Die komplette Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG ist vorerst gescheitert. Das Bundeskartellamt hat die Fusion wegen möglicher Gefahren für den Wettbewerb auf wichtigen Medienmärkten untersagt. In einer Ad-hoc-Börsenmitteilung kündigte der Springer Verlag an, die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel und Optionen zu prüfen, um eventuell doch noch eine Genehmigung der Übernahme durchzusetzen.

Nachdem Springer sein Angebot, die ProSiebenSat.1 Media AG ohne Pro Sieben zu übernehmen, zurückziehen musste, war die Entscheidung des Bundeskartellamtes keine Überraschung mehr. Springer hatte erst die Senderfamilie übernehmen und dann Pro Sieben verkaufen wollen (4 siehe Artikel Springer Verlag will TV-Deal retten). Die Wettbewerbshüter aber beharrten darauf, die Fusion könne nur erlaubt werden, nachdem sich die ProSiebenSat.1 Media AG von einem ihrer beiden großen Programme getrennt habe. Dies aber war der Axel Springer AG, die bislang an der Senderfamilie nur etwa zwölf Prozent der Stimmrechte hält, nicht möglich.

Ü Drohendes Medien-Duopol

Das Bundeskartellamt verschickte eine 79-seitige Untersagungsverfügung und begründete seine Ablehnung mit dem Duopol auf dem Fernsehmarkt, das durch die ProSiebenSat.1 Media AG und die RTL-Gruppe des Medienkonzerns Bertelsmann gebildet werde. Eine Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Springer, so argumentiert die Wettbewerbsaufsicht, hätte die „kollektive marktbeherrschende Stellung“ dieser beiden Senderketten unzulässig weiter verstärkt. Außerdem, so ließ Kartellamtschef Ulf Böge in einer Pressemitteilung verlauten, würde „der Zusammenschluss auf dem Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen sowie dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen zu einer nach dem Kartellrecht nicht genehmigungsfähigen Marktmacht führen“.

Weil ProSiebenSat.1 und RTL Group auf dem deutschen TV-Werbemarkt etwa achtzig Prozent Marktanteil haben, drohe durch den Zusammenschluss von Kirchs ehemaliger Free-TV-Sparte mit Springers Print-Geschäften eine weitere Angleichung der unternehmensbezogenen Strukturmerkmale beider Konglomerate auf den benachbarten Zeitungs- und Zeitschriftenmärkten, urteilte das Bundeskartellamt. Wörtlich heißt es in der Presse-Erklärung der Kartellwächter: „Auf dem bundesweit abzugrenzenden Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen würde der Zusammenschluss zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Springer führen. Der Verlag hat auf diesem Markt mit der Bild-Zeitung einen Marktanteil von ca. 80 %. Durch den Zusammenschluss erhielte Springer die Möglichkeit, die Stellung der Bild durch werbliche und publizistische medienübergreifende Unterstützung (crossmediale Promotion) weiter abzusichern und damit zu verstärken. (...) Springer erhielte durch die Fusion die Möglichkeit, Werbekampagnen für Produkte abgestimmt über mehrere Medien aus einer Hand anbieten zu können und so crossmediale Werbekampagnen für Dritte zu schalten. Dies würde die marktbeherrschende Stellung von Springer auf dem Anzeigenmarkt für Zeitungen weiter absichern.“

Ü Landesmedienanstalten lamentieren

Vor dem Kartellamt hatte bereits die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) ihr Veto gegen die Fernsehpläne Springers eingelegt (4 siehe Artikel Springer Verlag scheitert an KEK-Beschluss). Das einhellige Nein der Wettbewerbsbehörde und der Medienaufsicht bedeutet aber noch nicht das Aus für die Übernahmepläne von Springer. Als Ausweg bleibt dem Verlag noch der Weg vor Gericht oder ein Antrag auf Ministererlaubnis. Diese kann nach dem Gesetz erteilt werden, wenn ein überragendes Interesse der Allgemeinheit besteht oder die gesamtwirtschaftlichen Vorteile überwiegen. Das KEK-Veto kann noch durch eine Drei-Viertel-Mehrheit der Landesmedienanstalten gekippt werden. Außerdem ist der Klageweg möglich, der allerdings frühestens in zwei Jahren beendet sein dürfte. Gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes müsste zunächst vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht geklagt werden, gegen den KEK-Beschluss können Rechtsmittel vor den zuständigen Verwaltungsgerichten eingelegt werden.

