ProSiebenSat.1 Media AG verkauft
Haim Saban übernimmt Kirchs TV-Senderfamilie
Von Dr. Matthias Kurp, 17.03.2003
Die Bertelsmann
AG hat im vergangenen Jahr trotz der Krise auf den Medienmärkten eine Menge
Geld verdient: Das operative Ergebnis
vor Steuern, Zinsen und Firmenwert-Abschreibungen betrug 936 Millionen Euro -
ein Plus von mehr als 60 Prozent! Deutschlands größter Medienkonzern hat sich
so radikal wie kaum ein anderes Medienunternehmen von verlustbringenden
Internetaktivitäten getrennt. Weitere Verkäufe stehen bevor. Zur größten „Cash
Cow“ im Konzern hat sich inzwischen das Rundfunkgeschäft entwickelt.
Drei Nächte lange wurde in München verhandelt und dann ein Kaufvertrag unterzeichnet, den die Beteiligten am 17. März stolz der Presse präsentierten. Kirch-Insolvenzverwalter Michael Jaffé, die Sanierer Wolfgang von Bettery und Hans-Joachim Ziems sowie US-Investor Haim Saban besiegelten den Pakt vor Fotografen mit einem Händedruck. Über den Kaufpreis vereinbarten die Vertragspartner Vertraulichkeit. Der Preis pro Aktie, so berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ), soll bei etwa 8 Euro liegen, woraus sich ein Volumen von etwa 550 Millionen Euro ergeben würde. „Daneben ist wohl eine Kapitalzufuhr von rund 300 Millionen Euro für die Sender geplant“, berichteten die SZ-Medienjournalisten Hans-Jürgen Jakobs und Klaus Ott über eine bevorstehende Kapitalerhöhung, von der auch das Handelsblatt erfahren hatte.
14,5 Prozent der Stammaktien von ProSiebenSat.1 Media AG bleiben (vorerst) weiterhin bei der Kirch Media Gmbh & Co KgaA. Der Springer Verlag soll seinen Anteil von 11,5 auf 13,5 Prozent aufstocken, ohne dafür zahlen zu müssen. Im Gegenzug will der Verlag sein Vorkaufsrecht, das eine Übernahme von bis zu 28 Prozent verbriefte, nicht ausüben. Dies ermöglicht es Saban, seinen 36-Prozent-Anteil künftig weiter aufzustocken, ohne dabei von Springer ausgebremst zu werden. Außerdem räumte Saban Europas größtem Zeitungsverlag einen weiteren Sitz im Aufsichtsrat ein. Springers Schadenersatzforderung gegen die Kirch-Gruppe aber soll weiterhin Bestand haben. Dabei geht es um eine Option, die Kirch dem Verlag bei der Integration von SAT.1 in die ProSiebenSat.1 Media AG eingeräumt hatte. Demnach hätte Springer im Januar 2002 seinen 11,5%-Anteil für 790 Millionen Euro im Rahmen einer so genannten Pot-Option an Kirch zurückgeben können. Wegen der Kirch-Insolvenz aber ist es bislang nie dazu gekommen. Vor Gericht will Springer-Chef Döpfner nun zumindest Schadenersatz – eventuell in Form weiterer Anteile – durchfechten.
Ü
Kosten: mehr als nur der Kaufpreis
Wegen des Erwerbs von mehr als
30 Prozent der Gesellschafteranteile müsste Saban nun eigentlich allen Inhabern
von ProSiebenSat.1-Media-Vorzugsaktien ein Angebot machen, auch ihre Aktien zu übernehmen.
Das aber käme beim aktuellen Kurs einer Summe von bis zu 400 Millionen Euro
gleich. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Aktiengesellschaft will
Saban deshalb offenbar versuchen, beim Bundesamt für Finanzdienstleistungen
eine Ausnahme zu erwirken, weil ein solches Angebot die Sanierung des
Unternehmens behindere. Die Entscheidung darüber wird in etwa zwei bis vier
Wochen fallen.
