Medienpolitische Leerstellen im WWW

Online-Angebote im Netz bleiben vorerst dürftig

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 24.07.2000

 
 

 

 

 

 

 

 


Fundstellen zum Thema Medienpolitik sind auf den Homepages von Bundestag, Bundesregierung und Parteien Mangelware.

 

Wer auf der Homepage von Bundestag oder Bundesregierung das Suchwort „Medienpolitik“ eingibt, landet in einer medienpolitischen Wüste. Einträge gibt es nur wenige, Links zum Thema ebenfalls kaum. Gut, Medienpolitik gehört zur so genannten Kulturhoheit und ist deshalb Ländersache. Es gibt weder ein Bundes-Mediengesetz noch ein Bundesgremium wie den zurzeit diskutierten Kommunikationsrat. Dennoch erschienen bislang in regelmäßigen Abständen Medienberichte der Bundesregierung und in der vergangenen Legislaturperiode existierte sogar eine Enquete-Kommission zur Zukunft der Informationsgesellschaft. Ein Download-Angebot für den Text des letzten Medienberichtes von 1998 sucht man auf den WWW-Seiten der Bundesregierung allerdings vergeblich. Von der Enquete-Kommission „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ zeugt immerhin noch ein virtueller Download-Pfad im Bundestag-Archiv, der zum Abschlussbericht führt.

 

Als einziger aktueller medienpolitischer Verweis bleibt auf den WWW-Seiten der Berliner Republik der Ausschuss für Kultur und Medien, eine Oase, über deren Link sich auch der eine oder andere Antrag eines Parlamentmitglieds entdecken lässt. Mitten in der Informationsgesellschaft gähnen also ausgerechnet an der Spitze der Republik medienpolitische Leerstellen im World Wide Web. Und dabei wird das Internet von Politikern und Politikwissenschaftlern doch stets als ein die Demokratie und die Partizipation förderndes Medium gelobt. Die oft zitierten Vorteile lauten: hohe Informationskapazität, multimediale Vielseitigkeit, hohe Aktualität, allgemeine Verfügbarkeit und schnelle Abrufbarkeit. Mit Hilfe des Internets könnten politische Entscheidungen transparenter und Willensbildungsprozesse demokratischer werden. Dabei ist das Internet den traditionellen Medien vor allem hinsichtlich seines Interaktionspotenzials überlegen, wozu E-Mails, Diskussions- und Chatforen beitragen könnten.

Ü Parteien vernachlässigen interaktives Internet-Potenzial

Doch haben Politiker und Parteien wirklich ein Interesse am Ende der Einweg-Kommunikation? Auch wenn SPD, CDU sowie FDP bereits 1995 mit ihren WWW-Angeboten an den Start gingen und die Grünen ein Jahr später folgten: Ausgesprochen bürgernah und interaktiv präsentieren sich die Bundestagsparteien bis heute nicht im Internet. Der Rückkanal verkümmert zum politischen Alibi. Lediglich die SPD bietet einmal monatlich einen regelmäßigen „General-Chat“ mit Franz Müntefering. Sonst aber sind unmittelbare Kommunikationsangebote von Spitzenpolitikern im Netz Mangelware - zum Thema Medienpolitik sogar völlige Fehlanzeige. Dabei haben die Parteiauftritte im Netz durchaus Erfolg. Zwischen 4000 und 15000 Visitis registrieren die Parteien nach eigenen Angaben monatlich. Doch die Inhalte der Sites erinnern meist an Inhalte traditioneller Printmedien. Foren und Chats verkommen zum gelegentlichen Akt symbolischer Politik für Insider und Parteimitglieder. Eine positive Ausnahme bietet allenfalls der Virtuelle Ortsverein der SPD: Wer sich registrieren lässt (bislang etwa tausend Nutzer), erhält Zugang zu einem cyberdemokratischen Versuchslabor, in dem inhaltlich vor allem die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien diskutiert wird.

 

Soweit zur Medienpolitik als Strategie der politischen Parteien im Kampf um die Gunst der Wähler. Wer zu Inhalten von Medienpolitik selbst mehr erfahren will, der sei auf die Angebote der Landesmedienanstalten und ihre Arbeitsgemeinschaft ALM verwiesen. Deutlich weniger publikationsscheu als Bundestag und Bundesregierung verhält sich auch die Europäische Kommission, deren medienpolitische Beschlüsse und Leitlinien regelmäßig über das Internet publiziert werden. Interaktive Elemente aber sind auch beim EU-Angebot Mangelware. Wer nach einem breiten staatsfernen Meinungsspektrum zum Thema Medienpolitik sucht, wird bei Politik-digital fündig, einer parteiunabhängigen Informations- und Kommunikationsplattform zum Themenfeld Internet, Medien und Politik.