Die Axel Springer AG hat im Ringen um die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG aufgegeben. Nachdem Bundeskartellamt und Länder-Medienbehörde KEK der Fusion nicht zustimmten, will der Verlag auf mögliche Rechtsmittel und einen Antrag auf Ministererlaubnis verzichten. Springer erklärte, der Vorstand des Medienkonzerns und die Eigentümer der TV-Programmgruppe, die P7S1 Holding als Konsortium des US-Investors Haim Saban, hätten gemeinsam beschlossen, die Übernahmepläne nicht weiter zu verfolgen.

Offenbar war der ungewisse Ausgang möglicher juristischer oder politischer Auseinandersetzungen sowohl für die Axel Springer AG als auch für Saban ein zu großes Risiko. Die Entscheidung des Bundeskartellamtes (4 siehe Artikel Bundeskartellamt bremst Springer Verlag) hätte nur mit einer umstrittenen Sondererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) oder mit Klagen vor dem Kartellsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes ausgehebelt werden können. Das negative Votum der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) (4 siehe Artikel Springer Verlag scheitert an KEK-Beschluss) hätte im Falle einer kartellrechtlichen Genehmigung zwar keine aufschiebende Wirkung, müsste aber dennoch von Springer auf dem Wege über die Verwaltungsgerichte angefochten werden. Unklar wären auch die Folgen gewesen, hätten die Direktoren der Landesmedienanstalten – wie gestern per Pressemitteilung angedeutet – anders als die KEK entschieden. Nur im Falle einer Dreiviertel-Mehrheit unter den 15 Landesmedienanstalten verliert eine KEK-Entscheidung ihre Bindung.

Ü Zu viele Unsicherheiten

Mögliche Gerichtsprozesse hätten sich über mindestens achtzehn Monate erstrecken können. Nach intensiver Prüfung der Untersagungsverfügung des Kartellamtes sei man zu der Auffassung gelangt, dass aufgrund der zahlreichen wirtschaftlichen und juristischen Unsicherheiten eines möglichen Klageweges oder eines möglichen Ministererlaubnisverfahrens für alle Beteiligten unzumutbare Risiken entstünden, teilte der Springer Verlag mit. Es sei beispielsweise nicht garantiert gewesen, dass eine mögliche Ministererlaubnis rechtzeitig bis zum Auslaufen des Übernahmeangebots an die ProSiebenSat.1-Vorzugsaktionäre Ende Juli gekommen wäre. Ein erneutes Übernahmeangebot wäre schließlich, so erklärte Springer-Unternehmenssprecherin Edda Fels, wegen der Wertsteigerung der Aktien seit der Übernahmeankündigung deutlich teurer gekommen. Springer hatte den Anteilseignern 14,11 Euro je Vorzugsaktie geboten. Die Aktien der Investorengruppe um den US-Unternehmer Haim Saban, die sich Springer bereits für etwa 2,5 Milliarden Euro gesichert hatte, sollen nun wieder an die Eigentümer zurück übertragen werden.

„Unter dem Strich gehen wir ohne wirtschaftlichen Schaden aus diesem Geschäft“, sagte Edda Fels. Die Anwalts- und Verfahrenskosten beliefen sich auf einen „niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ und würden durch die Auflösung eines Zinssicherungsgeschäfts kompensiert. Zudem seien keine Verzugszinsen an Saban gezahlt worden. Gemäß Kaufvertrag wären diese eigentlich ab dem 23. Januar fällig geworden.

Ü Suche nach neuen Käufern?

Sabans Konsortium teilte inzwischen mit, dass nun alle Optionen für die Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media AG geprüft würden. Die Holding sei über das Platzen der Übernahme enttäuscht, hieß es weiter. Ob die Beteiligung im deutschen TV-Geschäft kurzfristig an andere Investoren verkauft wird, bleibt vorerst unklar. ProSiebenSat.1 will die Gruppe aus eigener Kraft weiterentwickeln. „Die Transaktion wäre eine gute Lösung für die ProSiebenSat.1-Gruppe gewesen“, sagte Guillaume de Posch. Der Vorstandschef der Programmfamilie betonte aber zugleich, dass keinerlei dringender Handlungsbedarf bestehe: „Wir werden die Gruppe aus eigener Kraft weiterentwickeln und uns weiterhin auf unser operatives Geschäft konzentrieren.“ Ziel der Sendergruppe sei, das Kerngeschäft Fernsehen zu stärken und die Umsatzquellen zu diversifizieren, um unabhängiger vom Werbegeschäft zu werden.

