DAB wartet auf den Durchbruch
Digitalem Hörfunk fehlt es an Reichweite und
Endgeräten
Von Dr. Matthias Kurp, 24.07.2000
Der digitale Hörfunkstandard
DAB geht in den Regelbetrieb, aber kaum einer nutzt ihn. Endgeräte sind selten
und teuer, Programme noch Mangelware.
Digital
Audio Broadcasting (DAB) ist die Bezeichnung für den digitalen
Hörfunk-Standard, der die analoge UKW-Übertragungstechnik ablösen soll. Das
terrestrisch verbreitete Digital Audio Broadcasting (T-DAB) ist weltweit das
einzige bei der International Telecommunication Union (ITU, Internationale
Fernmeldeunion – Unterorganisation der Vereinten Nationen) spezifizierte Verfahren
für terrestrischen digitalen Hörfunk. Die DAB-Technologie wurde in Deutschland
entwickelt und wird längst weltweit
eingesetzt. Nach Pilotprojekten in verschiedenen Bundesländern beginnt in
Deutschland allerdings erst jetzt der Übergang in den Regelbetrieb.
Im Vergleich zum
aktuellen analogen UKW-Standard weist DAB eine Reihe von Merkmalen auf, die
über das übliche Hörfunkangebot hinaus gehen. DAB hat eine hohe
Audio-Klangqualität in vom Anbieter wählbarer Güte, gewährleistet selbst bei
Autofahrten stets einen störungsfreier Empfang, bietet die Option zur
Übertragung von Daten, Texten und/oder Bildern (Datendienste) auf ein kleines
Display, kommt pro Versorgungsgebiet mit nur einer einzigen Frequenz aus und
gewährleistet bei einer Bandbreite von 1,5 MHz die Übertragung von sechs bis
acht Hörfunkprogrammen plus Begleitinformationen.
Ü
Regelbetrieb nur in einigen Bundesländern
Der
DAB-Empfang ist zur Zeit nur über spezielle Radiogeräte mit externen
Empfangsteilen möglich oder mit Hilfe von Computern, die mit speziellen
PC-Einsteckkarten ausgerüstet sind. Wer Datendienste via Radio empfangen will,
benötigt außerdem ein zusätzliches Display (derzeit 320x240 Bildpunkte, 10 cm
Monitordiagonale). Doch die erforderlichen Endgeräte kosten noch etwa 2000 Mark
und erfordern den Einbau einer zusätzlichen DAB-Empfangsbox im Kofferraum oder
unter dem Beifahrersitz. Problematisch ist auch, dass die erforderlichen
Sendernetze von den Bundesländern nur sehr zögerlich aufgebaut werden. In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt
wurde mit dem Regelbetrieb bereits im vergangenen Jahr begonnen, Nordrhein-Westfalen
folgte im Frühjahr, noch in diesem Jahr sollen DAB-Programme auch in Hessen zu
empfangen sein. In Norddeutschland wurde hingegen auf Pilotprojekte verzichtet,
so dass Sendernetze noch nicht einmal teilweise existieren.
Probleme über
Probleme: Weil es an flächendeckenden Sendenetzen fehlt, erreichen die
DAB-Nutzerzahlen in der Bundesrepublik kaum dreistellige Werte. Weil es an
freien UKW-Frequenzen fehlt, besteht vorerst ohnehin nur die Möglichkeit zur
Übertragung von maximal zwölf DAB-Programmen pro Verbreitungsgebiet, wobei eine
Aufgliederung in lokale Angebote weitere Schwierigkeiten mit sich bringt.
Dementsprechend gering ist das Engagement bei der Unterhaltungsgeräte-Industrie
und bei den Hörfunk-Anbietern geeignete Endgeräte bzw. Programme anzubieten.
Sieht der Konsument aber am Ende keinen Mehrwert und werden die Geräte nicht
preiswerter, könnte sich DAB rasch als Totgeburt entpuppen.
Ü
Webradio-Allianz als DAB-Konkurrenz
Ohnehin bieten
andere Technologien schon heute ähnliche Vorteile wie DAB: Hörfunk-Programme
lassen sich zum Beispiel mit Hilfe des so genannten Streaming-Verfahrens längst
in Echtzeit über das World Wide Web (WWW) des Internet transportieren.
Zahlreiche etablierte Rundfunk-Programmanbieter (u.a. WDR Eins live, Bayern 3,
hr3, SWR/DasDing, Radio Energy, Deutsche Welle) nutzen diesen zusätzlichen
Verteilweg bereits und bieten im WWW parallel zum akustischen Programm visuelle
Zusatzinformationen an. Als erster Anbieter, der in Deutschland Hörfunk allein
über das Internet verbreitet, ging am 18. Dezember 1998 das CyberRadio auf Sendung.
Das zur Bertelsmann AG
gehörende E-Commerce-Unternehmen BOL
hat außerdem noch für dieses Jahr ein privat-rechtliches Hörfunkprogramm auf
seiner Homepage angekündigt, das beim Surfen im WWW als eine Art virtuelles
Kofferradio von Homepage zu Homepage mitgenommen werden kann. Solange ein
Nutzer im Netz bleibt, kann er dadurch beim Surfen nebenbei das
BOL-Audio-Angebot hören.
Bei den
Datendiensten bekommt DAB vor allem vom Mobilfunk Konkurrenz: Die neue
Geräte-Generation macht es möglich, kurze Texte von maximal 160 Zeichen von
Handy zu Handy oder von einem PC zu einem Handy zu übertragen (SMS, Short
Message Service). WAP-Handys erlauben darüber hinaus auch, Internet-Inhalte auf
ein Handy zu laden (WAP, Wireless Application Protocol). In Japan werden seit Anfang
des Jahres Handys eines Konsortiums von Sanyo, Hitachi und Infineon angeboten,
die Musik direkt aus dem Internet laden und diese auch abspielen können. Der
neue Standard UDAC-MB soll zusammen mit der so genannten SecureMultiMediaCard
auch die Rechte der Musikhersteller wahren. Für den Austausch zwischen dem
anbietenden WWW-Server, der SecureMultiMediaCard und der Decodierung im Handy
sorgt ein Chip der deutschen Firma Infineon AG.