Knapp einen
Monat nach dem Erwerb der TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga findet am 2.
August der Restart statt: nach 15 Jahren Zwangspause wieder eine ARD Sportschau
mit exklusiven Free-TV-Bildern aus den Bundesliga-Stadien. Im Studio A des
Westdeutschen Rundfunks soll eine neue Ära beginnen, die für die ARD nicht ganz
billig ist.
Im zehnten Stock des Kölner WDR-Archivhauses herrscht seit Tagen angespannte Hektik. Erst sechs Tage vor der ersten Sportschau neuer Zeitrechnung wurde das 14-köpfige Redaktionsteam komplett. Eine erste Probesendung produzierte die Crew am 28. Juli. Jetzt tüfteln Redaktionsleiter Steffen Simon und seine Kollegen gemeinsam mit Regisseur Markus Verhall intensiv an den Feinheiten für Ablauf und Design der Sendung, die samstags von 18.10 bis 19.40 Uhr nach dem Willen von ARD-Programmdirektor Günter Struve bis zu 20 Prozent Marktanteil erreichen soll. Für die Vermarktung der Werbeblöcke kalkulierte die ARD-Tochterfirma Sales & Services mit mindestens 5,5 Millionen Zuschauern. So viele Fans erreichte der Sat.1-Vorläufer „ran“ zuletzt in der Spielzeit 1998/99. In der vergangenen Saison schalteten durchschnittlich nur noch 4,6 Millionen Fußball-Fans am Samstag die Zusammenfassung der Spiele bei Sat.1 ein.
Ü
ARD investiert mehr als 80 Millionen Euro
Für die ARD steht Spiel für Spiel viel auf dem Spiel. Schließlich wurde beim Kauf der Rechte immer wieder betont, die Kosten ließen sich im Wesentlichen aus den Werbeeinnahmen decken. Weil nur zwei Werbeblöcke pro Sendung geplant sind, müssen deshalb unbedingt die Quoten stimmen, zumal die ARD ihren Kunden pro Werbespot etwa 20 Prozent mehr berechnen will als zuletzt Sat.1. Zusätzlich zu den 45 Millionen Euro für die Sportschau-Rechte muss die ARD dem Rechtevermarkter Infront 4,6 Millionen Euro für zwei Live-Spiele überweisen. Die erste Paarung (Bayern-Frankfurt) wird gleich zum Saisonauftakt am 1. August aus dem Münchener Olympia-Stadion übertragen. Die TV-Bilder von mindestens zehn Kameras pro Spiel kommen – genau wie bei Premiere, sonntags beim DSF oder früher bei Sat.1 – vom Sport-Dienstleister PlazaMedia (Kameras, Ü-Wagen etc.) und kosten weitere 4 Millionen Euro. Hinzu kommen nach Recherchen des Spiegel 8,8 Millionen Euro Produktionskosten. Für die Nachverwertung der Spielausschnitte (u.a. in den Dritten Programmen) zahlt die ARD weitere 17 Millionen Euro und etwa 5,2 Millionen Euro für die Hörfunkrechte. Alles in allem kostet das Abenteuer Bundesliga die ARD also mehr als 80 Millionen Euro! Da dürften es die Intendanten mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, dass zumindest für die Sportschau-Premiere am 2. August die teuren Werbezeiten bereits komplett ausgebucht sind.
Trotz Technik-Schnickschnack und Show ist der Marktanteil von
„ran“ in den vergangenen acht Jahren kontinuierlich gesunken. Schauten in der
guten alten Sportschau-Zeit vor der Gründung von RTL, Sat.1 & Co. früher
noch Samstag für Samstag bis zu 20 Millionen Fußballfans zu, gehörten zur
„ran“-Fangemeinde in den vergangenen
beiden Jahren nur noch weniger als 5 Millionen Anhänger. Dennoch erinnert vieles vom Konzept der neuen Sportschau an „ran“. Kein Wunder: Schließlich stammte das Konzept der Sat.1-Fußballshow von Reinhold Beckmann, der nun im Wechsel mit Gerhard Delling auch die neue ARD-Sportschau moderieren wird. Auch Redaktionsleiter Simon arbeitete einst vor und hinter den Kameras für „ran“.
Sat.1 habe 1992 vor dem Start der ersten Sendung neun Monate Zeit gehabt, der WDR nur etwa ein Sechstel so viel, lautet auf den WDR-Fluren der Sportredaktion die Begründung dafür, dass die Ablauforganisation von „ran“ teilweise kopiert und nur leicht öffentlich-rechtlich modifiziert wurde. Zur Schaltzentrale, in der die Bilder aus den Stadien auflaufen, wurde das alte Synchronstudio T des WDR in einen „Dispatcher-Raum“ umgebaut. Die spannendsten Spielszenen gelangen dann in Köln vom Server direkt an drei Schnittplätze. Reportiert wird aber von Übertragungswagen aus, die direkt vor den Stadien stehen.
