Dampf aus dem Netz fürs Radio
Internet-Hörfunk wird immer beliebter
Von Dr. Matthias Kurp, 02.11.2000
Die Zeiten des
Dampfradios sind vorbei, jetzt soll das Internet dem Radio Dampf machen. Das
ist das Ziel der Ende Oktober in Köln gegründeten Webradio-Alliance, die bei
der Hörfunk-Messe RadioDay gegründet wurde.
Als 1995
der Bayerische Rundfunk
mit B5
aktuell online ging, war das die Premiere des Internet-Radios in
Deutschland. Inzwischen senden mehr als sechzig deutsche Online-Radiostationen
rund um die Uhr. RealPlayer und Microsofts Media Player sowie schnelle
ISDN-Verbindungen haben es möglich gemacht, das per World Wide Web nahezu
UKW-Qualität erreicht wird. Weltweit sind bereits 5000 Hörfunk-Stationen im
Netz. Schon in drei Jahren sollen die Umsätze von Hörfunk- und TV-Angeboten im
Internet 40 Milliarden Dollar betragen.
Doch der digitale Hype ist vorerst ins Stottern
geraten. Das Hamburger CyberRadio,
das erst im Dezember 1999 gestartet war und im Mai großspurig sein Cyberradio
TV ankündigte, hat vor kurzem einen Insolvenzantrag gestellt. Aus der Traum vom
Börsengang. Probleme bereiten der Branche außer mangelnder Bekanntheit vor
allem urheberrechtliche Ansprüche und die in Deutschland vergleichsweise hohen
Providergebühren. Noch müssen zwar fürs Internet-Radio keine Rundfunkgebühren
gezahlt werden, dafür aber schlagen hohe Telefon- oder Onlinekosten bei den
Verbrauchern zu Buche.
Von der konzertierten Aktion „Webradio-Alliance“
versprechen sich die sieben Gründerfirmen jetzt bessere Vermarktungschancen und
einheitliche Messmethoden für die Reichweitenermittlung. Wollen sich die neuen
Anbieter mit Werbung finanzieren, reichen die Einheiten „Visits“ und „Page-Impressions“
nicht. Entscheidend ist vor allem die Verweildauer, die zukünftig ähnlich wie
beim normalen Hörfunk mit einer standardisierten Media-Analyse ermittelt werden
soll.
Ü
Webradio-Allianz will Marktanteil ausbauen
Motor der „Webradio-Alliance“ ist vor allem die
Berliner Webcast Media Group AG, die mit einem Startkapital von 18 Millionen
Mark das Webradio
betreibt. Zum Vergleich: Das Internet-Radio cyberchannel war im März
1999 mit nur 70.000 Mark gestartet. Webradio ist nach einer im Juni erstellten
Studie von Infratest Burke das erfolgreichste Internet-Radio in Deutschland
(510.000 User zwischen 14 und 49 Jahren pro Monat). Auf dem zweiten Platz landete
das Internetradio,
gefolgt vom Stuttgarter Chart
Radio, das im Frühjahr als erstes deutsches Internet-Radio von der
Landesanstalt für Kommunikation in Baden-Württemberg sogar eine normale
Hörfunk-Lizenz ergattern konnte.
Professionell gemachtes Internet-Radio soll schon
bald besser sein als UKW. Schließlich können die Programme ähnlich wie beim DAB
mit Begleitinformationen und interaktiven Kommunikationsformen angereichert
werden. Der britische Medien-Tycoon Richard Branson will mit seinem Radio Free Virgin
eine Klangqualität erreichen, die Besseres bietet als der UKW-Standard. Zum Angebot
von 23 Musikkanälen gehören Pop- und HipHop-Streams ebenso wie
Live-Einspielungen aus New Yorker Virgin-Plattenläden, in denen DJs für
Stimmung sorgen.
Doch es könnte noch besser kommen: Das kalifornische
Unternehmen Kerbango
will jetzt auch noch den umständlichen PC-Empfang umgehen, indem es ein Gerät
anbietet, das außer UKW- und Mittelwelle-Programmen auch Internet-Angebote
empfängt. Dazu muss das wie ein Dampfradio gestylte Gerät lediglich an eine
Telefonsteckdose angeschlossen werden. Auf Knopfdruck lassen sich so
Internet-Radioprogramme aus aller Welt einschalten.