Liberty will TV-Kabelnetz von Telekom übernehmen
Telekom AG verabschiedet sich komplett von
TV-Kabel und Digital-TV
Von Dr. Matthias Kurp, 22.06.2001
Die Deutsche
Telekom will sich nun doch ganz von ihrem TV-Kabelnetz trennen. Die sechs
verbliebenen regionalen TV-Netze sollen komplett an Liberty Media verkauft
werden.
Noch im
Februar hatte sich die Deutsche
Telekom AG in einer mit Liberty Media unterzeichneten Absichtserklärung nur darauf
festlegen mögen, 55 Prozent der Gesellschafteranteile in den sechs Regionen
Bayern, Berlin/Brandenburg, Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg Vorpommern,
Niedersachsen/Bremen, Rheinland-Pfalz/Saarland sowie
Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen zu verkaufen. Dann aber waren die Verhandlungen
ins Stocken geraten. Am 21. Juni folgte nun die überraschende Wende: In einer
Börsen-Pflichtveröffentlichung hieß es, die sechs verbliebenen
Kabelgesellschaften würden zu 100 Prozent an Liberty Media veräußert. Das
jedenfalls ist Inhalt eines Eckpunktevertrages, der bis Ende Juli zu einem
wasserdichten Kontrakt führen soll. Darüber hinaus räumte Liberty Media der
Londoner Investorengruppe Klesch & Company eine Option auf 24,9 Prozent des
neuen TV-Kabelbetreibers ein.
„Wir
haben immer gesagt, dass wir uns auch vollständig von dem
Kabelnetzgesellschaften trennen, wenn der Kaufpreis stimmt“, hieß es von der
Telekom in Bonn zu der überraschenden Wende. Über den Preis wurden jedoch keine
Angaben gemacht. Der Erlös dürfte aber nach Branchenschätzungen bei 10 bis 11
Milliarden Mark liegen und damit kaum höher als die Summe, die noch im Februar
für nur 55 Prozent der Anteile ausgehandelt worden war. Der Preisverfall ist
ein Ergebnis der sinkenden Margen im gesamten Telekommunikationssektor, in dem
auch das Auflegen von Anleihen zunehmend schwieriger geworden ist. „Mit dem
vollständigen Verkauf der sechs Kabel-TV-Regionen unterstreicht die Deutsche
Telekom die Focussierung auf ihr Kerngeschäft und setzt wichtige Impulse zur
Weiterentwicklung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland“, kommentierte
der zuständige Telekom-Vorstand Gerd Tenzer den Telekom-Rückzug.
Die Telekom will mit dem erzielten Erlös ihre
Verbindlichkeiten, die am Ende der vergangenen Quartals bei fast 120 Milliarden
Mark lagen, reduzieren. Nach dem Verkauf von 55 Prozent der
TV-Kabelgesellschaften in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg (noch nicht
komplett abgewickelt) an Callahan
Associates International LLC sowie der Veräußerung von 65 Prozent der
hessischen Kabelnetzgesellschaft an Klesch & Company Limited dürfte die
Telekom insgesamt für ihr Kabelnetz einen Preis von etwa 26 Milliarden Mark
realisiert haben. Interessenten wie die Deutsche Bank oder Mannesmann hatten zu Anfang der Kaufverhandlungen nur zwischen
9 und 18 Millionen Mark geboten. Ein Kabelkunde wird in der Branche zurzeit mit
etwa 800 Mark bewertet.
In den
sechs zu verkaufenden Kabel-Regionen sind zur Zeit mehr als 10 Millionen Haushalte
an das Kabelnetz angeschlossen. Verkauft werden außer der Kabel Deutschland GmbH
(KDG) auch die MSG MediaServices GmbH und die DeTeKabelService Deutsche
Telekom Kabel Service GmbH (DeTeKS). Alle drei Unternehmen sind
hundertprozentige Tochtergesellschaft der Telekom AG und wurden 1999 gegründet,
um das Telekom-Kabelnetz auszugliedern. Während die KDG als Holding der
Regionalgesellschaften fungiert, betreibt die MSG eine Plattform für Digital-TV
und die DeTeKS
ist für Vermarktung und Betrieb der Hausverteilnetze (Netzebene 4) zuständig.
Sollte der endgültige Vertrag in wenigen Wochen unterschrieben werden, würde
das Telekom-Monopol in den betroffenen Regionen durch ein Liberty-Monopol
ersetzt. Die Landesmedienanstalten in Deutschland hatten vor dieser Entwicklung
bereits im April in einem ALM-Positionspapier gewarnt.
Liberty Media will nun die analogen TV-Netze mit
digitaler Breitband-Technik aufrüsten, um gleichzeitig interaktives Fernsehen,
Fast Internet und eventuell auch Sprachtelefonie zu ermöglichen. Ähnliches hat
das Unternehmen bereits in den USA und in zahlreichen anderen Ländern
realisiert.
Die
hundertprozentige Tochtergesellschaft des US-Telekom-Riesens AT&T ist hervorgegangen aus
dem größten amerikanischen Kabelnetzbetreiber TCI, der 1999 von seinem Besitzer
John Malone an AT&T für 54 Milliarden Dollar verkauft wurde. Malone behielt
dennoch die Kontrolle über sein Unternehmen und ist inzwischen Geschäftsführer
von Liberty Media. Außerdem hält er Anteile an zahllosen Firmen für
Glasfasernetze, Satellitensysteme oder andere Übertragungsformen von TV und
Telekommunikation. Liberty Media wiederum ist beteiligt an Medienkonzernen wie AOL Time Warner (4
Prozent) oder Murdochs News
Corporation (18 Prozent), am Shopping-Kanal QVC und dem Discovery Channel, am Telekom-Unternehmen Sprint PCS oder dem
Elektronik-Hersteller Motorola.
In Europa kontrolliert Liberty Media vor allem den Kabelnetz-Betreiber United Pan-Europe Communications
(UPC). Liberty Media soll mit Wirkung zum 10. August aus AT&T
ausgegliedert und an die Börse gebracht werden.
In Deutschland – immerhin dem zweitgrößten TV-Kabelmarkt der Welt – wird sich die Telekom künftig allein auf den Ausbau ihres ursprünglich schmalbandigen Telefonnetzes konzentrieren. Mit TDSL und schnellen Internetverbindungen könnten viele Online-Angebote bald ebenso attraktiv sein wie das digitale interaktive Fernsehen. Zwar ist die Bandbreite noch etwas geringer, dafür aber bieten TDSL und Internet schon jetzt einen funktionierenden Rückkanal. Kaum hatte die Telekom den Verkauf ihres Netzes am 21. Juni bekannt gegeben, beendete sie prompt auch die Verhandlungen mit der Kirch-Gruppe. Ursprünglich wollte sich Telekom-Chef Ron Sommer für etwa 1 Milliarde Mark mit 51 Prozent an Kirchs Digital-TV-Firma BetaResearch beteiligen. Das aber war zunächst am Bundeskartellamt gescheitert. Jetzt kann die Telekom ihren Antrag bei den Kartellbehörden zurückziehen. Ohne Kabelnetz mache diese Beteiligung für die Telekom „keinen Sinn“ mehr, kommentierte Telekom-Vorstand Tenzer knapp.