Die Essener WAZ-Gruppe, Deutschlands größter Regionalzeitungsverlag,
tauscht bei zwei ihrer vier Ruhrgebietstitel – Westdeutsche Allgemeine Zeitung,
Westfälische Rundschau, Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung und Westfalenpost – noch
in diesem Jahr die Chefredakteure aus.
Wie überall in der Branche sinken auch bei
Deutschlands renditestärkstem Medienunternehmen die Auflagen, vor allem im
Ruhrgebiet. Deshalb haben sich die Gesellschafterfamilien Brost und Funke auf
ein Personalpaket für Westdeutsche Allgemeine Zeitung und Westfälische Rundschau
geeinigt. Dass die WAZ-Gruppe für zwei ihre Ruhrgebiets-Titel nach neuen
Führungskräften suchte, war in der Branche seit Wochen kein Geheimnis. Mitte
der vergangenen Woche wurden schließlich die meist gehandelten Kandidaten auch
offiziell aufs Schild gehoben: Noch in diesem Jahr soll Ulrich Reitz – bei der
Rheinischen Post in Düsseldorf seit 1997 Chefredakteur – diesen Posten bei der
Westdeutschen Allgemeinen Zeitung in Essen übernehmen. Eine neue Position für
den aktuellen WAZ-Chefredakteur Uwe Knüpfer muss die WAZ noch finden.
Im Dezember soll außerdem Klaus Schrotthofer bei
der ebenfalls zur WAZ-Gruppe gehörenden Westfälischen Rundschau in Dortmund den
in den Ruhestand wechselnden Chefredakteur Frank Bünte ablösen. Schrotthofer
war bis Ende Juni Sprecher von Johannes Rau im Bundespräsidialamt und davor
stellvertretender Chefredakteur bei der Berliner Zeitung. Seine SPD-Nähe ist
kein Geheimnis, seine neue Position deshalb kaum überraschend. Schließlich ist
die SPD noch immer mit 13 Prozent an der Westfälischen Rundschau in Dortmund
beteiligt.
Ü
Titel & Auflagen der WAZ-Gruppe
Titel |
Auflage
I/2004 |
Westdeutsche
Allgemeine Ztg. |
999.900 |
Westfälische
Rundschau (86,9%) |
|
Neue Ruhr/Neue
Rhein Zeitung |
|
Westfalenpost |
|
Iserlohner Kreisanzeiger
(24,8%) |
24.400 |
Ostthüringer
Zeitung |
135.000 |
Thüringische
Landeszeitung |
45.000 |
Thüringer
Allgemeine (50%) |
220.000 |
Die Kitzinger |
6.100 |
Saale-Zeitung |
15.500 |
Meininger
Tageblatt (50%) |
15.100 |
Gesamtauflage: |
1.461.000 |
Gesamtauflage
gewichtet: |
1.325.200 |
Quelle:
FORMATT 2004 |
Erstaunlicher ist, dass an die Spitze der
Westdeutschen Allgemeinen Zeitung demnächst mit Ulrich Reitz ein ausgewiesen
konservativer Kopf rückt. Im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen gilt die WAZ,
Deutschlands auflagenstärkste Regionalzeitung, traditionell als
sozialdemokratisch gefärbt. Reitz, der früher bei der Zeitung „Die Welt“ und
beim Nachrichtenmagazin „Focus“ arbeitete, macht in seinen Texten auf den
Meinungsseiten der Rheinischen Post aus seiner Nähe zur CDU nie einen Hehl.
Ü
Reitz soll WAZ modernisieren
Während
Branchen-Insider vermuten, die WAZ würde bereits auf einen möglichen Wahlsieg
der CDU bei der Landtagswahl im kommenden Jahr ausgerichtet, bringt WAZ-Manager
Bodo Hombach andere Argumente vor. Der ehemalige SPD-Kanzleramtsminister hatte
bereits vor Wochen betont, die WAZ müsse zur Stabilisierung ihrer Auflage
inhaltlich neu ausgerichtet werden und dabei als Vorbild die Rheinische Post
gelobt. Dort hatte Ulrich Reitz das Konzept eines so genannten Autorenblattes
durchgesetzt: mit längeren Artikeln, oft eigenwilliger Themensetzung und ganz
ohne die Verwendung von dpa-Texten. Die Auflage aber sank im vergangenen Jahr
dennoch.