Das so genannte Pressefusionsgesetz soll nun
doch nicht so stark liberalisiert werden, wie ursprünglich in einem
Referentenentwurf des Berliner Bundeswirtschaftsministeriums vorgesehen. Zwar
bleibt es bei gesetzlichen Erleichterungen für alle Zeitungsunternehmen, die
sich zusammenschließen wollen. Allerdings soll das Gesetz auch eine
„Missbrauchsregel“ enthalten.
Die Pressefusionskontrolle war
in den 70-er Jahren eingeführt worden, um die enorme Pressekonzentration zu
stoppen. Um weiteres Zeitungssterben zu verhindern, ermöglichte es die Dritte Kartellrechtsnovelle deshalb seit 1976 dem Bundeskartellamt in § 35
des Gesetz
gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Zusammenschlüsse von
zwei Zeitungsverlagen unter bestimmten Voraussetzungen zu untersagen. Dies
konnte seitdem immer dann erfolgen, wenn die beteiligten Zeitungshäuser auf dem
selben Markt agierten und gemeinsam einen Jahresumsatz von mehr als 25
Millionen Euro im Inland erzielten. In solchen Fällen wurde vom Kartellamt in
der Regel nur eine maximale Beteiligung von 24,9 Prozent erlaubt. Damit
überwachten die Wettbewerbshüter den Pressemarkt wesentlich strenger als andere
Branchen, in denen das „Aufgreifkriterium“ erst bei 500 Millionen Euro liegt.
Für Zeitungsverlage gilt auch die so genannte Bagatellklausel nicht, wonach die
Fusionskontrolle unterbleibt, wenn ein beteiligtes Unternehmen mehr als zehn
Million Euro Jahresumsatz ausweist.
Ü
Pressefusionskontrolle wird gelockert
Angesichts
der Krise auf dem Zeitungsmarkt hatte der Springer Verlag bereits vor drei
Jahren die Bundesregulierung dazu aufgefordert, die Pressefusionskontrolle zu
lockern (4 siehe Artikel Springer
Verlag will Kartellrecht lockern). Spätestens seit dem Tauziehen um die
Berliner Zeitung (4 siehe Artikel Holtzbrinck-Verlag
verkauft Tagesspiegel) ist das Thema nun wieder aktuell. In einem ersten
Referentenentwurf schien der frühere Journalist und aktuelle
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement die Pressefusionskontrolle de facto
nahezu komplett abschaffen zu wollen. Im Rahmen der 7. Novelle des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollte das Pressefusionsrecht ursprünglich mit
Wirkung zum 1. Mai 2004 wie folgt geändert werden: Für die Eingreifschwelle des
Bundeskartellamtes sollte das Kriterium des gemeinsamen Umsatzes der
Fusionspartner von 25 auf 50 Millionen Euro erhöht werden. Außerdem sollten
Zusammenschlüsse von Unternehmen mit weniger als 2 Millionen Euro gemeinsamen
Jahresumsatz gar nicht mehr der Fusionskontrolle unterliegen.
Viel erheblicher aber war, dass die
Novelle des Pressefusionsrechtes auch eine Änderung
des § 36 GWB bewirken sollte. Danach sollten Zeitungsfusionen mit
einem Gesamtumsatz von mehr als 50 Millionen Euro auch dann erlaubt sein:
Ø wenn die erworbenen Zeitungen oder Zeitschriften „langfristig als selbständige publizistische Einheiten“ erhalten blieben,
Ø wenn der Veräußerer oder ein Dritter einen Stimmrechtsanteil von 25 Prozent behielt
Ø und wenn der Käufer nicht die Titelrechte und die „alleinigen Bestimmungsrechte über die inhaltliche Ausrichtung der Zeitschriften oder Zeitungen erlangen“ würde.
