Von Viva bleibt fast nur der Name übrig
Viacom ändert Programme, Führungsriege und
auch den Standort
Von Dr. Matthias Kurp, 17.11.2004
Vier
Monate nach der Übernahme der Viva Media AG durch den US-Medienkonzern Viacom
zeichnen sich konkrete Konsequenzen dieser Fusion ab. Standort, Programminhalte
und Personal des Kölner Musikkanals Viva ändern sich in so radikalem Maße, dass
die nordrhein-westfälische Medien-Staatssekretärin Miriam Meckel bereits mit
Lizenzentzug drohte.
Während der Umzug der beiden
Viva-Musikkanäle von Köln nach Berlin offiziell noch nicht bestätigt, aber als
offenes Geheimnis gehandelt wird, hat MTV-Chefin Catherine Mühlemann für die
inhaltliche Ausrichtung der jeweils zwei deutschen MTV- und Viva-Programme eine
Neuausrichtung ab kommendem Frühjahr angekündigt. Feststeht auch, dass mit
Ausnahme von Dieter Gorny die komplette Führungsspitze der Viva Media AG das Unternehmen verlässt.
Ü
NRW-Staatskanzlei drohte
Als Viacom im Juni die Übernahme von Viva
einleitete (4 siehe Artikel Viacom will
Viva Media AG übernehmen und Viacom
übernimmt Viva Media AG), hatten die US-Manager der nordrhein-westfälischen
Staatskanzlei offenbar versprochen, am Standort Köln festzuhalten. Zumindest
für jene Mitarbeiter der knapp 550-köpfigen Belegschaft der Viva Media AG, die
nicht beim TV-Produktionstochterunternehmen Brainpool beschäftigt sind,
zeichnet sich aber immer mehr ein drohender Umzug nach Berlin ab. Dort
residiert MTV Deutschland seit Mai im Osthafen und könnte durch die zentrale
Organisation aller vier Musikkanäle an einem Standort weitere Synergien
erreichen. Bei den 280 Beschäftigten von Viva
und Viva plus hingegen herrscht in Köln
Alarmstimmung. Einige haben bereits den Berliner Wohnungsmarkt sondiert.
„Dass Viva jetzt so schnell
abrückt, kommt für mich überraschend“, zitierte die Süddeutsche Zeitung Norbert
Schneider, den Direktor der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien
(LfM). „Es gab im Vorfeld klare informelle Absprachen“, sagte Miriam Meckel dem
Nachrichtenmagazin Der Spiegel (Ausgabe vom 8. November) und drohte: „Sollte
Viacom diese brechen, werden wir die bestehenden Lizenzierungsbedingungen für
Viva und Via plus überprüfen müssen.“ Zuständig für Lizenzen und ihre Kontrolle
ist allerdings nicht die Staatskanzlei, sondern die Landesmedienanstalt. Wenige
Tage später trafen sich Catherina Mühlemann (MTV) und Dieter Gorny (Viva) mit
dem Vorsitzenden der LfM-Medienkommission, Wolfgang Hahn-Cremer. Anschließend
erklärte die LfM in einer Pressemitteilung vom 10. November, alle Irritationen
und medienrechtlichen Bedenken seien „zunächst ausgeräumt“.
Ü
Viva zurück zu den Wurzeln?
„Es gibt eine Zusage, dass sich
am Programmformat von Viva plus nichts ändern wird“, sagte Hahn-Cremer nach dem
Treffen mit Mühlemann und Gorny. Drei Wochen zuvor noch hatten MTV und Viva am
15. Oktober mitgeteilt, die Programmschwerpunkte von Viva plus lägen demnächst
bei mehr (interaktiven) Spielen, SMS-Angeboten und populärer Musik für die
Zielgruppe der Jungen und Männer zwischen zehn und 34 Jahren. Für die Keimzelle
der Viva Media AG, den 1993 gestarteten Musikkanal Viva, hatte Gorny im Oktober
angekündigt, er werde als nationaler Jugendsender mit Chart-orientierter, meist
nationaler Musik „zurück zu seinen erfolgreichen Wurzeln geführt“ und so
ausgerichtet, dass er vor allem die weibliche Zielgruppe der 10- bis
29-Jährigen anspreche.
Neu positioniert werden sollen
im nächsten Jahr auch die MTV-Angebote. Das deutsche Hauptprogramm MTV wird
internationaler ausgerichtet und mit Formaten wie „Jackass“ vor allem auf das
männliche Publikum ausgerichtet. MTV 2 Pop
soll Mainstream-Videos für Zuschauer zwischen 8 und 49 Jahren bieten. Simon
Guild, Chef des operativen Geschäfts von MTV Networks Europe, signalisierte,
dass dauerhaft vier TV-Musikprogramme „vielleicht nicht das Beste“ seien.
