Deutschlands Hörfunk-Programmanbieter verzeichnen im dritten Jahr nacheinander ein dickes Minus bei den Werbeeinnahmen. Mit knapp 650 Millionen Euro Brutto-Werbeerlösen lagen die Erlöse nach Angaben von Nielsen Media Research von Januar bis September 2 Prozent unter denen der ersten neun Monate 2002. Jeweils im Vergleich zum Vorjahr hatte die Hörfunk-Branche bereits 2001 etwa 7,5 Prozent und 2002 sogar 12,2 Prozent ihrer Netto-Werbeeinkünfte verloren.

Eigentlich müsste es dem Medium Hörfunk gut gehen: Nach Daten der Media-Analyse ist die tägliche Nutzungsdauer zuletzt um elf Minuten auf durchschnittlich 210 Minuten pro Tag und Zuhörer gestiegen. Mitte des Jahres gab es in Deutschland 190 Lizenzen für landesweite oder regionale bzw. lokale Hörfunkprogramme. Hinzu kamen 63 ARD-Programme. Die ARD-Programme erreichten zuletzt mehr als 34 Millionen Hörer (ab 14 Jahren, montags bis freitags), die privatwirtschaftlichen nur noch 28 Millionen und haben in den vergangenen drei Jahren etwa 1,3 Millionen Hörer an die öffentlich-rechtlichen Wellen verloren. Werden nur die ARD-Programme, die Werbung ausstrahlen, berücksichtigt, verbuchen diese in einer durchschnittlichen Werbestunde werktags 9,3 Millionen, während die kommerzielle Konkurrenz in dieser Zeit Kontakte zu 9,5 Millionen potenziellen Konsumenten bieten kann.

Ü Anbieter privatwirtschaftlicher Hörfunk-Programme

Bundesland

insgesamt

landesweit

lokal/regional

Bremen

    1

  0

    1

Hamburg

    4

  0

    4

Niedersachsen

    3

  3

    0

Schleswig-Holstein

    5

  5

    0

Mecklenburg-Vorpommern

    2

  2

    0

Nordrhein-Westfalen

  47

  1

  46

Berlin/Brandenburg

  17

13

   4

Sachsen

  17

  3

  14

Sachsen-Anhalt

    3

  3

    0

Thüringen

    3

  3

    0

Hessen

    1

  1

    0

Saarland

    2

  2

    0

Rheinland-Pfalz

    4

  3

    1

Baden-Württemberg

  17

  1

  16

Bayern

  64

  1

  63

GESAMT

190

41

149

Quelle: Landesmedienanstalten (Juli 2003)

 

 

Betrachtet man den Anteil des Hörfunks an den gesamten Werbeeinnahmen, konnten die etwa 250 deutschen Programme schon während der 90-er Jahre nicht am damals herrschenden Weberboom partizipieren. Von 1991 bis 2001 wurde zwar absolut ein leichtes Wachstum verzeichnet, relativ aber sank der Anteil der Hörfunk-Einnahmen am gesamten Werbevolumen von 3,5 auf 3,1 Prozent. 2002 betrug er nur noch 3 Prozent und erreichte mit 595,12 Euro lediglich etwa das Niveau von 1998. In fast allen anderen europäischen Ländern liegt der Anteil des Hörfunks am gesamten Werbemarkt mindestens doppelt so hoch wie in Deutschland.

Die wirtschaftliche Situation ist ernst. In München stellte vor einem Jahr nur 24 Monate nach der ersten Sendung das FAZ Businessradio den Betrieb ein, im März kam das Ende für Radio KÖ in Augsburg, für Mega Radio in München und das Hitradio X im bayerischen Günzburg. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) müssen vor allem die Lokalfunk-Anbieter zurzeit einen Rückgang der Einnahmen durch überregionale Werbung um bis zu 30 Prozent verkraften. In Nordrhein-Westfalen standen deshalb beispielsweise lange die beiden Lokalfunk-Stationen im Kreis und in der Stadt Aachen auf der Kippe. Am 12. September musste auch das JazzRadio in Berlin Insolvenz beantragen. In Baden-Württemberg hatte der Gesetzgeber bereits Mitte der 90-er Jahre die Zahl der lokalen Hörfunkstationen von 22 auf 15 reduziert und musste sich im vergangenen Jahr erneut von zwei Standorten trennen.