Ü
Missbrauchsregel gegen Konzentration
In einem von Clement am 30. April vorgelegten neuen
Papier, das auf 33 Seiten sieben neue Paragrafen beinhaltet, bleibt es zwar im Wesentlichen
bei der Freigabe fast aller Pressefusionen durch eine Lockerung des Paragrafen
1, Absatz 1a GWB, allerdings soll die Liberalisierung allein auf
Sanierungsfälle beschränkt werden, was im neuen Paragraf 36, Absatz 1b
verankert werden soll. Dementsprechend handelt es sich dann um einen
Sanierungsfall, wenn die Anzeigen- und Beilagenerlöse eines Blattes (nicht
eines Unternehmens!) drei Jahre lang hintereinander gesunken sind „oder
erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Zeitungen“ liegen. Der Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV)
wandte gegen
die neue Klausel ein, in Not befindliche Verlage müssten nach Inkrafttreten des
neuen Passus künftig ihre schlechte wirtschaftliche Lage öffentlich machen, was
die Verhandlungsposition für die Verhandlung um Bankkredite entscheidend verschlechtere.
Clements neue
Missbrauchsregel beinhaltet im Absatz 1b des Paragrafen 36 GWB noch eine
weitere Regelung, um lokale Zeitungsmonopole zu verhindern. So soll die
wiederholte und rasche Übernahme von Zeitungen in „räumlich benachbarten
Märkten“ durch einzelne Unternehmen vom Kartellamt ebenfalls unterbunden
werden. Diese Klausel kann als Reaktion auf die Kritik gewertet werden, die von
Medienexperten und Journalisten, Monopolkommission und Bundeskartellamt
am Ende 2003 vorgelegten radikalen Liberalisierungskurs geäußert worden war.
Während Clement im Bereich Pressefusion den Referentenentwurf zugunsten
strengere Regeln nachbesserte, will er Werbekooperationen von Zeitungsverlagen
künftig „ohne weitere Bedingungen“ aus dem Kartellverbot ausklammern.
Ü
„Lex Holtzbrinck“?
Einen Passus, der
unmittelbar an den Berliner Zeitungsstreit anknüpft, soll es im neuen
Pressefusionsrecht auch geben. So heißt es im neuen Gesetzentwurf, die
Übernahme einer Zeitung sei auch dann zulässig, wenn eine Zeitung, die einen
anderen Titel übernehmen wolle, selbst Probleme habe. Genau so hatte die
Verlagsgruppe Holtzbrinck
angesichts des 75-Millionen-Euro-Verlustes seines Tagesspiegel bei der beantragten
Übernahme der Berliner
Zeitung argumentiert (4 siehe Artikel Chronik
des Berliner Zeitungsstreits).
Unverändert
gegenüber dem ursprünglichen Referentenentwurf bleibt die Einführung einer
Bagatellklausel. Demnach entfällt bei Verlagen mit weniger als 2 Millionen Euro
Jahresumsatz künftig jegliche Pressefusionskontrolle, so dass bundesweit
künftig etwa dreißig kleinerer Zeitungshäuser ohne Barrieren verkauft werden
könnten. Außerdem soll das Aufgreifkriterium, das Kontrollen der Kartellwächter
auslöst, entschärft werden: Statt 25 Millionen Euro dürften Käufer und
Verkäufer demnach bis zu 50 Millionen Euro gemeinsamen Jahresumsatz haben, ohne
dass eine Beteiligung oder Fusion verboten werden kann. Nach Berechnungen des
Bundeswirtschaftsministeriums sollen sich dadurch etwa fünfzig Verlage
„zusätzlich kontrollfrei zusammenschließen“ können.
Ü
Clement hat es eilig
Für den 17. Mai hat das Bundeswirtschaftsministerium zu einem Experten-Hearing nach Berlin eingeladen. Allerdings werden dann auch andere Elemente der 7. GWB-Novelle auf der Tagesordnung stehen, die nichts mit dem Pressemarkt zu tun haben, aber einer dringenden Anpassung an die EU-Richtlinien bedürfen. Viel Raum für Diskussionen bleibt also nicht mehr. Bis Ende Juni will Clement das neue Gesetz vom Kabinett beschließen lassen. Anschließend sollen Bundestag und Bundesrat parallel darüber beraten. Bleibt es beim aktuellen Gesetzesentwurf, scheint ein Beschluss eher unwahrscheinlich. CDU und CSU haben bereits signalisiert, dass Clements GWB-Novelle an ihrer Mehrheit in der Länderkammer scheitern soll.
Ü Siehe auch folgende Artikel: 1 Zwischenbilanz
der Zeitungskrise
1 Chronik
des Berliner Zeitungsstreits