Das Bundeskartellamt
hat die geplante Änderung der Eigentümerstruktur beim Spiegel-Verlag erlaubt.
Der Verlag Gruner+Jahr darf demnach ebenso wie die Mitarbeiter KG des Spiegel
zusätzliche 0,5 Prozent der Gesellschafteranteile übernehmen. Für Gruner + Jahr
bedeutet dies eine Sperrminorität, so dass gegen den Hamburger
Zeitschriftenverlag beim Spiegel jetzt nichts mehr entschieden werden kann.
Nach dem Tod des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein am 7. November 2002
machte der mächtige Verlag Gruner + Jahr AG
& Co. KG,
der zu 75 Prozent der Bertelsmann AG
gehört, eine Klausel geltend, die sich im Testament des Verstorbenen fand.
Augstein hatte schon Jahre vor seinem Tod als letzten Willen festgelegt, dass
nach seinem Ableben die Erben vom 25-prozentigen Familien-Anteil am Magazin DER
SPIEGEL ein
Prozent jeweils zur Hälfte an Gruner + Jahr und die Mitarbeiter KG abgeben
sollten. Unter dem Aktenzeichen B6-84/04 machte Gruner + Jahr dieses Vorhaben
am 10. August beim Bundeskartellamt
in Bonn geltend. Diese
Aufstockung, teilte die Wettbewerbsbehörde nun am 7. September mit, führe nicht
zu „einer Änderung der Stellung von Gruner + Jahr auf dem Leser- oder
Anzeigenmarkt". Damit besitzt statt der Verlegerfamilie Augstein nun
Gruner + Jahr mit mehr als 25 Prozent der Gesellschafteranteile die so genannte
Sperrminorität und damit bei allen Unternehmensentscheidungen ein Vetorecht.
Der Mitarbeiter KG bleiben 50,5 Prozent der Gesellschafteranteile übrig. Weil
der Spiegel-Gesellschaftervertrag vorsieht, dass alle Entscheidungen mit einer
Mehrheit von 76 Prozent gefällt werden müssen, verliert die Familie Augstein
mit ihren verbleibenden 24 Prozent jeglichen Einfluss.
Ü
Gruner + Jahr jetzt mit Veto-Recht
Das Bundeskartellamt musste in dem Fall entscheiden, weil die Europäische
Kommission für den Fall keine Zuständigkeit sah. In einem Schreiben aus Brüssel
hieß es, es handle sich bei der Auseinandersetzung „nicht um einen
Zusammenschluss im Sinne der Fusionskontrollverordnung“. Nach der Entscheidung
der Bonner Kartellbehörde können nun Spiegel-Mitarbeiter und Gruner + Jahr ohne
Zustimmung der Erben sämtliche Entscheidungen fällen. Jakob Augstein,
37-jähriger Sohn des Magazin-Gründers und Sprecher der Erbengemeinschaft, hatte
im Vorfeld der Kartellamts-Entscheidung argumentiert, dass der Verlag Gruner +
Jahr, der bereits das Konkurrenz-Magazin Stern herausgibt, durch die
Anteilserhöhung beim Spiegel eine marktbeherrschende Stellung (60,6 Prozent der
Auflage) im Branchensegment der politischen Wochenmagazine (Spiegel, Stern,
Focus, Zeit, Rheinischer Merkur, Bayernkurier) erlangen würde. Dadurch sei die
Unabhängigkeit des Nachrichtenmagazins gefährdet. Das Kartellamt folgte dieser
Argumentation nicht und statt dessen im Wesentlichen der Rechtsauffassung von
Gruner + Jahr. Der Verlag hatte betont, der Stern sei kein politisches Magazin,
sondern lediglich eine allgemein informierende Publikumszeitschrift.
Schließlich würden nur 21,9 Prozent der Stern-Leser auch den Spiegel lesen.
Ü
Augstein-Erben akzeptieren Entscheidung
Das Bundeskartellamt urteilte,
eine „Verengung“ des Kreises der entscheidungsrelevanten Gesellschafter von
drei auf zwei ändere nichts an der Marktmacht von Gruner + Jahr und begrenzte
die Betrachtung ausschließlich auf wirtschaftliche, nicht auf publizistische
Belange. Den Erben ist es offensichtlich nicht gelungen, die Wettbewerbshüter
davon zu überzeugen, dass es gravierende Folgen nach sich ziehen könnte, wenn
nur noch zwei Gesellschafter etwa über die Bestellung und Abberufung des
Spiegel-Chefredakteurs zu entscheiden haben. Ende September müssen die
Gesellschafter über eine Verlängerung des Arbeitsvertrages für den seit zehn
Jahren in Hamburg agierenden Chefredakteur Stefan Aust entscheiden.
Der Anwalt der Familie Augstein,
Rainer Bechthold, hatte im Vorfeld der Kartellamts-Entscheidung nachzuweisen
versucht, dass sich Rudolf Augstein spätestens seit 1999 darum bemüht habe, Gruner
+ Jahr das Vorerwerbsrecht wieder abzuringen, was jedoch scheiterte. Jakob
Augstein appellierte nach der Entscheidung der Wettbewerbshüter an die
Mitarbeiter KG und an Gruner + Jahr, die Unabhängigkeit des Nachrichtenmagazins
zu garantieren. Gegenüber dem Berliner Tagespiegel
erklärte der Sohn des Magazin-Gründers: „Wir hätten begrüßt, wenn das
Kartellamt das Hauptprüfverfahren eröffnet hätte.“
Ü
Unternehmens-Beteiligungen
Unternehmen |
Gesellschafteranteil |
Spiegel TV GmbH |
100,00 % |
a+i
Art and Information GmbH & Co. KG |
100,00 % |
Aspekt Telefilm-Produktion GmbH |
69,83 % |
Manager Magazin
Verlagsgesellschaft mbH |
75,10 % |
Spiegelnet
GmbH |
89,91 % |
Story
House Productions GmbH |
50,00 % |
Spiegel Onlone GmbH |
100,00 % |
XXP TV Das Metropolenprogramm
GbR |
50,00 % |
Manager Magazin Online GmbH |
100,0 % |
Manager Seminare Verlags GmbH |
25,10 % |
Qualitiy
Channel GmbH |
100,0 % |
Der Audio Verlag GmbH |
25,00 % |
dctp Entwicklungsgesellschaft
für TV-Programme GmbH |
12,50 % |
Quelle:
Hoppenstedt, eigene Recherchen
Die Spiegel KG erzielte im
vergangenen Jahr einen Umsatz von 307 Millionen Euro und beschäftigt in den verschiedenen
Tochterfirmen (siehe Grafik) etwa 1400 Mitarbeiter.
1 siehe auch Artikel Spiegel-Verlagsgruppe wächst wieder