Das
Internationale Olympische Komitee (IOC) hat eine Entscheidung über den Zuschlag
für die europäischen TV-Rechte an den Olympischen Winterspielen 2010 und die
Sommerspiele 2012 vorerst vertagt. Damit deutet sich ein Pokerspiel um die
begehrten Rechte an, bei dem die Europäische Rundfunk-Union (EBU) der
öffentlichen Programmanbieter schlechtere Karten als in der Vergangenheit zu
haben scheint.
Die Frist zur Einreichung der Angebote lief am 23.
April aus. Einen Tag später sichtete das IOC die
Offerten der Bieter und will nun spätestens im Juli 2005, wenn auch über den
Austragungsort der Sommerspiele 2012 entschieden wird, festlegen, wer den
Zuschlag für die Olympischen Spiele 2010/2012 erhält. Die Winterspiele werden
2010 im kanadischen Vancouver stattfinden. „Wir sind sehr zufrieden mit der Zahl und der
Qualität der erhaltenen Angebote“, erklärte IOC-Chef Jacques Rogge am 24.
April. Ein befriedigendes, ganz Europa umfassendes Angebot aber will das
Komitee noch nicht erhalten haben.
Ü
EBU erstmals seit 1960 kein Olympia-Partner?
Nach 44 Jahren droht die Europäische Rundfunk-Union, der auch ARD und ZDF
angehören, erstmals bei der Vergabe der Olympia-Rechte leer auszugehen. Der
Sender-Verbund von 71 TV- Stationen in fünfzig Ländern muss sich diesmal sowohl
gegen transnationale Sportrechte-Händler (z.B. Sportfive)
als auch gegen nationale kommerzielle Programmanbieter behaupten. Mit dem
gezielten Bieterwettkampf will das IOC die Einnahmen maximieren und hat für
Deutschland eigens einen PR-Berater engagiert, um den Preis in die Höhe zu
treiben. Die Rechnung könnte aufgehen. Auf eine rasche Entscheidung zugunsten
der EBU mochte sich das Olympische Komitee jedenfalls nicht festlegen. Statt
dessen wurde bereits im Vorfeld signalisiert, dass die Rechte erstmals nicht in
jedem Fall für ganz Europa vergeben werden müssen, sondern auch von Land zu
Land an verschiedene Bieter verkauft werden können.
Für die Olympischen Winterspiele
2006 in Turin und die Sommerspiele 2008 in Peking hatte sich die EBU die Rechte
noch für 578 Millionen Dollar sichern können, wovon etwa 15 bis 20 Prozent von
ARD und ZDF aufzubringen sein werden (bis zu 116 Millionen Euro). In den USA
wurde mit mehr als 1,5 Milliarden Dollar ein etwa dreimal höherer Preis
erzielt. Das Bietergefecht in Europa soll nun dafür sorgen, dass die Lücke
zwischen den Einnahmen aus den USA und Europa kleiner wird. Für den US-Markt
hatte die NBC im vergangenen Sommer für die
TV-Rechte an den Olympischen Spielen 2010/12 sogar 2 Milliarden Dollar garantieren
müssen, um den Zuschlag zu erhalten. Im Wettbieten mit ABC und Murdochs News Corporation war der Preis damit im
Vergleich zur Olympiade 2006/08 um etwa 30 Prozent gestiegen. Einen ähnlichen
Effekt erhofft sich das IOC auch für Europa. 750 Millionen Dollar für die
europäischen Rechte gelten deshalb in der Branche bereits als Untergrenze. Mit
einer Einzelvermarktung für unterschiedliche europäische Verbreitungsgebiete
oder Nationen könnte sogar noch eine höhere Summe erzielt werden, spekulieren
viele beim IOC.
Ü
Zweite Versteigerungsphase geplant
Aus Deutschland flatterten dem
IOC in Lausanne Angebote von der ProSiebenSat.1
Media AG, von Premiere und von RTL auf den Tisch. Haim Saban schickte nach
Informationen der Süddeutschen Zeitung ein Angebot über mehr als 100 Millionen
Euro, um die beiden olympischen Großereignisse bei Sat.1, ProSieben, Kabel 1
und N24 übertragen zu dürfen. Das „Totalangebot“ von Premiere für Deutschland
soll bei etwa 200 Millionen Dollar liegen. In seiner Offerte seien auch die Rechte
für Pay- und Free-TV enthalten, erklärte Premiere-Chef Georg Kofler gegenüber
der deutsche Presse-Agentur (dpa). Premiere will die vom IOC angebotenen bis zu
4000 Sendestunden eventuell auf zwanzig Kanälen zeigen. ARD und ZDF hatten in
der Vergangenheit nur etwa zehn Prozent des gesamten Sendematerials live
genutzt.
In einer zweiten
Versteigerungsphase sollen nun alle Interessenten ihre Angebote nachbessern
können. ARD und ZDF, die bislang auf ein eigenes Angebot
verzichteten und der EBU-Initiative vertrauten, könnten sogar noch mit eigenen
Offerten an den Start gehen. Als Kriterien für eine Entscheidung nannten Rogge
und sein deutscher Stellvertreter Thomas Bach bislang nur, dass Free-TV Vorrang
habe und eine „größtmögliche Verbreitung“ der olympischen TV-Bilder
gewährleistet sein müsse.