Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich bei ihrem Jahrestreffen in Berlin auf eine Rundfunkgebühren-Erhöhung ab April 2005 um 88 Cent auf 17,03 Euro verständigt. Damit wurde der Vorschlag der Länder-Rundfunkkommission vom 20. September um 2 Cent nach oben korrigiert. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) hatte eine Erhöhung um 1,09 Euro empfohlen.

Durch die angestrebte Gebührenerhöhung erhalten die öffentlich-rechtlichen Programme vom 1. April 2005 bis 31. Dezember 2008 etwa 1,4 Milliarden Euro mehr, pro Jahr zusätzlich etwa 350 Millionen Euro. Zurzeit betragen die jährlichen Gebühreneinnahmen etwa 6,5 Milliarden Euro. Die Entscheidung der Ministerpräsidenten ist nach Angaben des Konferenzvorsitzenden und Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) einstimmig gefallen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte nach der Jahressitzung der Länderchefs in Berlin, die Ministerpräsidenten seien einen „neuen Weg“ gegangen, indem sie nicht die von der KEF vorgeschlagene Gebührenerhöhung (4 siehe Artikel KEF will Gebühr um 1,09 Euro erhöhen) übernommen hätten. Die mehr als ein Jahr lang dauernde Debatte über Strukturveränderungen und Selbstverpflichtungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezeichnete Stoiber als „alles in allem erfolgreich“. Er schließe auch eine Nullrunde für die übernächste Gebührenperiode ab 2008 nicht aus. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, es sei noch nicht klar, ob der neue Gebührenstaatsvertrag überhaupt von alles Landesparlamenten verabschiedet werde. Vor allem in Ostdeutschland fehlt es dem öffentlich-rechtlichen Gebührenmodell bei einigen politischen Gruppierungen an Akzeptanz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ü ARD will bei Orchestern sparen

Der Beschluss der Ministerpräsidenten wurde weder von den öffentlich-rechtlichen noch von den privatwirtschaftlichen Programmanbietern begrüßt. Der stellvertretende ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Fritz Pleitgen bezeichnete die Abweichung vom Vorschlag der KEF in einer ARD-Pressemitteilung erneut verfassungsrechtlich als „außerordentlich bedenklich“. Die Korrektur des KEF-Vorschlages durch die Ministerpräsidenten aus sozialen Gründen bezeichnete Pleitgen als einen „Methodenwechsel“, der zu „einem irreparablen Schaden“ führen könne. Pleitgen kündigte an, die Kürzungen würden „natürlich nicht ohne abträgliche Auswirkungen auf die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben“. So will der WDR etwa die Verwendung seiner Gebührenmittel auf Nordrhein-Westfalen beschränken und Zuschüsse für die Bayreuther Wagner-Festspiele (jährlich 69.000 Euro), das Münchener Institut für Rundfunktechnik (3,2 Mio. Euro), den ARD-Musikwettbewerb (239.000 Euro) sowie der Münchener Journalistenschule (40.000 Euro) einstellen. Außerdem will Pleitgen bis Ende 2006 etwa hundert von etwa 4400 festen WDR-Stellen abbauen.

Alle ARD-Anstalten zusammen werden etwa 300 Stellen abbauen müssen. Der Bayerische Rundfunk will sogar sein Rundfunkorchester aufgeben. Der Südwestrundfunk und der Saarländische Rundfunk prüfen die Fusion ihrer Rundfunkorchester. Eine endgültige Bewertung der Entscheidung der Länder wollen die ARD-Gremien allerdings erst vornehmen, wenn alle Landesparlamente dem neuen Gebühren-Staatsvertrag zugestimmt haben. Das dürfte erst im kommenden März der Fall sein. Dann soll auch darüber entschieden werden, ob gegebenenfalls eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt wird. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck warnte als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ARD und ZDF vor einem Gang nach Karlsruhe. Die Gebührenerhöhung sei während des Rechtsstreits unwirksam, was für ARD und ZDF Millioneneinbußen bedeuten würde.

Ü ZDF plant Abbau von 300 Stellen

Pleitgens Befürchtung, die geringe Gebührenerhöhung werde zu einer Beschränkung des „wertvollen gesellschaftlichen und kulturellen Engagements des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, führen, teilte auch ZDF-Intendant Markus Schächter. Für das ZDF resultiert aus der Kürzung des KEF-Vorschlages bei der Rundfunkgebühr um monatlich 21 Cent für die kommenden vier Jahre eine Finanzierungslücke von etwa 150 Millionen Euro. Dennoch will Schächter bis Ende 2008 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, plant den Abbau von 300 Stellen und sprach von weiteren drastischen Spaßmaßnahmen. Es stehe grundsätzlich alles auf dem Prüfstand, was nicht zu dem Kern des ZDF-Programmauftrages gehöre, sagte Schächter und sieht Kürzungen bei der Produktion von Filmen und Serien voraus.

Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation e. V. (VPRT), nannte angesichts der Werbekrise im Free-TV-Geschäft den Beschluss zur Gebührenerhöhung einen „weiteren Beitrag zur Wettbewerbsverzerrung im dualen deutschen Rundfunksystem“. Der ProSiebenSat.1-Manager wünschte sich, dass eine Mehrheit in den Länderparlamenten diese „Kapitulationsurkunde“ der Medienpolitik nicht unterzeichne.

 

Ü Pressemitteilung der ARD vom 8.10.2004

Ü Pressemitteilung des ZDF vom 8.10.2004

Ü Pressemitteilung des VPRT vom 8.10.2004 (Download)

 

Ü Siehe auch folgende Artikel:

1 Gebührenerhöhung auf 86 Cent gesenkt (20.09.2004)

1 KEF will Gebühr um 1,09 Euro erhöhen (09.01.2004)

1 Rundfunkgebühren-Erhöhung um 1,07 Euro? (08.10.2003)

1 Streit um Rundfunkgebühren-Erhöhung (24.06.2003)

 

Ü  Der 14. KEF-Bericht steht bei der KEF als Download zur Verfügung und kann gratis als Drucksache angefordert werden.