Die Axel Springer AG will sämtliche Stimmrechte und 62,5 Prozent des Gesamtkapitals an der ProSiebenSat.1 Media AG übernehmen. Dafür soll der alte Mehrheitsaktionär, das Konsortium German Media Partners des US-Milliardärs Haim Saban, 2,47 Milliarden Euro erhalten. Voraussetzung für die Bildung von Deutschlands zweitgrößtem Medienkonzern sind allerdings noch Genehmigungen durch die Kartell- und Medienaufsicht.

Der Kaufvertrag umfasst mehrere hundert Seiten. Haim Saban und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner hatten bereits seit Oktober 2004 verhandelt. „Wir investieren in ein hochprofitables Geschäft“, kommentierte der Springer-Chef nach der Einigung die Übernahme. Der Kaufpreis für die ProSiebenSat.1 Media AG beinhaltet einen Baranteil je Stammaktie von 22,60 Euro plus Anteile an der Axel Springer AG im Wert von 0,77 Euro je Stammaktie, wodurch Sabans Investorengruppe eine Beteiligung von 2,41 Prozent (820.000 Aktien) am deutschen Verlagshaus erhalten soll.

Textfeld: Gesellschafter-Struktur vor Springer-Übernahme
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Für die in Streubesitz befindlichen 37,5 Prozent der ProSiebenSat.1-Wertpapiere (Vorzugsaktien ohne Stimmrecht) will Springer demnächst ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreiten und den Verlag auf Dauer komplett mit dem Fernsehgeschäft fusionieren. Für die Vorzugsaktien, so kündigte der Springer-Konzern an, werde es ein Barangebot geben, das nach vorläufiger Berechnung bei jeweils 14,10 Euro liege, was dem Verlag weitere 1,16 Milliarden Euro kosten dürfte. Zusammen mit 550 Millionen Euro Schulden, die Springer von den alten Investoren übernehmen will, ergibt sich damit ein Übernahme-Volumen von etwa 4,16 Milliarden Euro.

Ü Fast drei Milliarden Euro Kredit

Inhaber der ProSiebenSat.1-Vorzugsaktien, die ihre Anteile nicht an Springer verkaufen wollen, sollen später Springer-Anteile für ihre Aktien erhalten. Diese Lösung würde die Springer-Kassen schonen. Insgesamt sollen 2,93 Milliarden Euro der benötigten Übernahme-Summe über einen Kredit von Deutscher Bank und Credit Suisse First Boston finanziert werden. Der Springer-Konzern selbst verfügt, so zeigt die aktuelle Bilanz, nur über etwa 450 Millionen Euro Barmittel.

Die neue Kreditlinie übersteigt deutlich Springers Jahresumsatz (2,4 Mrd. Euro) und dürfte durch laufende Gewinne nicht allzu schnell zu tilgen sein. 2004 erwirtschafteten Springer und ProSiebenSat.1 zusammen ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von 660 Millionen Euro. Branchen-Dienste und Analysten gehen deshalb davon aus, dass Springer zur Finanzierung der Übernahme dauerhaft auf eine Kapitalerhöhung bzw. den Verkauf weiterer Aktien angewiesen sein wird. Dagegen wehrte sich allerdings bislang vor allem Springers Witwe. Auch nach einer Verschmelzung von Print- und TV-Geschäft soll Friede Springer die Mehrheit der Stimmrechte erhalten. Zurzeit kontrolliert die Familie Springer etwa sechzig Prozent der Anteile am Unternehmen, hinzu kommen zehn Prozent, die vom Unternehmen selbst gehalten werden. 19,4 Prozent besitzt der US-Investmentfonds Hellman & Friedman LLC, der bis zur Genehmigung des Verkaufs an Springer auch an Sabans ProSiebenSat.1-Konsortium beteiligt ist. Nur 10,6 Prozent der Springer-Aktien befinden sich im Streubesitz.