Ü
Weniger Show und längere Spielberichte
Anders als bei Sat.1 wird beim WDR ohne Studio-Publikum gesendet. Wenn Gerhard Delling die Auftakt-Sendung moderieren wird, kommt erstmals im Sportschau-Studio eine etwa 12 Quadratmeter große LED-Wand zum Einsatz, die eigens für die neue Sendung entwickelt wurde und den Eindruck erwecken soll, der Moderator sei in den Stadien praktisch auf Ballhöhe. Sonst aber hält sich der Aufwand an Verpackungselementen für das neue Format in Grenzen. 60 Prozent der Sendezeit sollen Spielausschnitte gezeigt werden. Bei Sat.1 hingegen bestand die Hälfte von „ran“ aus Moderationen, Teasern, Gewinnspielen und anderen Show-Elementen. Darauf will die ARD im Wesentlichen verzichten, hieß es am 29. Juli bei einer Pressekonferenz in Köln. Die Spielberichte dürfen jeweils zwischen 6 und 20 Minuten lang sein, für das Topspiel der Auftakt-Sendung (Schalke gegen Dortmund) sind etwa 10 Minuten vorgesehen.
Obligatorisch sind
jedoch auch bei der ARD Gewinnspiele, die der ARD zusätzliche Einnahmen
verschaffen sollen. Wichtigster Partner dabei dürfte die Telekom AG (v.a. mit dem Mobilfunkunternehmen T Mobile) sein, die als Hauptsponsor der
Sendung mindestens 8 Millionen Euro zahlen wird. Zusatzleistungen
wie beispielsweise Gewinnspiele müssen extra bezahlt werden. Insgesamt
umfasst das Telekom-Paket Programmsponsoring und klassische TV-Spots,
Radio-Spots im Umfeld der Bundesliga-Schaltkonferenz sowie die Nennung des
Sponsoringpartners während der Einführungs- und Begleitkampagne zur neuen
Sportschau. Zweiter Hauptsponsor ist die CMA Centrale
Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft. Insgesamt, so berichtete
der Focus, sollen durch die
Sponsoring-Verträge etwa 20 Millionen Euro Einnahmen gesichert sein.
Weil der Sportrechtevermarkter Infront an die Deutsche
Fußball Liga (DFL) 290 Millionen Euro überweisen muss, selbst aber von ARD, DSF
und Premiere deutlich weniger erhält, haben die Fußballclubs inzwischen
eingelenkt. Um Infront nicht an den Rand einer Insolvenz zu treiben, wurde ein „Kostenzuschuss“
gewährt, der nach Recherchen der Wochenzeitung Die
Zeit „in einstelliger Millionen-Höhe liegen muss“.
Ü
Entwicklung der Rechte-Kosten seit 1965
|
Rechte-Erwerber |
Rechte-Preis |
Programm |
1965-1969 |
ARD/ZDF |
0,33 Mio. € |
ARD + ZDF |
1969-1974 |
ARD/ZDF |
1,33 Mio. € |
ARD + ZDF |
1974-1978 |
ARD/ZDF |
2,25 Mio. € |
ARD + ZDF |
1978-1983 |
ARD/ZDF |
3,44 Mio. € |
ARD + ZDF |
1983-1988 |
ARD/ZDF |
4,09 Mio. € |
ARD + ZDF |
1988-1991 |
Ufa |
20,25 Mio. € |
RTL |
1991-1994 |
Ufa |
40,90 Mio. € |
RTL + Premiere |
1994-1999 |
ISPR |
112,48 Mio. € |
Sat.1 + Premiere |
1999-2000 |
ISPR+Ufa |
168,73 Mio. € |
Sat.1 + Premiere |
2000-2001 |
KirchGruppe |
355,00 Mio. € |
Sat.1 + Premiere |
2001-2002 |
KirchGruppe |
328,00
Mio. € |
Sat.1 + Premiere |
2002-2003 |
KirchSport |
290,00 Mio. € |
Sat.1 + Premiere |
2003-2004 |
Infront |
290,99
Mio. € |
ARD + DSF + Premiere |
Ü Siehe auch Artikel 1 Bundesliga
wieder in ARD-Sportschau
Ü Siehe auch Artikel 1 Sat.1
sichert sich Champions League