Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen (LfM) plädiert für neue Förder-Richtlinien im Bürgerfunk-Bereich. Statt Zuschüsse pauschal nach Sendeminuten zu vergeben, müssten künftig Qualitätskriterien über die Höhe der Zuschüsse entscheiden. Auslöser für die Debatte über Fördermodelle ist eine neue Studio über die Bürgerfunk-Inhalte in Nordrhein-Westfalen.

Der stellvertretende Direktor der LfM, Jürgen Brautmeier, forderte am 15. Februar in Düsseldorf den Gesetzgeber auf, die Bürgerfunk-Förderpolitik zu ändern. Im vergangenen Jahr schüttete die LfM Zuschüsse in Höhe von 1,9 Millionen Euro für den nordrhein-westfälischen Bürgerfunk aus. Auslöser für die Debatte über neue Förderrichtlinien ist eine aktuelle Studie des Instituts für Informationswissenschaft (IMGÖ, Göttingen/Köln), das im LfM-Auftrag Programme und Organisation des Bürgerfunks im bevölkerungsreichsten Bundesland untersuchte.

Ü Musik dominiert Programme

Prof. Dr. Helmut Volpers analysierte gemeinsam mit Detlef Schnier und Christian Salwiczek über einen Zeitraum von zwei Wochen (17. bis 30.09.2003) die Bürgerfunk-Inhalte von dreißig der 46 Lokalfunk-Gebiete in Nordrhein-Westfalen. Dabei stellte das Forscher-Trio fest, dass die untersuchten Bürgerfunksendungen zu 68,9 Prozent aus Musik bestanden, während der Informationsanteil nur 23,2 Prozent ausmachte. Politische Sachthemen spielten nur bei 13,5 Prozent der Sendezeit eine Rolle.

Dass in zehn der untersuchten Verbreitungsgebiete politische Themen überhaupt nicht bei den untersuchten Sendungen auftauchten, bestärkt die LfM in der Meinung, dass künftig vor allem Qualität und Leistung darüber entscheiden sollen, welche Programme wie stark gefördert werden. „Wir stellen den Bürgerfunk nicht zur Disposition. Aber die Förderung mit der Gießkanne muss ein Ende haben“, sagte Jürgen Brautmeier bei der Präsentation der Forschungsergebnisse in Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Medien-Staatssekretär Thomas Kemper hatte bereits Ende Januar Mittelkürzungen beim NRW-Bürgerfunk angekündigt. Die Tatsache, dass dem Bürgerfunk 15 Prozent der lokalen Sendezeit zustehen, so erklärte er, betrachte die CDU-Landesregierung in Düsseldorf als ein „großes Problem für die Sender, weil 99 Prozent der Hörer sofort wegschalten, wenn der Bürgerfunk beginnt“. Deshalb strebe die Landesregierung Änderungen sowohl bei der „üppigen Förderung“ als auch bei den Ausstrahlungszeiten an.

Ü Angleichung an Lokalfunk

Das tägliche Bürgerfunk-Volumen in Nordhein-Westfalen liegt zwischen fast zwei Stunden (Stadt Aachen) und zehn Minuten (Kreis Steinfurt). Die Qualität des Bürgerfunks, der in Nordrhein-Westfalen von etwa 2.700 Gruppen in 150 anerkannten Radiowerkstätten produziert wird, weist von Verbreitungsgebiet zu Verbreitungsgebiet enorme Unterschiede auf. Während zum Beispiel der Hagener Bürgerfunk im Untersuchungszeitraum zu 86,2 Prozent aus Musik bestand, lag der Wortanteil in Duisburg bei fast fünfzig Prozent. Den geringsten Informationsanteil wies der Bürgerfunk im Kreis Euskirchen (9,6%) auf, während Duisburg am meisten Informationen (40,0%) bot.

Die IMGÖ-Analyse, zu der auch eine systematische Befragung gehörte, belegt, dass die ungefähr 18.000 aktiven NRW-Bürgerfunker vor allem eine Formatangleichung zum restlichen Lokalfunk suchen und auch bei den Darstellungsformen kaum für mehr Vielfalt sorgen, sondern meist auf Interviews setzen. „Der Bürgerfunk ist erstaunlich wenig experimentierfreudig“, erklärte Prof. Dr. Volpers vom Institut für Medienforschung. Reportage, Feature oder Hörspiel seien Ausnahmen im Programm. Allenfalls erzählerische Formen würden in einigen Sendungen für eine Bereicherung sorgen, urteilten die Forscher. Dennoch sei das Programmangebot des Bürgerfunks „vielfältig und als Ganzes betrachtet besser als sein Image“.

Ü Warnung vor Kürzungen

Die LfM-Studie attestiert dem NRW-Bürgerfunk insgesamt, er sei „weitgehend auf einem hörbaren Niveau“ und die feststellbaren Mängel hielten sich „in einem Rahmen, der ein tolerierbares Maß nicht überschreitet“. Angesichts dieser Urteile zeigte der 2004 gegründete Landesarbeitskreis Qualitätsoffensive Lokalfunk (LAK) wenig Verständnis für die kritische Haltung der Landesanstalt für Medien. In einer Pressemitteilung vom 18. Februar warnte der LAK, mit stagnierenden oder rückläufigen Fördermitteln könnten Programmverbesserungen kaum geleistet werden: „Wenn die LfM eine größere Formenvarianz (auch Feature, Hörspiel etc.) im Bürgerfunk fordert, bedingt dies eine immense Intensivierung der Qualifizierung und Begleitung von Bürgerfunkern.“ Der LAK will künftig Radiowerkstätten gemeinsam mit der Deutschen Hörfunkakademie (Oberhausen) und dem Ludwigshafener Bildungszentrum Bürgermedien anhand qualitativer Kriterien gezielt zertifizieren.