Der Springer Verlag will seine Beteiligung von etwa zwölf Prozent an der ProSiebenSat.1 Media AG vorerst angesichts der „sehr erfreulichen Wertentwicklung“ behalten. Falls ein Käufer für den 12-Prozent-Anteil ein Angebot unterbreite, gelte es aber zu prüfen, ob der Preis attraktiv sei, sagte Konzernsprecherin Fels. Sie bekräftigte, das Unternehmen werde sich nun verstärkt digitalen Märkten und dem Ausland zuwenden. Ein neuer Anlauf für einen stärkeren Einstieg ins deutsche TV-Geschäft sei nicht geplant.

Ü Chronik des Übernahme-Versuchs

Januar 2005: Erste Spekulationen über Pläne des Springer Verlags, ProSiebenSat.1 komplett zu übernehmen.

05.08.2005: Springer einigt sich mit Hauptaktionär Haim Saban und sichert sich dessen Anteile für 2,5 Mrd. Euro. Der Springer-Anteil am Kapital der ProSiebenSat.1 würde sich von 12,0 Prozent auf 62,5 Prozent erhöhen, die Stimmrechte lägen im Genehmigungsfall zu 100 Prozent bei Springer.

16.08.2005: Öffentliches Übernahmeangebot von Springer an die übrigen ProSiebenSat.1-Aktionäre von 14,11 Euro je Aktie. Insgesamt würde die Übernahme damit etwa 4 Mrd. Euro kosten.

21.11.2005: Zwischenbescheid: Das Bundeskartellamt hält die Fusion wegen der daraus entstehenden Medienkonzentration ohne Zugeständnisse für nicht genehmigungsfähig. Springer dominiere bereits mit der "Bild"-Zeitung und anderen Blättern den Zeitungsmarkt. Zudem ergäben sich problematische medienübergreifende Vermarktungsmöglichkeiten.

29.11.2005: Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sieht die Medienvielfalt durch die Übernahme in Gefahr und signalisiert Bedenken.

15.12.2005: Springer bietet unabhängigen Beirat für die TV-Programme Sat.1 und/oder Pro Sieben an. Allerdings verlangt die KEK, dass dieser die komplette Programm- und Finanzverantwortung haben soll.

10.01.2006: Die KEK untersagt die Übernahme.

11.01.2006: Springer bietet dem Kartellamt den Verkauf des Senders Pro Sieben an. Die Behörde verlangt, dass der Sender vor einer Übernahme aus der zum Verkauf stehenden Gruppe herausgelöst werden muss.

16.01.2006: Springer sieht keine Möglichkeit für einen vorzeitigen Verkauf von Pro Sieben und riskiert das Veto des Kartellamtes.

18.01.2006: Saban räumt Springer Medienberichten zufolge sechs Wochen mehr Zeit für Abwicklung der Übernahme bis Anfang März ein und stundet Forderungen nach Verzugszinsen.

23.01.2006: Das Bundeskartellamt untersagt die Übernahme.

01.02.2006: Springer zieht den Übernahmeplan zurück.

 

 

Ü Siehe auch folgende Artikel:

 
          1 Bundeskartellamt bremst Springer Verlag  (24.01.2006)

          1 Springer Verlag will TV-Deal retten (13.01.2006)

          1 Springer Verlag scheitert an KEK-Beschluss (11.01.2006)

          1 Springer Verlag greift nach ProSiebenSat.1 (05.08.2005)

          1 Reaktionen auf Springers ProSiebenSat.1-Deal (07.08.2005)