Die Suchmaschine Google ist auf dem Weg zum wichtigsten Schleusenwärter des Internet. Mehr als 90 Prozent aller Nutzer von Online-Inhalten weltweit verwenden den Suchdienst regelmäßig, in Europa setzen ihn 70 Prozent bevorzugt ein, und in Deutschland werden etwa drei Viertel aller WWW-Suchanfragen über Google erledigt. Inzwischen gibt die Suchmaschine täglich Antworten auf mehr als 200 Millionen Suchanfragen in 88 Sprachen. Nur auf eine Frage gibt sie keine Antwort: auf die nach dem System hinter dem „Googlepol“...

Wer in der spartanisch gestalteten Suchabfrage von Google den Begriff „Google“ eingibt, erhält in 0,06 Sekunden etwa 25,3 Millionen Fundstellen samt Hyperlinks. Möglich wird das durch etwa zehntausend Computer, die weltweit in Datenzentren nach Inhalten des World Wide Web fahnden und sie gemäß der so genannten Page-Rank-Technologie bewerten. Dabei landen bei der Katalogisierung schließlich solche Websites ganz oben auf den Listen, auf die möglichst viele andere Homepages verweisen. Viel mehr aber ist über den Algorithmus des Google-Programms nicht bekannt.

Nach eigenen Angaben kennt Google mit etwa 3,3 Milliarden WWW-Seiten deutlich mehr Online-Inhalte als andere Suchmaschinen. Experten wie der Hamburger Webdesigner Stefan Karzauninkat, der ein Buch über Suchmaschinen geschrieben hat (Die Suchfibel), gehen allerdings davon aus, dass Google nur etwa ein Viertel aller Netzinhalte berücksichtigt. Grund dafür sei unter anderem, dass kommerzielle Datenbanken nicht erfasst seien. Kritiker wie Wolfgang Sander-Beuermann, verantwortlich für die Metasuchmaschine Metager des Regionalen Rechenzentrums für Niedersachsen an der Universität Hannover, gehen sogar davon aus, dass der Marktführer nur etwa 30 bis 40 Prozent des Internet abbilden könne.

Ü Google hat Yahoo den Rang abgelaufen

Und trotzdem: Der Aufstieg von Google gehört zu den ganz wenig verbliebenen Erfolgsstorys der New Economy. 1998 wollten die beiden Stanford-Studenten Sergey Brin und Larry Page dem Internet-Aufsteiger Yahoo für eine Million Dollar ein neues Suchmaschinen-System verkaufen, das Web-Angebote nicht nur nach Inhalten, sondern auch nach Relevanz sortieren sollte. Yahoo – die Abkürzung steht für „yet another hierarchical officious oracle“ - war damals selbst erst gerade vier Jahre alt und feierte den ersten Gewinn der Firmengeschichte. Yahoo-Gründer Jerry Yang lehnte das Angebot der Studenten damals ab und machte vielleicht seinen größten unternehmerischen Fehler. Also suchten Brin und Page anderswo Investoren und machten noch im selben Jahr ein eigenes Unternehmen auf. Der Name Google ist ein Fantasienbegriff, der an „Gogool“ erinnern soll. So hatte 1938 der Neffe des berühmten Mathematikers Edward Kasner eine Zahl bezeichnet, die hundert Nullen haben sollte.

Bereits Mitte 2001 schrieb Google in den USA schwarze Zahlen, in Europa wurde die Gewinnschwelle ein Jahr später erreicht. Ein Großteil des von Branchen-Analysten auf etwa 600 Millionen Dollar taxierten Umsatzes erzielte Google im vergangenen Jahr als Dienstleister für andere Internet-Unternehmen. Zu den Kunden, hinter deren Suchmasken die Technik von Larry Page und Sergey Brin steckt, zählt zum Beispiel AOL, aber auch T-Online (seit Mitte des Jahres), Vodafone oder NTT Docomo nutzen die Suchtechnologie der jungen Firma aus dem kalifornischen Silicon Valley. Inzwischen hat Google den Rivalen Yahoo längst überholt und mit siebzig Prozent einen Marktanteil erreicht, der mehr als zehnmal größer als des ehemaligen Platzhirsches ist. Seit etwa einem Jahr unternimmt Yahoo alles, um nicht vollends vom Markt verdrängt zu werden. Ende 2002 kaufte die börsennotierte Yahoo Inc. für mehr als 230 Millionen Dollar das Unternehmen Inktomi. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Lizenzgeber für Suchtechnologien, auf dessen Technologie unter anderem die Suchdienste von MSN, Amazon, Ebay oder HotBot (Lycos) basieren. Anfang Juli schließlich wurde die Übernahme der Bezahlsuchmaschine Overture verkündet. Der Kauf kostete 1,63 Milliarden Dollar, sichert Yahoo aber zusätzlich die Suchdienste von Altavista (58 Patente) und der norwegischen Search-Engine Fast (drei Patente). Beide Unternehmen waren bereits zuvor von Overture erworben worden, dessen größter Trumpf aber noch ein anderer ist: Das Unternehmen lebt vor allem von bezahlten Platzierungen (Paid Placement) in seinen Recherche-Ergebnislisten. Damit machte Overture im vergangenen Jahr einen Umsatz, der mit 667 Millionen Dollar mehr als doppelt so hoch war wie die Paid-Placement-Einnahmen von Google (294 Mio. Dollar).

