Liberty will Kabel-Monopol der Telekom erben
Voraussetzung ist Zustimmung des
Bundeskartellamtes
Von Dr. Matthias Kurp, 05.09.2001
In Deutschland
entsteht ein neuer Kabelriese: Stimmt das Bundeskartellamt zu, übernimmt
Liberty Media nun endgültig das verbliebene Kabelnetz der Deutschen Telekom.
John
Malone (60) leidet unter Flugangst, liebt wirtschaftlich aber die ganz großen
Höhenflüge. Der Chef von Liberty
Media will nach der Übernahme des Kabelnetzes der Deutschen Telekom AG in den
sechs Regionen Bayern, Berlin/Brandenburg,
Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg Vorpommern, Niedersachsen/Bremen,
Rheinland-Pfalz/Saarland sowie Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen Europas größter
TV-Kabelnetzbetreiber werden. Am 4. September wurden sich seine Unterhändler
endlich mit den Telekom-Managern einig: 5,5 Milliarden Euro (10,8 Mrd. Mark)
will Malone zahlen, davon 3 Milliarden Euro in bar, 1,5 Milliarden in eigenen
Aktien und 1 Milliarde Euro als zehnjährige Schuldverschreibung. Für diesen
Betrag erhält Malone Zugang zu 60 Prozent aller deutschen Kabelhaushalte. In
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg konnte sich zuvor bereits Callahan
mit je 55 Prozent am Telekom-Kabelfernsehnetz beteiligen. In Hessen überließ
die Telekom AG dem Klesch-Konsortium eine Beteiligung von 65 Prozent.
Malone, der ungern fliegt und lieber mit seinem
Wohnmobil chauffiert wird, muss in zwei Wochen einmal eine Ausnahme machen. Per
Flieger will er dann erstmals persönlich nach Deutschland kommen, um mit
Politikern und Aufsichtsbehörden zu sprechen. Noch stehen hinter dem
Milliarden-Deal nämlich eine Reihe von Fragezeichen. Problematisch ist vor
allem die Tatsache, dass Liberty Media nicht nur Netzbetreiber, sondern auch
Programmveranstalter ist. Nun muss das Bundeskartellamt prüfen, ob das ehemalige Telekom-Monopol
nicht durch ein noch marktbeherrschenderes Unternehmen ersetzt wird. Zunächst
haben die Bonner Kartellwächter einen Monat Zeit um zu entscheiden, ob eine
vertiefte Prüfung eingeleitet wird. In dem Fall würde sich ein
Hauptprüfungsverfahren von maximal dreimonatiger Länge anschließen. Eine
endgültige Entscheidung könnte also erst im Januar fallen. Die Anbieter von
privat-kommerziellen TV-Programmen bangen bereits um ihre Plätze im Kabelnetz.
Denkbar wäre sogar, dass Malone nicht etwa Premiere World in seine
Kabel einspeist, sondern eigene Pay-TV-Angebote. Bei seiner Visite in
Deutschland will Malone alle Bedenken in Bezug auf seine marktbeherrschende
Stellung zerstreuen. Sogar ein Gespräch mit Bundeskanzler Schröder soll geplant
sein und am 18. September eines mit Leo Kirch.
Das
letzte Wort hat jetzt das Bundeskartellamt. Während der monatelangen
Verhandlungen mit der Telekom AG hatte sich Liberty Media von Anfang an um
politische Garantien bemüht. Schließlich ließe sich per Ministererlass sogar
ein Veto der Kartellamtes umgehen. Das aber mochte ihm im Voraus niemand
gewähren. Ohne einen solchen Freibrief sicherte sich Malone mit einem etwa 1500
Seiten umfassenden Vertragswerk am Ende immerhin eine Ausstiegsklausel, falls
Bundeskartellamt, Landesmedienanstalten
oder Politiker seine Pläne in Deutschland durchkreuzen sollten. In den sechs zu
verkaufenden Kabel-Regionen sind zurzeit mehr als 10 Millionen Haushalte an das
Kabelnetz angeschlossen. Verkauft werden außer dem Kabelnetz auch die MSG
MediaServices GmbH und die DeTeKabelService Deutsche Telekom Kabel Service GmbH
(DeTeKS). Beide Unternehmen sind hundertprozentige Tochtergesellschaften der
Telekom AG und wurden 1999 gegründet, um das Telekom-Kabelnetz auszugliedern.
