Gratis-Zeitungen werden nicht verboten

Wettbewerbsstreit muss nun vor Gericht entschieden werden

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 16.03.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Der Schibsted-Konzern darf in Köln vermutlich auch weiterhin Gratiszeitungen verteilen. Vor Gericht deutet sich eine Niederlage für den Verlag DuMont Schauberg an, der die Gratisblätter verhindern will.

 

Seit das Gratisblatt „20 Minuten Köln“ des norwegischen Schibsted-Konzerns erstmals Mitte Dezember 1999 erschien, sind vor allem die Auflagen der Straßenverkaufszeitungen „Express“ und „Bild“ in Köln deutlich zurück gegangen. Allein im vierten Quartal 2000 sank die „Express“-Auflage in Köln um 4 Prozent, der Axel Springer Verlag meldete für „Bild“ gar ein Minus im zweistelligen Prozent-Bereich. Deshalb starteten die Verlage DuMont Schauberg und Axel Springer einen wahren Klage-Marathon, um die Verteilung des neuen Gratis-Blattes verbieten zu lassen. Doch auch die letzte Klage wird nun voraussichtlich abgewiesen. Am 16. März erklärte der Vorsitzende des 6. Zivilsenats am Kölner Oberlandesgericht, Richter Emil Schwippert, dass er die Klage gegen „20 Minuten Köln“ für unbegründet halte. Das komplette Urteil soll am 11. Mai verkündet werden.

Der Kölner „Zeitungskrieg“ ist für die Branche ein Präzedenzfall: Sollte Schibsted den Prozess gewinnen, ist auch für andere deutsche Großstädte mit Gratiszeitungen zu rechnen, die allein über Anzeigen finanziert werden. Nach dem Erfolg in Köln könnten bald auch Gratisblätter für Düsseldorf, Berlin und Hamburg folgen. In Köln waren die Voraussetzungen für Schibsted vor allem deshalb ideal, weil dort der Wettbewerb auf dem Lokalzeitungsmarkt so gering ist wie in keiner anderen deutschen Großstadt. Außer der „Bild“-Zeitung erscheinen alle anderen lokalen Tageszeitungen im Verlag DuMont Schauberg. Dabei handelt es sich um den „Kölner Stadt-Anzeiger“, die „Kölnische Rundschau“ und das Boulevardblatt „Express“. Zwei Monate nach dem Start von „20 Minuten Köln“ konterten die etablierten Verlage mit eigenen Gratisblättern. Seit Mitte Februar 2000 verteilt der Axel Springer Verlag überall in der Stadt gratis ein Blatt namens „Köln Extra“, DuMont Schauberg nannte sein Pendant „Kölner Morgen“.

Ü 300.000 Auflage: Überall in Köln Boxen mit Gratiszeitungen

Insgesamt haben die neuen Gratis-Blätter in Köln eine Auflage von 300.000 Exemplaren. Allein Schibsted erreicht nach eigenen Angaben täglich 150.000 Leser. Montags bis freitags liegen die Ausgaben in mehr als 500 Zeitungsboxen, die überall im Stadtgebiet verteilt sind und vor allem an Bus- und Bahn-Haltestellen sowie auf zentralen Plätzen stehen. Ab morgens um 6 Uhr greifen so Berufspendler und Schüler, Einkäufer und Spaziergänger in die Zeitungskästen, um sich gratis die Zeit mit leichter Kost zu vertreiben. Dass die Straßenverkaufszeitungen für viele überflüssig geworden sind, mussten auch viele Kiosk-Besitzer schmerzhaft erfahren, deren Umsätze um bis zu 15 Prozent zurückgingen. Wer sich früher täglich seinen „Express“ kaufte, griff eben häufig auch nach der Schachtel Zigaretten oder dem Schokoriegel.

Vor den Gerichten haben die betroffenen deutschen Zeitungsverlage bislang immer wieder betont, von den Gratisblättern seien der lautere Wettbewerb und die Pressefreiheit bedroht. Schließlich gehe es der neuen Konkurrenz nicht um publizistische Vielfalt, sondern um Reichweite, die an Werbekunden vermarktet werde. Sollten die etablierten Zeitungen deshalb aber Marktanteile verlieren, sei angesichts rückläufiger Gewinnspannen auch ihre publizistische Qualität bedroht. Gegner dieser Argumentation weisen darauf hin, der zusätzliche Wettbewerb könne beim Kampf um die Leser das publizistische Angebot genauso gut auch beflügeln.

Ü Artikel 5 GG versus Wettbewerbsrecht?

Schibsted beruft sich stets auf die im Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit. Außerdem hätten Beispiele aus Schweden oder den Niederlanden bewiesen, dass es dauerhaft zu keinen Auflagenverlusten der etablierten Tageszeitungstitel komme. Die meisten deutschen Gerichte (Berlin, Hamburg) haben bislang ähnlich argumentiert. Das Kölner Landgericht hatte bereits im vergangenen Jahr einen Antrag auf einstweilige Verfügung, mit dem die Verteilung von „20 Minuten Köln“ unterbunden werden sollte, mit einem Hinweis auf das Wettbewerbsrecht abgelehnt. Dabei hieß es, es sei nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, Konkurrenz oder gar neue Vertriebsformen zu verhindern und die bestehenden Marktverhältnisse zu zementieren. Ähnlich dürfte nun die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichtes lauten. Der Verlag DuMont Schauberg will dann „den Weg zum Bundesgerichtshof gehen“, erklärte Pressesprecher Hasso Graf von Bülow. Der Axel Springer Verlag hatte bereits vor Monaten Ähnliches angekündigt. In den vergangenen Wochen sollen Springer-Manager aber auch mit Schibsted über eine Kooperation verhandelt haben.