Deutschlands Zeitungen befinden sich in der schlimmsten Krise der vergangenen dreißig Jahre. Die Gesamtauflage ging 2002 um 600.000 zurück und sank bei der Abonnementpresse im ersten Quartal 2003 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum erneut um 1,7 Prozent auf 28,9 Millionen Exemplare. Der Umsatz der deutschen Zeitungsbranche schrumpfte 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro.

Hielten sich die Auflagenverluste bei der Abo-Zeitungen noch in Grenzen, verloren die Kaufzeitungen im Zeitraum von Januar bis März im Vergleich zum ersten Quartal 2002 mit etwa 100.000 weniger verkauften Exemplaren sogar 3,4 Prozent. Schwerer noch als die Verluste bei der verkauften Auflage wiegen die bei den Anzeigenerlösen. Im vergangenen Jahr gingen die Anzeigen- und Beilagenerlöse um 12,1 Prozent zurück. Im Jahr zuvor hatten die Verleger bereits über ein Minus von 14 Prozent geklagt. Machte das Anzeigengeschäft früher traditionell etwa zwei Drittel der Zeitungsumsätze aus, lag der Anteil der Erlöse auf dem Werbemarkt nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) im vergangenen Jahr nur noch bei 56 Prozent.

Um die Defizite auf dem Werbemarkt auszugleichen, haben viele Zeitungsverlage bereits ihre Bezugs- und Kioskpreise erhöht. So stiegen die Vertriebserlöse 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent auf 4,15 Milliarden Euro. „Am Vertriebspreis ist nach oben hin noch alles möglich – man muss es dem Leser nur erklären“, zitiert das Branchen-Fachblatt Horizont Hans Joachim Fuhrmann, den Leiter Kommunikation und Multimedia beim BDZV. Dennoch befinden sich viele der etwa 350 deutschen Zeitungshäuser inzwischen in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

 

Ü Wirtschaftliche Probleme oft hausgemacht

 

Längst fordert der BDZV eine Lockerung der Pressefusionskontrolle, die noch den Aufkauf von Titeln oder Mehrheitsbeteiligungen an Zeitungsverlagen unterbindet, wenn sie Blätter auf identischen Märkten verkaufen. Die Probleme der meisten Verlage sind allerdings keine Folge ordnungspolitischer Fesseln, sondern vielmehr hausgemacht. Diese Meinung vertrat während des medienforum.nrw auch WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach und sprach von viel zu teuren Glaspalästen, die sich manche Verlage zugelegt hätten. Gemeint war wohl das Kölner Verlagshaus DuMont Schauberg, das für 2002 ein Defizit von etwa 30 Millionen Euro verbuchen musste. In den fetten Jahren wurden außerdem von vielen Verlegern Millionen-Summen in Internet-Projekte oder erfolglose Expansionen auf verwandten Märkten investiert. Dass trotz der Rezession noch bis zu zweistellige Renditen möglich sind, haben in den vergangenen beiden Jahren Verlage wie die WAZ-Gruppe oder die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft aus Düsseldorf (Rheinische Post) bewiesen.

Die Probleme der Tageszeitungen auf dem Anzeigenmarkt liegen nicht nur an den schlechten volkswirtschaftlichen Vorzeichen. So stiegen etwa die Brutto-Werbeerlöse bei den überregionalen Anzeigen im ersten Quartal um 6,2 Prozent. Die Stellenanzeigen aber gingen erneut stark zurück und lagen 37,6 Prozent unter dem Niveau vom Vorjahr. Immer mehr Betroffene suchen inzwischen online nach neuen Stellen, so dass immer mehr Inserate ins Internet statt in die Zeitungen wandern. Ähnliches gilt für Immobilien- und Kfz-Anzeigen. Jetzt rächt es sich, dass es den Zeitungsverlagen bis heute nicht gelungen ist, für die Rubrikenanzeigen eine gemeinsame Online-Plattform zu schaffen.

 

Ü Suche nach Online-Geschäftsmodellen

 

Bei ihren Aktivitäten im Internet verfolgen die Verlage inzwischen unterschiedliche Strategien. Die Zeiten des „All for free“ aber neigen sich dem Ende zu. Vor wenigen Tagen erst haben Rheinische Post, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse den größten Teil ihrer Print-Angebote im World Wide Web nur noch für Abonnenten reserviert. Andere Verlage haben zumindest Archiv-Funktionen oder Zusatzinformationen gebührenpflichtig gemacht. Damit werden zwar die Online-Auftritte profitabler, aber zugleich auch viele der weniger zahlungskräftigen jüngeren User abgeschreckt. Genau die aber drohen den Print-Ausgaben der Abonnementzeitungen mehr und mehr verloren zu gehen und könnten über das Internet gewonnen werden.

 

Ü Siehe auch folgende Artikel:   1 Gefährliche Folgen der Zeitungskrise

                                            1 Springer Verlag will Kartellrecht lockern

                                            1 Hängepartie im Streit um Berliner Zeitung