Springer scheint aber zunächst darauf zu setzten, dass die KEK-Entscheidung durch eine entsprechende Mehrheit der Landesmedienanstalten gekippt und das Kartellamts-Veto per Ministererlass aufgehoben werden könnte. Die Landesmedienanstalten aus Bayern (BLM) und Rheinland-Pfalz haben bereits signalisiert, gegen den KEK-Beschluss zu votieren. „Auch andere Medienanstalten haben schwere Zweifel“, erklärte BLM-Präsident Ring und dürfte versuchen, für die erforderliche Mehrheit an Stimmen im Kollegenkreis zu werben, um den KEK-Beschluss zu kippen. Sollten allerdings auch nur vier der 15 Landesmedienanstalten-Direktoren mit Enthaltung oder Zustimmung zum KEK-Vorgehen votieren, bliebe es beim Veto der Medienbehörde.

Ü Ministererlaubnis möglich

Falls Springer einen entsprechenden Antrag stelle, werde man ihn innerhalb der vorgegebenen Fristen prüfen, hieß es aus dem Büro von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Während bislang noch nie eine Medienfusion per Ministererlaubnis ermöglicht wurde, könnte es diesmal anders kommen: So hat der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) seinen Parteifreund Glos bereits aufgefordert, Springer die Übernahme zu ermöglichen. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) haben sich bereits dafür eingesetzt, dass das Geschäft zu Stande kommt. Springer scheint darauf zu setzen, dass deutsche Medienpolitiker den Einstieg ausländischer Konzerne bei ProSiebenSat.1 verhindern wollen.

Die Medienkommission der SPD soll am kommenden Montag über die Springer-Pläne beraten, erklärte der Vorsitzende des Gremiums, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck. Auch er lehnt die Übernahme offenbar nicht grundsätzlich ab. Man sollte nach derzeitigem Stand "die Chance ausloten", einen Teil der Vorschläge der Medienkommission KEK kann er sich offenbar eine Fusion unter bestimmten Auflagen vorstellen. So seien die Ideen zur Sicherung redaktioneller Freiheit wert, aufgegriffen zu werden. Die Vorschläge zu einem weit gehenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit seien jedoch ein Schritt zu viel, erteilte Beck den KEK-Plänen für eine binnenplurale inhaltliche und wirtschaftliche Kontrolle von Sat.1 oder Pro Sieben eine klare Absage.

Ü Sabans Verzicht auf Zinsen

Nach der Zustellung der Untersagungsverfügung hat Springer nun vier Wochen Zeit, um einen Antrag auf Ministererlaubnis zu stellen. Der Fusionsfall könnte also zur Hängepartie werden. Auch Haim Saban und sein Konsortium scheinen sich trotz der Absagen von KEK und Bundeskartellamt noch Hoffnungen zu machen. Nach Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) wurde sogar eine Vertragsklausel zwischen Saban und Springer aufgelöst, die den Verlag nach dem 23. Januar dazu verpflichtet hatte, monatlich bis zur Übernahme-Genehmigung 25 Millionen Euro Zinsen an Saban zu überweisen.

 

 

Ü Siehe auch folgende Artikel:

          1 Springer Verlag will TV-Deal retten (13.01.2006)

 
          1 Springer Verlag scheitert an KEK-Beschluss (11.01.2006)

          1 Springer Verlag greift nach ProSiebenSat.1 (05.08.2005)

          1 Reaktionen auf Springers ProSiebenSat.1-Deal (07.08.2005)

 

          1 ProSiebenSat.1 meldet Rekord-Gewinn (22.02.2005)

          1 ProSiebenSat.1 Media überrascht positiv (20.02.2004)

          1 ProSiebenSat.1 Media AG geht doch an Saban (05.08.2003)

          1 KirchMedia vor der Auflösung (17.06.2003)

          1 Saban muss bei Kirch-Übernahme passen (04.06.2003)

     1 ProSiebenSat.1 Media AG mit Verlusten (15.05.2003)

     1 Bundeskartellamt gibt Saban grünes Licht (25.04.2003)

     1 Kirch-Gruppe zu 85 Prozent verkauft (02.04.2003)

     1 ProSiebenSat.1 Media AG verkauft (17.03.2003)