Jetzt hat die wirtschaftliche Medienkrise auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) erreicht. Zwar blieb beim Betriebsergebnis im vergangenen Jahr noch ein Überschuss von 2,2 Millionen Euro, doch in diesem oder spätestens im nächsten Jahr sind Verluste nicht ausgeschlossen. Die Hamburger GmbH ist in der Zwickmühle: Einerseits erwarten ihre Gesellschafter bessere Ergebnisse, andererseits aber sind die Gesellschafter auch zugleich dpa-Kunden – und als solche wollen sie auf keinen Fall höhere Preise akzeptieren.

Als am 25. Juni dreizehn regionale Abonnementzeitungen keine dpa-Meldungen abdruckten, wollten sie ein Zeichen setzen: Es geht auch ohne Deutschlands größte Presseagentur! Westdeutsche Allgemeine, Westdeutsche Zeitung, Westfälische Nachrichten, Märkische Allgemeine, Münchener Merkur, Mittelbayerische Zeitung, Passauer Neue Presse, Hessisch/Niedersächsische Allgemeine, Sächsische Zeitung, Volksstimme Magdeburg, Schweriner Volkszeitung, Nordkurier und Ostsee-Zeitung druckten einen Tag lang keinen Text und kein Bild von dpa. „Wir richten einen nachdrücklichen Appell an die dpa, mit flexiblen Angeboten auf die drastisch und dauerhaft verschlechterte Lage der Zeitungen einzugehen“, kommentierte Michael Backhaus, Chefredakteur der Passauer Neuen Presse via Presseerklärung die Aktion.

 

Der Termin des Protestes war mit Bedacht gewählt. Schließlich trafen sich am 25. Juni in Hamburg die Gesellschafter der dpa. Dabei handelt es sich um 196 deutsche Zeitungsverlage oder andere Medienunternehmen. Alle Anteilseigener besitzen jeweils maximal 1,5 Prozent des Stammkapitals, die Rundfunkanstalten insgesamt höchstens 25 Prozent. Walter Richtberg, seit 1985 Vorsitzender der dpa-Geschäftsführung, hatte der illustren Runde deutscher Medienmanager bei der Gesellschafterversammlung wenig Positives zu berichten. Der Umsatz sank um 0,4 Prozent auf 106,2 Millionen Euro, der Jahresüberschuss ging sogar um mehr als ein Fünftel zurück. In diesem Jahr läuft ein Zehntel der Kundenverträge aus.

 

Ü Zeitungen drohen mit Kündigung

 

Rhein-Zeitung und Rheinische Post wollen im kommenden Jahr komplett auf die dpa-Dienste verzichten. Auch das Handelsblatt schickte eine Kündigung. Bild und ProSiebenSat.1 Media AG drohen bereits ebenfalls mit einer Trennung vom Service der 1949 gegründeten Agentur. Mit dem Verlust von regionalen Abonnementzeitungen als Kunden sind für dpa jeweils Umsatzeinbußen zwischen einer halben und einer Million Euro verbunden. So zahlt zum Beispiel der Verbund der Zeno-Zeitungen bei einer Auflage von 223.433 jährlich 480.000 Euro. Die Senderkette um Sat.1 und Pro 7 überweist jährlich etwa 2,5 Millionen Euro nach Hamburg.

 

Wie es ist, auch ohne dpa auszukommen, beweist bereits seit dem vergangenen Jahr die Chemnitzer Freie Presse. Geld, das früher an die Deutsche Presse-Agentur überwiesen wurde, hat die Redaktion statt dessen in einen Reporter-Pool investiert. Ähnliches plant auch die Rheinische Post. Anders die Saarbrücker Zeitung, die 1997 gekündigt hatte, seit Januar aber wieder auf dpa-Texte zurückgreift. Ausschlaggebend seien die gestiegene schreiberische Qualität, ein breiteres Themenspektrum und bessere Reaktionen auf aktuelle Kundenwünsche, begründete Chefredakteur Friedhelm Fiedler die reumütige Rückkehr. Auch die Lausitzer Rundschau bestellte dpa erst ab, erhält den Basisdienst inzwischen aber wieder.

 

Ü Qualität gelobt, Basisdienste kritisiert

 

Tatsächlich sind die meisten Zeitungen mit der Qualität der dpa-Angebote im Wesentlichen einverstanden. Beklagt aber wird, dass Kern aller Angebote der Bezug des recht teuren Basisdienstes ist. Die regionalen Tageszeitungen sind vor allem an den Landesdiensten (lnw etc.) interessiert, die sich dpa nur wegen der Quersubventionierung über den obligatorischen Basisdienst leisten kann. Vor allem in ländlichen Regionen bescheren diese Spezialangebote der dpa ein Minus. Geschäftsführer Richtberg versucht die unzufriedenen Zeitungsverlage einstweilen mit den Hinweis zu beruhigen, schließlich seien die Preise seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden. In Hamburger dpa-Zentrale wird deshalb bereits darüber nachgedacht, die Landesdienste künftig unabhängig vom Basisdienst anzubieten.

 

Um nicht zwingend auf dpa angewiesen zu sein, setzen zahlreiche Verlage inzwischen auf einen Verbund, den sie Gemeinschaft der Regionalzeitungen (RZP) getauft haben. Innerhalb der angeschlossenen Titel werden bereits Bilder und Texte getauscht oder verkauft. Noch arbeiten dennoch 98 Prozent aller deutschen Zeitungen mit dem dpa-Basisdienst. Kein Wunder, dass sich die Titelseiten kleinerer Regionalzeitungen kaum noch voneinander unterscheiden. Beim Kampf um den Leser bemühen sich deshalb immer mehr Zeitungen um ein eigenes Profil, um der Agentur-Uniformität zu entgehen. Das neue Zauberwort heißt Autorenzeitung. Bei der Rheinischen Post liegt der Agentur-unabhängige Eigenanteil bereits bei 70 Prozent. Für dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn und Geschäftsführer Richtberg aber sind Agentur und Autor nicht völlig unterschiedliche Konzepte. Vielmehr seien die dpa-Meldungen Voraussetzung für die Arbeit guter Autoren.

 

Ü Suche nach neuen Geschäftsmodellen

 

Egal ob Umbruch oder Umbau, ob Kurskorrektor oder Kontinuität: In den kommenden Monaten müssen dpa-Gesellschafter und -Kunden nach neuen Kooperationsformen suchen. Um die Ertragslage zu verbessern, gibt es für die etwa 1200 dpa-MitarbeiterInnen bis einschließlich November keine Gehaltserhöhungen und erst ab Dezember eine Steigerung um 2,1 Prozent. Betriebsbedingte Kündigungen konnten bislang noch durch einen Gehaltsverzicht in Höhe von 10 Prozent verhindert werden.

 

Für die Zukunft sucht die dpa nach neuen Geschäftsfeldern und würde gerne auch Anzeigenblätter beliefern. Das aber wussten die Verleger bislang zu verhindern. Geplant ist auch die Produktion kompletter Zeitungsseiten. Vorbild könnte dabei der Konkurrent ddp sein. Die kleinere und bislang noch immer defizitäre Agentur beliefert zum Beispiel den Mecklenburger Nordkurier komplette Seiten über Brandenburger Landespolitik. Was medienökonomisch und betriebswirtschaftlich sinnvoll scheint, wäre für die Meinungsvielfalt allerdings eine Katastrophe, wenn dadurch am Ende die Autonomie einzelner Titel auf der Strecke bliebe.