Ü Geschäft mit den Werbebotschaften

Overture gilt als der Pionier des Suchmaschinenmarketings. Das 1997 (ursprünglich unter dem Namen GoTo.com) gegründete Unternehmen verdiente im vergangenen Jahr 78,4 Millionen Dollar. Weltweit bietet Overture Werbebotschaften von etwa 88.000 Kunden, die in Deutschland pro Link und Klick zwischen 10 und 25 Euro-Cent zahlen. Eine Studie von Forrester Research ergab, dass etwa 15 Prozent der Online-Käufer bei der Produktrecherche auf Suchmaschinen setzen. Das Geschäft mit bezahlten Links wird auch für Google immer attraktiver. Nach eigenen Angaben bestehen Kooperationen mit etwa 100.000 Werbetreibenden weltweit. Während einige andere Suchmaschinen bezahlte Links in die eigenen Rankings integrieren, hat Google für das Paid-Placement den Platz rechts neben den eigentlichen Such-Ergebnissen reserviert. Dabei werden die so genannten „sponsored Links“ eigens mintgrün gekennzeichnet und den Anbietern seit Anfang 2002 pro Link zwei kurze Info-Zeilen eingeräumt. Klickt ein Google-User eine dieser Anzeigen an, wird für den Werbetreibenden eine Gebühr zwischen fünf Cent und mehreren Euro fällig. Dieses Prinzip heißt „pay-per-performance“.

Vor etwa einem Jahr präsentierte Google darüber hinaus eine eigene, englischsprachige Produktsuchmaschine namens Froogle (Kombination aus Google + „frugal“ = sparsam). Das System zeigt Suchergebnisse mit Abbildungen, Preis sowie kurzer Warenbeschreibung an. Durch das Rechercheverhalten der Nutzer ergeben sich schließlich (anonymisierte) Kundenprofile, die sich gut vermarkten lassen.

Problematisch an der starken Stellung von Google ist nicht nur die drohende Marktbeherrschung, sondern auch die mangelnde Transparenz bei der Erstellung der Rankings. Dies hat auch Prof. Dr. Marcel Machill, Journalistik-Professor an der Universität Leipzig, in einer Studie für die Bertelsmann Stiftung kritisiert. Dass einige Online-Anbieter bereits gezielt versucht haben, mit einer Fülle aufeinander verweisender eigener Sites den Listenplatz zu verbessern, ist kein Geheimnis mehr. In solchen Fällen landen Google-Nutzer manchmal auf Homepages, die statt Inhalten nur Marketing und Website-Tipps bieten. Stellt Google dies fest, werden die entsprechenden Angebote herabgestuft. Eine Garantie dafür, dass die monatlich mehr als 13 Millionen deutschen Besucher von Google einigermaßen objektive Ergebnisse erhalten, gibt es aber nicht. Als zusätzliche Schwäche des Suchmaschinen-Marktführers gilt seine mangelnde Aktualität. So werden neue Versionen von Web-Inhalten von den Google-Suchrobotern häufig erst nach Wochen registriert.

Ü Expansion mit Börsenkapital geplant

Die Entwicklung zum „Googlepol“ scheint kaum zu bremsen: Seit ein paar Monaten darf sich Google auch in Deutschland über die Einstufung als beliebtestes Online-Angebot freuen. Im Juni lag die Suchmaschine mit einer Reichweite von 15 Millionen bei der Messung von Nielsen Netratings erstmals knapp vor T-Online. Der Online-Reichweitenmonitor der Arbeitsgemeinschaft Internet Research (Agirev) sah Google zum ersten Mal im August mit wöchentlich fast zehn Millionen Nutzern an der Spitze des Reichweiten-Rankings. Zu den Angeboten, die noch mehr Nutzer anlocken sollen, gehört seit September 2002 in englischer Sprache und seit Juli 2003 auch in Deutschland der News-Bereich. Dafür sammeln Google-Roboter Meldungen und Artikel von etwa 700 deutschsprachigen News-Websites. Die Auswahl wirkt allerdings oft zufällig, eine nachvollziehbare Gewichtung findet nicht statt. Beim Start des News-Automaten in Deutschland verriet Google, dass von den etwa tausend Mitarbeitern kein einziger als Redakteur für die Auswahl der Texte benötigt würde, weil das allein Sache der Daten-Rechner sei.

Für dieses Jahr rechnen Analysten mit einem weltweiten Google-Umsatz in Höhe von etwa einer Milliarde Dollar. Kein Wunder, dass sich inzwischen auch Bill Gates für das Unternehmen mit Sitz in Mountainview (Kalifornien) interessiert. Microsoft soll bereits im August mit Brin und Page Gespräche über eine Beteiligung oder gar Übernahme geführt haben. Doch die Google-Gründer lehnten ab. Deshalb basteln Microsoft-Entwickler nun um so energischer an einer eigenen Suchmaschine. Ähnlich hatte Gates auch reagiert, nachdem Ende der 90-er Jahre Microsoft beinahe das Geschäft mit den Browsern verpasst hätte. Schließlich wurde der Explorer dann aber mit so viel Macht in den Markt gedrückt, dass das Vorbild Netscape aufgeben musste. Damit Google am Ende nicht ähnliche Erfahrungen macht, muss für den erwarteten Konkurrenzkampf neues Kapital her. Im kommenden Jahr will das Unternehmen deshalb an die Börse gehen. Eine Gewinn- oder Verlustrechnung hat Google bislang nie veröffentlicht, der Jahresgewinn wurde zuletzt auf etwa 150 Millionen Dollar geschätzt. Börsenexperten taxieren den Aktienwert des Unternehmens auf 15 bis 25 Milliarden Dollar, was ungefähr dem Wert von Amazon oder Yahoo entspricht. In der ersten Jahreshälfte 2004 sollen in einer ersten Tranche zunächst 10 bis 15 Prozent der Aktien verkauft oder bei einer Auktion versteigert werden.

Ü In den USA hat sich inzwischen ein Verein namens Google-Watch.org gebildet und Google für den „Big Brother Award 2003“ nominiert.