verdacht, der ehemalige
Holtzbrinck-Manager Gerckens habe nur eine Strohmann-Funktion. Holtzbrinck hatte erwartet, dass die Übernahme
durch eine Liberalisierung des Pressefusionsrechts, die
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement bis zum Jahresende durchsetzen will,
möglicherweise doch noch gelingt. Inzwischen musste Clement die ursprünglich
vorgesehene weitrechende Liberalisierung („Altverleger-Klause“) jedoch wieder
zurückziehen.
Ü
Regionaler Abo-Zeitungsmarkt
Auch der von Holtzbrinck-Anwalt
Prof. Dr. Rainer Bechtold vorgebrachten
Argumentation, die Marktabgrenzung des Bundeskartellamtes sei zu restriktiv,
mochte das Oberlandesgericht nicht folgen. Bechtold vertritt die Meinung, Konkurrenzmedien
für Berliner Zeitung und Tagesspiegel seien in Berlin nicht nur die Berliner Morgenpost des Springer Verlages, sondern es müssten auch überregionale
Zeitungen und Hörfunkangebote berücksichtigt werden, so dass die beabsichtige
Übernahme des Berliner Verlages nicht zu einer marktbeherrschenden Stellung
Holtzbrincks führen könne. Diese Auffassung teilt der erste Düsseldorfer
Kartellsenat nicht und hatte bereits vor zwei Wochen deutlich gemacht, die
regionalen Abonnement-Zeitungen in Berlin seien als eigener Markt zu betrachten,
auf dem nach einer erlaubten Übernahme der Berliner Zeitung Springers
Morgenpost die einzige Alternative zu den Holtzbrinck-Titeln sei. Im
42-seitigen Gerichtsbeschluss heißt es nun, mit der Fusion erreiche Holtzbrinck
auf dem Berliner Lesermarkt für regionale Abonnementszeitungen einen
Marktanteil von mehr als 60 Prozent. Bereits bei mehr als 33 Prozent geht das Gesetz
gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) von einer marktbeherrschenden Position
aus.
Ü
Wird Berliner Verlag wieder verkauft?
Schon während der dreieinhalbstündigen
Verhandlung am 12. Oktober hatten Holtzbrinck-Vertreter vor Gericht vergeblich
angeboten, gegebenenfalls Rückkaufoption und Veräußerungsverbot aus dem Gerckens-Vertrag
zu streichen. Jetzt bleibt dem in den vergangenen Jahren stark expandierenden
Verlagshaus (Die Zeit, Handelsblatt) nur noch,
Rechtsmittel gegen den Düsseldorfer Beschluss einzulegen. Dann müsste der
Bundesgerichtshof entscheiden. Ohne einen erfolgreichen Gang nach Karlsruhe muss
Holtzbrinck den im Juli 2002 von Gruner
+ Jahr erworbenen Berliner Verlag wieder abstoßen.
Siehe auch: 1 Chronik des Berliner Zeitungs-Streits
1 Holtzbrinck-Verlag verkauft Tagesspiegel
1 Tagesspiegel-Tauziehen kurz vor dem Finale
1 Hängepartie im Streit um
Berliner Zeitung