MSG betreibt eine Plattform für Digital-TV, und DeTeKS ist für Vermarktung und
Betrieb der Hausverteilnetze (Netzebene 4) zuständig. Die betroffenen
Telekom-Gesellschaften zusammen beschäftigen etwa 2.800 Mitarbeiter.
Mit Investitionen von jährlich 500 bis 700 Millionen
Euro versprach Malone das deutsche Kabelnetz in Rheinland-Pfalz, im Saarland
sowie in Nord-, Ost- und Süddeutschland digital aufzurüsten. Außer digitalem
(Pay-)TV sollen auch Telefongespräche und breitbandige Internet-Verbindungen
über das TV-Kabelnetz ermöglicht werden. Die aktuellen Kabelgebühren pro
Haushalt und Monat sollen vorerst zwischen 20 und 30 Mark stabil bleiben,
teurer wird es nur mit zusätzlichen Pay-TV- bzw. Video-on-Demand-Angeboten.
Direkte Kundenkontakte aber erhält Liberty Media nur zu einem geringen Teil der
10 Millionen Haushalte in den von ihr versorgten Regionen. Direkte
DeTeKS-Kunden gibt es in den betroffenen Gebieten nur etwa 600.000. Die letzten
Kabel-Meter zu den Wohnungen (Netzebene 4) liegen nämlich meist in der Hand von
örtlichen Betreibern, mit denen sich Liberty nun auf gemeinsame technische
Standards einigen muss. Zu den Betreibern solcher Netze gehört unter anderem
auch die Primacom AG, an
der Malone über seinen Anteil an United Global Communications (11 Prozent) indirekt
beteiligt ist. United Global Communications wiederum ist am niederländischen
Kabelnetz-Betreiber United
Pan-Europe Communications (UPC) und am britischen Kabelnetz Telewest beteiligt.
Bereits seit Wochen wird gemunkelt, Liberty wolle die Primacom AG übernehmen,
um direkten Zugang zu ihren 1,3 Millionen Kunden zu erhalten. Auch dies dürfte
am Ende ein Fall für das Kartellamt sein.
United
Global Communications ist eines von etwa 50 Unternehmen, die Malone gehören
oder an denen er sich beteiligt hat. Als Vorstandschef des amerikanischen
Kabelnetzbetreibers Tele-Communications Incorporated (TCI) sorgte Malone in den
80er Jahren dafür, dass sein Unternehmen kontinuierlich wuchs und in den Markt
der Programmanbieter einstieg. TV-Stationen, die in sein Netz Programme
einspeisen wollten, mussten im Gegenzug Beteiligungen abtreten. Diese
Beteiligungen – zwischenzeitlich weit mehr als hundert – wurden schließlich in
der Firma Liberty Media gebündelt. In den 90er Jahren übernahm TCI zunächst die
Kabelnetze von Viacom und wurde 1999 schließlich selbst für 54 Milliarden
Dollar an AT&T verkauft. Malone blieb zwar an der Spitze des Unternehmens,
zeigte sich aber mit seiner Rolle bei AT&T mehr und mehr unzufrieden. Am
10. August 2001 wurde Liberty Media daraufhin wieder zum selbständigen
Unternehmen, dessen Mehrheitsaktionär John Malone heißt.
Außer Anteilen an Dutzenden TV-Kabelprogrammanbietern
(u.a. QVC, Discovery Channel, Court TV) managen die
weniger als fünfzig Angestellten bei der Liberty-Holding in einem Vorort von
Denver/Colorado auch Beteiligungen an AOL Time Warner (4 Prozent), News Corporation (18
Prozent), Motorola oder Sprint PCS. Alles in allem
werden Malones Beteiligungen – einige davon auch in Japan, Argentinien, Chile
oder Puerto Rico – auf einen Wert von etwa 50 Milliarden Dollar geschätzt.
Sollte das Kartellamt dem Engagement in Deutschland zustimmen, würde Liberty
Media Europas größter Kabelnetzbetreiber und hätte weltweit Zugang zu 32 Millionen
Haushalten.