Google übernimmt Videoportal YouTube
Suchmaschinen-Marktführer kauft den heimlichen
Star des Web 2.0
Von Dr. Matthias Kurp, 11.10.2006
Der
Internetsuchmaschinen-Betreiber Google übernimmt auf dem Wege eines
Aktientauschs im Wert von 1,65 Milliarden US-Dollar (1,31 Mrd. Euro) das
Videoportal YouTube. Damit schließen sich die Branchenführer in den Bereichen Suchdienste
und Online-Videos zusammen.
Das Unternehmen YouTube („Deine Glotze“) wurde Ende 2004 im
kalifornischen Ort San Bruno gegründet, ging im Februar 2005 online und hat
inzwischen einen Anteil von fast fünfzig Prozent am US-Markt der Video-Portale.
Das Unternehmen gilt längst als eines der vielversprechendsten in der neuen Ära
des Web 2.0 (4 siehe Artikel Web 2.0
verspricht neue Märkte). Über das Portal können Internetnutzer Videoclips –
vom privaten Kurzfilm über Werbung bis hin zu kommerziellen Produkten –
hochladen und ansehen. Nach Angaben des Unternehmens werden pro Tag etwa 100
Millionen Video-Downloads registriert und bis zu 70.000 neue Clips auf der
Plattform installiert. 72 Millionen Menschen haben sich bereits Videos auf
der Seite angesehen.
Die
Internet-Marktforschungsfirma Hitwise berechnete
den Marktanteil des Portals im Web-Videomarkt der USA für den August auf etwa
47 Prozent. Damit lag YouTube deutlich vor den Konkurrenten Myspace (22 Prozent). Der Anfang des Jahres
gestartete Dienst von und Google Video
kam auf etwa 11 Prozent. In Deutschland hatte YouTube im August nach Angaben
von Nielsen/NetRatings 3,238
Millionen Nutzer – und damit fast sechs Mal so viel wie im Februar und deutlich
mehr als die 1,227 Millionen Nutzer von Google Video.
YouTube (Slogan: „Broadcast
Yourself“) lässt sich nach einem einfachen Prinzip nutzen. Im Anschluss an die
Registrierung können Videos in unterschiedlichen Formaten (z.B. Avi, MPEG,
Quicktime) auf die Plattform hochgeladen werden. Diese Dateien dürfen eine
Größe von bis zu 100 Megabyte oder 10 Minuten nicht überschreiten und werden
automatisch in das Format Flash Video mit einer Bild-Auflösung von 320 mal 240
Pixel umgewandelt. Ähnlich wie bei Foto-Communitys werden die Clips schließlich
mit Schlagwörtern versehen und Rubriken zugeordnet. YouTube-Nutzer können Clips
bewerten, weiterempfehlen und die Video-Dateien sogar auf eigene Webseiten
integrieren.
YouTube, so hieß es in einer
Pressemitteilung, soll als Marke bestehen bleiben und die 67 Beschäftigten –
darunter die Gründer Chad Hurley und Steve Chen – behalten. Für Google – mit monatlich mehreren hundert
Millionen Nutzern und 24 Prozent Umsatzrendite eine der meistbesuchten und
erfolgreichsten Seiten im Internet (4 siehe
Artikel Google
auf dem Weg zum „Googlepol“?) – ist die Übernahme von YouTube die mit
Abstand teuerste Akquisition in der achtjährigen Firmengeschichte. Bisher
hat YouTube noch keinen Cent Gewinn gemacht. Das aber dürfte sich demnächst
ändern, wenn das Videoportal geschickt mit dem Werbeangebot Adsense von Google
verlinkt wird.
Spekulationen über die
unmittelbar bevorstehende Fusion hatten den Preis für Google-Aktien in den
beiden Tagen vor der Übernahme um mehr als zwei Prozent auf 429 Dollar in die
Höhe getrieben. Damit gewann Google fast vier Milliarden Dollar an Marktwert–
mehr als das Doppelte als der Kaufpreis für YouTube. Einen großen Profit
beschert der Megadeal auch der Risikokapitalfirma Sequoia, die YouTube mit etwa 11,5
Millionen Dollar unterstützt hatte. Die Investment-Profis hatten früher auch
die Gründung von Google und von dessen Konkurrenten Yahoo finanziert.
Risiken entstehen durch die Übernahme
nach Einschätzung der meisten Analysten für Google vor allem in den Bereichen
Jugendschutz und Urheberrecht. Aus Sicht der Medienaufsicht sind bei YouTube
solche Clips problematisch, die Werbung oder Propaganda zum Inhalt haben oder
sogar klar gegen Jugendschutz-Bestimmungen verstoßen. Dafür lassen sich bereits
zahlreiche Beispiele finden. Bislang werden
inkriminierte Videos in der Regel von der Seite entfernt, sobald YouTube darauf
aufmerksam gemacht wird. Dennoch sind gerichtliche Verfahren in diesem Bereich
ebenso wenig ausgeschlossen wie in Fällen der Verletzung von Urheberrechten. So
waren während der Fußball-Weltmeisterschaft Höhepunkte vieler Spiele jeweils
bereits Minuten nach dem Abpfiff im Angebot von YouTube wiederzufinden.
Etablierte TV-Programmanbieter reagierten mit Klage-Drohungen, sehen sie doch
ihr eigenes Geschäftsmodell dauerhaft durch YouTube & Co. gefährdet.
Das Google-Management
hat das Problem offenbar erkannt und deshalb noch vor der Fusion gehandelt.
Kurz vor Bekanntgabe der Übernahme vereinbarte YouTube mit dem TV-Network CBS sowie den Musikfirmen Universal Music Group und Sony BMG Music Entertainment eine
Zusammenarbeit, womit mögliche Klagen dieser Firmen abgewendet sind. Bereits im
September wurde ein ähnliches Abkommen mit der Warner
Music Group erzielt. CBS soll für YouTube gegen eine
Beteiligung an den Werbeeinnahmen Nachrichten-, Sport- und Show-Sendungen zur
Verfügung stellen. Universal Music für YouTube gegen Honorar mehrere tausend
Musikvideos bereitstellen. Im September hatte YouTube außerdem ein
System vorgestellt, mit dem die Halter fremder Autorenrechte künftig
automatisch ermittelt und jeweils an den Werbeeinnahmen beteiligt werden
sollen.