Ü Immer weniger lokales Programm

Um überleben zu können, sparen viele Anbieter am Programm und machen dennoch Verlust. Um die Kosten zu senken und Pleiten zu verhindern, leisten sich vor allem die Lokalfunkstationen weniger eigene Sendungen und spielen mehr Musik. In Bayern sollen, so geht aus einem Bericht der Bayerischen Landesanstalt für Neue Medien (BLM) hervor, bereits im vergangenen Jahr etwa sechzig Prozent der Lokalstationen Verluste gemacht haben. Lagen die Erträge privatwirtschaftlicher Hörfunkprogramme in Bayern 2001 noch 5 Prozent über den Kosten, so werden sie in diesem Jahr mit knapp 64 Millionen Euro voraussichtlich 5 Prozent unter den Kosten von etwa 67 Millionen Euro liegen. Um eine Insolvenz-Welle zu verhindern, sollen 46 von 63 lokalen Anbietern bayersicher Hörfunkprogramme ihre lokale Sendezeit demnächst verkürzen und zum Ausgleich mehr vom Münchener Mantelprogramm der Bayerischen Lokalradiogesellschaft übernehmen dürfen.

Die zweitgrößte Lokalfunklandschaft in Deutschland hat mit 46 Anbietern Nordrhein-Westfalen. Auch dort klagen zahlreiche Stationen über Probleme. Trotz der in Nordrhein-Westfalen geltenden lokalen Verbreitungsmonopole galten die Programme im Ennepe-Ruhr-Kreis (Radio EN) und im Kreis Coesfeld (Radio Kiepenkerl) sowie im Kreis Heinsberg (Welle West) traditionell als unterfinanziert. Im Kreis Aachen scheiterten nach mehreren Gesellschafterwechseln zuletzt fünf Privatinvestoren bei 107,8 Antenne AC. Seit dem 1. Oktober gibt dort jetzt ein Tochterunternehmen des saarländischen Privatsenders Radio Salü den Ton an. Inzwischen klagt auch die WAZ-Gruppe, Mehrheitsgesellschafter bei zehn großstädtisch geprägten Lokalfunk-Stationen im und rund um das Ruhrgebiet, über mangelnde Erlöse. Nach Angaben des Focus soll WAZ-Manager Bodo Hombach vorgerechnet haben, die zehn Revier-Lokalfunkstationen der Essener Verlagsgruppe hätten seinem Unternehmen in den vergangenen vierzehn Jahren etwa 50 Millionen Euro gekostet.

Ü Funkhaus-Lösungen sollen sparen helfen

Auch in Nordrhein-Westfalen darf inzwischen eine Reihe von Lokalfunkredaktionen auf einen Teil der lokalen Inhalte verzichten. Seit dem Start des NRW-Lokalfunks 1990 hat etwa jede vierte Station die lokale Sendezeit verkürzt, weniger als die Hälfte strahlt täglich acht Stunden eigenes Programm aus. Gab es ursprünglich nur Lizenzen für Programme mit mindestens acht oder – in wirtschaftlich weniger interessanten Gebieten – fünf Stunden lokalen Inhalten, sind seit Mitte 2002 auch Reduzierungen auf drei Stunden möglich. Von dieser durch das neue Landesmediengesetz erlaubten Regelung macht die Düsseldorfer Landesanstalt für Medien (LfM) bei der Lizenz im Ennepe-Ruhr-Kreis Gebrauch. Auch in Leverkusen sowie in den Kreisen Herford, Heinsberg und Euskirchen gibt es täglich nur drei Stunden Lokalprogramm. Allerdings werden dort noch jeweils zwei Stunden täglich vom Rahmenprogramm Radio NRW übernommen, die offiziell von den Lokalfunk-Stationen verantwortet und gegebenenfalls für wichtige lokale Meldungen unterbrochen werden.