Ü Vom Verlag zum Multimedia-Konzern

Mit dem Erwerb sämtlicher von Sabans P7S1 Holding L.P. direkt und indirekt gehaltenen Stammaktien und Vorzugsaktien wird Europas größter Zeitungsverlag auch zu Deutschlands zweitgrößtem Medienkonzern, der mit 4,2 Milliarden Euro Umsatz allerdings noch weit von der Bertelsmann AG (Umsatz 2004: ca. 17 Mrd. Euro) entfernt ist. Mit der Übernahme gewinnt der Springer Verlag, zu dem Zeitungen wie Bild und Welt gehören, die Kontrolle über die Fernsehprogramme Pro Sieben, Sat.1, Kabel 1 und N24 sowie Neun live und Sonnenklar TV (4 siehe Artikel ProSiebenSat.1 übernimmt Euvia Media), die im ersten Halbjahr 2005 etwa 45 Prozent aller TV-Werbeeinnahmen in Deutschland einnehmen konnten. Der Börsenwert der ProSiebenSat.1 Media AG betrug vor der angekündigten Übernahme durch Springer etwa 1,7 Milliarden Euro.

Der Springer Verlag hatte 2004 in Deutschland einen Auflagen-Marktanteil von knapp 23 Prozent bei den Zeitungen und von etwa 16 Prozent bei den Publikumszeitschriften. Insgesamt erreichen die Publikationen des Unternehmens regelmäßig 35 Millionen Leser (davon Bild-Zeitung: ca. 12 Milliionen). Problematisch für eine Genehmigung der kompletten ProSiebenSat.1-Übernahme durch die Kartellbehörden und vor allem durch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) dürfte das Engagement auf den so genannten „medienverwandten relevanten“ TV-Märkten sein. Dazu zählt etwa das Genre der Programmzeitschriften, in dem Springer einen Auflagen-Marktanteil von etwa 19 Prozent hat. Die Leser von Hörzu, Funkuhr oder TV digital ließen sich nämlich künftig gezielt zu den verlagseigenen TV-Programmen locken. Die Fernsehseiten von Bild und Welt könnten ähnlich zur Zuschauer-Bindung von Sat.1, Pro Sieben und Co. eingesetzt werden. Für die Landesmedienanstalten muss nun die KEK ermitteln, wie stark die Position des neuen Medienkonzerns auf den verwandten Medienmärkten ist. Eine eventuelle Untersagung durch die KEK könnten die Direktoren der Landesmedienanstalten nur mit einer Dreiviertel-Mehrheit aushebeln.

Ü Saban verdreifachte Einsatz

Für die Finanzinvestoren um Haim Saban, die vor zwei Jahren nach der Kirch-Pleite die deutsche Sendergruppe ProSiebenSat.1 übernahmen (4 siehe Artikel ProSiebenSat.1 Media AG geht doch an Saban), bedeutet der Verkauf etwa die Verdreifachung des eingesetzten Kapitals. Im August 2003 hatte der Kaufpreis nämlich nur etwa 7 Euro pro Aktie entsprochen, so dass Analysten den Gewinn des Saban-Konsortiums am Springer-Verkauf auf etwa 1,6 Milliarden Euro schätzen. Im August 2003 zahlte Sabans Konsortium 525 Millionen Euro für 72 Prozent der Stimmrechte und 36 Prozent des Grundkapitals von ProSiebenSat.1. Später stockten die US-Geldgeber ihren Anteil auf. Die von Saban geführte Investorengruppe German Media Partners habe insgesamt für ihre Anteile etwa 830 Millionen Euro bezahlt, schätzt Peter-Thilo Hasler, Analyst der HypoVereinsbank. Die genauen Summen sind allerdings unbekannt. Die ProSiebenSat.1 Media AG wird bei der Transaktion von Lehman Brothers und der Anwaltssozietät Milbank, Tweed, Hadley & McCloy beraten.

Ü ProSiebenSat.1-Familie wieder profitabel

Sabans Konsortium hatte den Programmen Pro Sieben, Sat.1, Kabel 1 und N24 in den vergangenen zwei Jahren zu mehr Profitabilität verholfen und das Betriebsergebnis vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 189 auf 321 Millionen Euro gesteigert (4 siehe Artikel ProSiebenSat.1 meldet Rekord-Gewinn). Der Zuschauermarktanteil der Senderfamilie betrug im ersten Halbjahr 2005 etwa 22 Prozent, bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen sogar 30,5 Prozent.

 

 

 

 

 


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Ü Wachstumskurs in Richtung TV

 „Nach der erfolgreichen Restrukturierung ist es jetzt wichtig, der ProSiebenSat.1-Gruppe neue strategische Perspektiven zu eröffnen“, kündigte Guillaume de Posch, Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media AG, in einer Pressemitteilung an. Gemeinsam seien die beiden Unternehmen gut positioniert, um auch im internationalen Vergleich langfristig Wachstumschancen, insbesondere im Bereich Diversifikation zu nutzen, wurde die Nutzung weiterer Synergien zwischen den Branchen Print und Rundfunk umschrieben.

