Springer Verlag will Kartellrecht lockern
Angriff auf das Pressefusionskontrollgesetz
Von Dr. Matthias Kurp, 20.08.2001
Der Axel Springer
Verlag will noch größer werden und drängt auf eine Lockerung des Kartellrechts,
um weitere Zeitungstitel aufkaufen zu können. Lenkt die Bundesregierung ein?
23,6
Prozent aller verkauften Tageszeitungsexemplare in Deutschland stammen aus dem Axel Springer Verlag. Europas
größter Zeitungsverlag besitzt in Deutschland komplett oder teilweise 16
verschiedene Zeitungen. Bei den Boulevardzeitungen beträgt der
Springer-Marktanteil vor allem wegen der dominierenden Position von Bild sogar 81 Prozent. Doch das
reicht dem Hamburger Marktführer offenbar nicht aus. Zeitungs-Vorstand Mathias
Döpfner ist deshalb in die Offensive gegangen und forderte Bundeskanzler
Gerhard Schröder auf, die Pressefusionskontrolle zu lockern. Der überraschende
Vorstoß zeigte Wirkung: Kanzleramt, Wirtschaftsministerium und Bundeskartellamt
prüfen die Angelegenheit bereits.
Und darum
geht es: Angesichts der enormen Pressekonzentration auf dem Zeitungsmarkt
unterwarf der Gesetzgeber alle geplanten Zeitungszusammenschlüsse in
Deutschland 1976 der so genannten Pressefusionskontrolle. Um das Zeitungssterben zu verhindern führte die Dritte
Kartellrechtsnovelle einen Passus ein, der das Bundeskartellamt
befugte, Zusammenschlüsse von zwei Zeitungsverlagen zu untersagen, wenn sie auf
dem selben Markt agieren und gemeinsam pro Jahr mehr als 50 Millionen Mark
Umsatz erzielen. In solchen Fällen ist eine maximale Beteiligung von 24,9
Prozent erlaubt. Im Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen räumt § 35 damit Zeitschriften- und
Zeitungskonzernen eine Sonderstellung ein. Der Axel Springer Verlag musste
deshalb – ebenso wie viele andere Zeitungsverlage – in der Vergangenheit seine
Beteiligungen an anderen Verlagen immer wieder auf weniger als 25 Prozent
beschränken. Damit lag sein Anteil jeweils unter der so genannten Sperrminorität, mit der
ein Gesellschafter wichtige Entscheidungen blockieren kann.
Die Pressefusionskontrolle hatte in Deutschland
zumindest insofern Erfolg, als das Zeitungssterben deutlich gebremst
werden konnte. Auch wenn die großen Medienunternehmen ihren Einfluss auf
kleinere Verlage über Druck-Aufträge, Anzeigen- oder Redaktionsverbünde noch
heimlich zu steigern vermochten, blieb zumindest die Zahl der am Markt
agierenden Verlage einigermaßen konstant. Mit der Initiative des Axel Springer
Verlages scheint dieser Zustand nun bedroht. „Der deutsche Printmedienmarkt ist
überreguliert“, schrieb Döpfner dem Kanzler und erinnerte daran, das
Pressefusionsgesetz könne für deutsche Unternehmen angesichts des globalen
Wettbewerbs zum Klotz am Bein werden.
Auf zehn
Seiten legte der Springer-Konzern in einem Schreiben vom 11. Juli dar, warum
aus seiner Sicht die „rechtspolitischen Gründe für eine besondere
‚Pressefusionskontrolle’ entfallen“ sind. „Der deutsche Printmedienmarkt ist
überreguliert“, fasste Zeitungsvorstand Döpfner sein Anliegen zusammen. In der
Branche ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass bald viele kleinere
Verlage zum Verkauf stehen. Die Eigentümer scheuen entweder enorme
Investitionen zur (digitalen) Modernisierung oder finden in ihren Familien
einfach keine geeigneten Nachfolger mehr, die bereit oder in der Lage wären,
einen Zeitungsverlag zu leiten. Da würde der Axel Springer Verlag nur allzu
gern auf Einkaufstour gehen. Schließlich versprechen auch kleinere
Zeitungstitel – vor allem in Monopolgebieten – Traumrenditen von bis zu 20 Prozent.
Am 16. Juli verhandelte Döpfner im Kanzleramt mit dem
für Wirtschaftspolitik zuständigen Abteilungsleiter Bernd Pfaffenbach. Der will
die Sache nun prüfen und erbat auch vom Wirtschaftsministerium und vom
Bundeskartellamt Stellungnahmen. Zumindest das Bundeskartellamt reagierte auf
den Springer-Vorstoß eindeutig ablehnend. Der für Zeitungsfusionen zuständige
Chef der Beschlussabteilung, Klaus Paetow, betonte, das bestehende Verfahren
habe sich bewährt.
Sollte die Pressefusionskontrolle kippen, droht eine ähnliche Entwicklung wie in den sechziger und siebziger Jahren. Von 1954 bis 1976 ging die Zahl der unabhängigen Mantel-Redaktionen für den überregionalen Teil der Zeitungen (publizistische Einheiten) um fast die Hälfte auf 121 zurück, die Zahl der Herausgeber-Verlage sank etwa um ein Drittel. Gleichzeitig war die Auflage der Tageszeitungen in Deutschland um etwa die Hälfte gestiegen. Bei den aktuell leicht sinkenden Auflagen dürfte ohne Pressefusionskontrolle ein zweites Zeitungssterben noch schlimmer als das erste ausfallen. Schon heute gibt es nur noch in weniger als der Hälfte aller deutschen Kreise oder kreisfreien Städte mehr als eine Zeitung. Etwa ein Drittel der Bevölkerung muss deshalb an seinem Wohnort mit einem Zeitungsmonopol leben.