Die Gebote der Stunde lauten einmal mehr Sanierung und Synergie. Einerseits wird in den Redaktionen gespart, zum Beispiel durch die Einführung von digital vorproduzierten Moderationsstrecken („Voice Tracking“) oder durch Kürzungen der Etats für freie Mitarbeiter. Andererseits sollen größere Einheiten die Kosten senken. Sowohl in Bayern als auch in Nordrhein-Westfalen werden Produktionsstandorte zusammengelegt. In so genannten Funkhäusern sollen sich mehrere Stationen gemeinsame Studios teilen. An einigen bayerischen Standorten ist dies bereits seit Jahren der Fall, für andere (z.B. in Oberfranken, in Berchtesgaden und Traunstein) wird dies von der BLM empfohlen. In Nordrhein-Westfalen stimmte die LfM einer Funkhauslösung für die Programme in Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis zu.

Größere Produktionseinheiten aber sind auch durch die Bildung neuer Hörfunk-Netzwerke möglich. Um die Einnahmechancen zu vergrößern, hat die BLM in Bayern seit 2001 an neun Standorten den lokalen Hörfunkanbietern jeweils eine Zweitfrequenz zugesprochen, die für ein jugendspezifisches Programm genutzt werden kann. Mit den nachmittags ausgestrahlten Jugend-Formaten für die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen sollen zusätzliche Hörer erreicht werden. Die übrigen Sendestunden dieser Zweitfrequenzen stammen vom Mantelprogramm Radio Galaxy, an dem außer einigen Lokalfunk-Anbietern auch Zeitungsverlage, Studio Gong, die neue Welle Bayern, Antenne Bayern und der Burda Verlag beteiligt sind. Nach Angaben der BLM war das Modell im vergangenen Jahr so erfolgreich, dass zusätzlich 16 Prozent Hörer und damit gute Argumente für die Vermarktung von Werbung gewonnen werden konnten.

Ü Hörfunk-Networks führen zu Konzentration

Weil die großen Markenartikelhersteller ihre Werbung am liebsten in großen Einheiten schalten, gehen kleinere Anbieter von Hörfunkprogrammen ohne die Schaffung größerer Vermarktungsplattformen immer häufiger leer aus. Während im Ausland Hörfunkketten wie die US-Konzerne Clear Channel oder Viacom (Infinity-Kette) mit großen Netzwerken zweistellige Renditen erwirtschaften, waren solche Unternehmens-Konglomerate in Deutschland lange nicht denkbar. Die deutsche Hörfunk-Landschaft ist nämlich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich in lokale oder regionale Verbreitungsgebiete gegliedert. Außerdem sind meist mehrere Gesellschafter notwendig, um eine Lizenz für ein Radioprogramm zu erhalten.

Nirgendwo auf der Welt sei der Hörfunk-Markt so zersplittert wie in Deutschland, klagen Medienmanager. Trotzdem zeichnen sich inzwischen erste Konzentrationstendenzen ab. So rechnet die RTL Group der Bertelsmann AG damit, noch in diesem Jahr vom Bundeskartellamt und den Landesmedienanstalten grünes Licht für die Übernahme von zwölf Hörfunk-Beteiligungen der Holtzbrinck-Tochtergesellschaft AVE (24 Mio. € Umsatz) zu erhalten. Damit würde das RTL-Network über insgesamt 19 Beteiligungen an Hörfunkprogrammen verfügen, könnte in einigen Fällen bereits bestehende Beteiligungen weiter ausbauen und teilweise auch die Mehrheit der Gesellschafteranteile erlangen.

 

Hörfunk-Beteiligungen der RTL Group

104,6 RTL (Berlin)

100,0%

RTL Radio (bundesweit im Kabel)

100,0%

Hit-Radio Antenne Sachsen

  48,9% (AVE)

89,0 RTL (Halle)

  48,5% (AVE)

Hit-Radio Brocken

  48,5% (AVE)

BB Radio (Potsdam)

  40,0% (AVE)

Hit-Radio Antenne Niedersachsen

  36,0% (AVE)

Radio HH

  29,2%

Radio Regenbogen (Mannheim)

  28,0% (AVE)

Hit-Radio RTL (Karlsruhe, Anteil wird verkauft)

  25,2%

Antenne Mecklenburg-Vorpommern

  24,5%

Radio NRW

  17,0%

Radio 21 (Niederdachsen)

  17,0%

Antenne Bayern

  16,0% (AVE)

Antenne Thüringen

  15,0% (AVE)

Radio Gong (München)

  10,0% (AVE)

Radio 7 (Ulm)

    6,7% (AVE)

Radio Ton (Heilbronn)

    2,0% (AVE)