Fehlte dem Springer-Konzern vor zwei Jahren noch das Geld für eine Übernahme, so führten Restrukturierung und der Verkauf einiger Beteiligungen inzwischen wieder zu üppigen Gewinnen (4 siehe Grafik) und dem Streben nach Wachstum (4 siehe Artikel Springer-Verlag mit Rekord-Bilanz). Stimmen die Aufsichtsbehörden zu, könnte aus dem Marktführer der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche dank der Print-Gewinne auch der Fernseh-Primus werden.

Axel Springer AG

2004

2003

Umsatz

2.402,0 Mio. €

2.320,7 Mio. €

Jahresüberschuss

147,5 Mio. €

111,6 Mio. €

EBITA1)

335,8 Mio. €

215,4 Mio. €

EBITA-Rendite in Prozent

14,0 Mio. €

9,3 Mio. €

EBITDA1)

432,8 Mio. €

290,1 Mio. €

EBIT1)

315,5 Mio. €

193,9 Mio. €

Ergebnis je Aktie

4,66 €

3,26 €

Dividende

1,20 €

1,20 €

Sonderdividende

0,25 €

 

Mitarbeiterzahl (Durchschnitt)

10.700

10.949

1) bereinigt um Sondereffekte

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ü Hoher Preis und große Hoffnung

Der Preis für die Bildung von Deutschlands zweitgrößtem Medienkonzern gilt allerdings bei Branchenexperten als sehr hoch. Trotz der Skepsis vieler Analysten hält Verlagschef Döpfner die Übernahme der ehemaligen Kirch-Programme für ein gutes Geschäft: „ProSiebenSat.1 ist eine Investition, die sich rechnet, und zwar aus drei Hauptgründen: Erstens, wir investieren in ein selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hochprofitables Geschäft. Zweitens, wir schaffen eine Struktur zur erfolgreichen Erschließung des digitalen Zukunftsgeschäfts. Drittens, wir etablieren eine attraktiv positionierte europäische Medienaktie“, erklärte Springer-Chef Döpfner bei einer Pressekonferenz am 5. August in München.

Ü Kartellamt-Entscheidung am Jahresende

Die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch Springer wird vom Bundeskartellamt mehrere Monate lang intensiv geprüft werden. Da Zeitungs- und Fernsehunternehmen zusammengeführt würden, sei dies der erste Fall einer riesigen „cross-medialen Fusion", sagte eine Kartellamtssprecherin in Bonn. Es sei deshalb nicht damit zu rechnen, dass eine vierwöchige Vorprüfphase ausreiche, sondern es werde danach voraussichtlich zu einem Hauptprüfverfahren kommen, das drei Monate dauern könne. Die Anmeldung durch Springer werde in den nächsten Tagen erwartet. Das Kartellamt wolle genau untersuchen, welche Auswirkungen die Übernahme und die anschließende Fusion auf den Werbemarkt im Fernsehen und den Lesermarkt bei Kaufzeitungen haben könne, sagte Kartellamts-Präsident Ulf Böge der Süddeutschen Zeitung. Der Fernsehwerbemarkt werde von der RTL-Gruppe und der ProSiebenSat.1 Media AG kontrolliert. Da dürfe es keinerlei Verflechtungen geben, weil sonst selbst potenzieller Wettbewerb wegfiele. Weil die Europäische Kommission kürzlich bei Druckereien Springer und Bertelsmann die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens erlaubt habe, könnte eine mittelbare Verflechtung der beiden TV-Familien entstehen.

 

Ü Siehe auch folgende Artikel:

          1 Reaktionen auf Springers ProSiebenSat.1-Deal (07.08.2005)

 

          1 ProSiebenSat.1 meldet Rekord-Gewinn (22.02.2005)

          1 ProSiebenSat.1 Media überrascht positiv (20.02.2004)

          1 ProSiebenSat.1 Media AG geht doch an Saban (05.08.2003)

          1 KirchMedia vor der Auflösung (17.06.2003)

          1 Saban muss bei Kirch-Übernahme passen (04.06.2003)

     1 ProSiebenSat.1 Media AG mit Verlusten (15.05.2003)

     1 Bundeskartellamt gibt Saban grünes Licht (25.04.2003)

     1 Kirch-Gruppe zu 85 Prozent verkauft (02.04.2003)

     1 ProSiebenSat.1 Media AG verkauft (17.03.2003)