Deshalb dürften fiktionale und Non-Music-Elemente bei Viva und MTV an Bedeutung
gewinnen. Peter Kuhlmann, Direktor Fernsehen bei der Hamburger Mediaagentur
GFMD/OMD, warnte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bereits, der deutsche
Markt sei mit vier Musikkanälen überbesetzt.
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Großes Stühlerücken in Köln
Viva hat im vergangenen Jahr mit
seinen Videoclip-Programmen einen operativen Verlust von 14 Millionen Euro
gemacht (4 siehe Artikel Viva
mit Verlusten im Kerngeschäft) und leidet nach wie vor unter mangelnden
Werbeeinnahmen. MTV Deutschland hingegen meldete für 2003 einen Anstieg der
Werbeeinnahmen um etwa 16 Prozent und dürfte sich in diesem Jahr erneut
zweistellig steigern. Für das erste Halbjahr 2004 hat die Viva Media AG bei
einem Umsatz von etwa 50 Millionen Euro einen Verlust von 1,35 Millionen Euro
ausgewiesen. Dennoch will Catherine Mühlemann bereits im nächsten Jahr Viva in
die Gewinnzone führen. Die 38-jährige Schweizerin hat bei Viacoms vier
deutschen Musikkanälen inzwischen allein das Sagen. Der bisherige
Viva-Vorstandsvorsitzende Dieter Gorny, so gab Viacom am 2. November bekannt,
soll für den US-Konzern in Deutschland neue TV-Geschäfsfelder erschließen und
erhielt für seinen Arbeitsbereich den klangvollen Namen „Business Development
& Network Relations“.
Außer Gorny müssen sich alle
anderen Manager der Viva-Führungsriege außerhalb des Viacom-Konzerns neue
Positionen suchen. Fernsehvorstand Ludwig Bauer hat sein Viva-Büro bereits
verlassen. Das frühere Vorstandsmitglied der ProSiebenSat.1 Media AG war erst
Anfang des Jahres nach Köln gekommen und wurde nach Recherchen der Financial
Times Deutschland mit 2 Millionen Euro abgefunden. Vivas Ex-Gesellschafter und
-Finanzvorstand Christian Gysi scheidet zum Jahresende aus. Ende November
verlässt auch Michael Peter Schmidt, zurzeit noch
Director Editorial der Viva Fernsehen GmbH, das Unternehmen.
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„Squeeze-out“ im nächsten Jahr
Viacom hat inzwischen etwa 98
Prozent der Viva-Aktien übernommen und wird den verbliebenen
Minderheitsaktionären im kommenden Jahr als Barabfindung im Rahmen eines so
genannten Squeeze-out-Verfahrens 12,65 Euro je Aktie bieten. Die Summe
entspricht dem Preis, den der drittgrößte Medienkonzern der Welt (23,5 Mrd. €
Jahresumsatz 2003) auch für die bislang übernommenen Aktien gezahlt hat.
Insgesamt muss Viacom für die Viva-Übernahme schließlich etwa 310 Millionen
Euro aufbringen. Hinzu dürften Ausgaben für einen Sozialplan kommen.
Schließlich bedeuten die von Viacom als Grund für die Fusion genannten
Synergie-Effekte vor allem Personaleinsparungen. Bei MTV hat Catherine
Mühlemann seit ihrem Amtsantritt vor vier Jahren etwa ein Viertel der Stellen
gestrichen. Übrig blieben 118 Angestellte und damit bei den beiden
MTV-Programmen nur etwa halb so viele wie bei der Kölner Viva-Konkurrenz.
Eine
Lösung müsste Mühlemann im Falle eines Viva-Umzuges nach Berlin auch finden, um
die jährlich anfallenden Mietkosten im erst vor zwei Jahren bezogenen
Viva-Gebäude der ehemaligen Kabelfabrik Felten & Guilleaume in Köln-Mülheim
zu umgehen. Der Mietvertrag dort, so berichtete die Financial Times, belaufe
sich auf eine Summe von jährlich vier Millionen Euro und habe eine Laufzeit bis
2010. Was mit der profitablen Viva-Tochterfirma Brainpool geschieht, ist
ebenfalls noch nicht ganz klar. Zunächst soll sie vollständig aus der
Senderfamilie herausgelöst werden und bleibt – ebenso wie ihr Gründer und Chef
Jörg Grabosch – vermutlich in Köln.
Ü Hier finden Sie den kompletten Geschäftsbericht
der Viva Media AG 2003.
Ü Buchtipp Musikfernsehen in Deutschland.