Quellen: RTL Group, FORMATT, eigene Recherchen

 

 

Marktführer sind die Angebote mit RTL-Beteiligung vor allem in Berlin und Brandenburg. Die RTL Group erwirtschaftete 2002 mit den europäischen Hörfunk-Beteiligungen etwa 230 Millionen Euro Umsatz und ein Ergebnis (Ebita) von 46 Millionen Euro. Das meiste Geld davon wurde im Ausland erwirtschaftet. Aus dem Inland stammten nur etwa 13 Millionen Euro Umsatz und 1 Millionen Euro Jahresüberschuss. Den meisten Umsatz mit dem Hörfunk-Geschäft erzielte in Deutschland bislang der Springer Verlag mit seinen Beteiligungen an den Landessendern Antenne Bayern, Radio NRW, Radio FFN (Minderheitsbeteiligungen) und der Mehrheit der Anteile von Radio Schleswig-Holstein. Die WAZ-Gruppe verfügt über zehn Hörfunk-Beteiligungen, der Verlag Madsack und die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft (Rheinische Post) besitzen jeweils Anteile an neun, der Kölner Verlag DuMont Schauberg an acht Hörfunkprogrammen.

Ü ARD soll auf Hörfunk-Werbung verzichten

Während die ARD-Programme auf jährliche Gebühreneinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro zurückgreifen können, sind die kommerziellen Hörfunkwellen allein auf die Werbeeinnahmen von zuletzt etwa 300 Millionen Euro pro Jahr angewiesen. Bei der Suche nach Lösungen für eine Verbesserung der Ertragslage beim privatwirtschaftlichen Hörfunk schlagen einige inzwischen vor, die ARD solle beim Hörfunk freiwillig auf Werbung verzichten. Dies jedenfalls regte BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring im Oktober 2002 bei den Medientagen München an. Prompt wurde in diesem Jahr bei der gleichen Kongress-Veranstaltung eine Studie präsentiert, in deren Rahmen die Luxemburger Unternehmensberater Bernt von zur Mühlen & Partner die Auswirkungen der ARD-Werbereduzierung auf das Buchungsverhalten werbetreibender Unternehmen analysierte. Im vergangenen Jahr erzielten die ARD-Landesrundfunkanstalten mit 181,94 Millionen Euro etwa 30 Prozent der Netto-Werbeumsätze des Hörfunks in Deutschland. Würde etwa der Bayerische Rundfunk (BR) ganz auf Hörfunk-Werbung verzichten, so urteilten die Autoren der Studie, wäre es „fraglich, ob alle bisherigen Umsätze des BR in private Programme fließen würden“. Auch bei Modellvarianten für Nordrhein-Westfalen, Berlin/Brandenburg sowie Norddeutschland stellten die Berater fest, dass sich ohne die ARD-Programme gar nicht alle Zielgruppen erreichen ließen. Vor allem um einkommensstarke und höher gebildeten Zielgruppen anzusprechen, seien ARD-Werbemöglichkeiten weiterhin notwendig.

Bei ihrer Powerpoint-Präsentation wiesen die Medienforscher von Bernt von zur Mühlen & Partner auf ein weiteres Problem hin: Weil mehr als die Hälfte der Hörfunk-Werbevolumens national ausgeprägt ist, bieten die jeweils landesweiten ARD-Angebote der Werbewirtschaft zurzeit (noch) Vorteile, die von den vielen, meist kleinräumig aktiven privatwirtschaftlichen Anbietern nicht erreicht werden können. Finanziert wurde die Studie übrigens sowohl von der DVB Multimedia Bayern GmbH und Studio Gong als auch vom ARD-Werbeunternehmen Sales & Services. Gemeinsam formulierten die Auftraggeber in einer Pressemitteilung im Rahmen der Medientage München folgenden Schluss: „Offen bleibt in der Untersuchung zum derzeitigen Zeitpunkt die Frage, ob sich frei werdende Werbezeiten aufgrund einer Werberestriktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tatsächlich vollumfänglich in den privaten Hörfunk verlagern werden. Es ist zu fragen, ob ein Werbeverzicht von der Werbewirtschaft akzeptiert würde und sich zum Nutzen der Privatsender oder sogar zum Schaden für den Hörfunk als Werbeträger auswirken würde.“