Zur ProSiebenSat.1 Media AG
gehören zu jeweils hundert Prozent SAT.1, Pro 7, Kabel
1, N 24 und zu 48,4 Prozent Neun live. Die Sendergruppe leidet zurzeit stark
unter der Krise am TV-Werbemarkt. Im
vergangenen Jahr entstand ein Verlust von etwa 54 Millionen Euro. Nach der
vorläufigen Bilanz schrumpfte das Konzernergebnis vor
Steuern 2002 von 106 auf 21 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen
und Abschreibungen (Ebitda) fiel auf 134 (Vorjahr: 225) Millionen Euro. Die
Werbeeinnahmen machen bei Pro Sieben, SAT.1 & Co. mehr als 90 Prozent der
Umsätze aus und sanken um 6 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro. Der
Brutto-Werbemarktanteil der Kirch-Programme ging im vergangenen Jahr von 48,6
Prozent auf 45,4 Prozent zurück. Verluste mussten auch beim
Zuschauermarktanteil verbucht werden, der von 25,7 auf 23,5 Prozent sank.
Ü
Filmrechte: 40.000 Seiten Vertragsentwurf
Etwa 40 Prozent ihrer Sendezeit füllen die Programme der ProSiebenSat.1 Media AG zurzeit mit Beständen von Kirch Media. Kirchs Archiv gilt noch immer als das größte in Europa und soll ebenfalls an Saban verkauft werden. „Der Vertrag über die Übertragung der Filmlibrary und des Filmrechtehandelsgeschäfts wird in den nächsten 10 Tagen unterschrieben“, teilte Kirch Media am 17. März mit. Bis dahin sollen noch etwa 40.000 Seiten Vertragsentwurf geprüft und überarbeitet werden. Anders als das Hamburger Verlagshaus Bauer will Saban den Filmrechtehandel weiter pflegen. Der Preis wird auf etwa 1,5 Milliarden Euro geschätzt und bringt zur Freude von Kirchs Gläubigerbanken wieder Geld in die Kassen. Allerdings steht die Kirch-Gruppe auch bei zahlreichen Hollywood-Studios in der Kreide, die Ansprüche von insgesamt bis zu einer halben Milliarde Euro haben sollen.
Kommt der Vertrag zustande, muss Saban insgesamt für das Kirch-Geschäft mindestens 2 Milliarde Euro aufwenden. Hinzu kommen Mittel für eine Kapitelerhöhung oder die Übernahme weiterer Anteile an der ProSiebenSat.1 Media AG. Parallel zu den Verhandlungen mit den Kirch-Sanierern führt der amerikanisch-israelische Medienunternehmer deshalb auch Gespräche mit Managern des französischen TV-Konzerns TF 1, denen er bis zu 50 Prozent seines Kirch-Geschäftes angeboten hat. Das TV-Unternehmen, dem unter anderem auch der Kanal Eurosport gehört, erzielte im vergangenen Jahr zwar 155 Millionen Euro Gewinn, ist aber mit etwa 600 Millionen Euro verschuldet.
Ü
Selfmade-Milliardär: Karriere mit Power Rangers
Wer ist eigentlich Haim Saban,
der schaffen soll, was bislang weder AOL
Timer Warner noch Murdochs News
Corporation gelungen ist? 1944 in Ägypten geboren, landete er in den 50-er
Jahren nach dem Suez-Krieg gemeinsam mit seinen Eltern in Israel. Dort
versuchte er sich später als Bassist einer Rockband, erlebte aber eine große
Pleite, bevor er 1975 mit einer halben Million Dollar Schulden nach Paris zog.
In Frankreich begann dann seine steile Karriere: Erst verdiente er Geld mit der
Vermarktung von TV-Melodien und Soundtracks (u.a. für „Dallas“, „Starsky &
Hutch“, „Hart aber herzlich“). 1983 emigrierte er in die USA und entdeckte
japanische Trickserien wie „Ninja Turtles“ oder „Power Ranger“, die er für das
US-Fernsehen importierte. Basierend auf diesen Filmrechten baute Saban ab 1995
gemeinsam mit Rupert Murdoch den Kinderkanal Fox Family auf, den die Partner
2001 an Disney verkauften. Saban kassierte 1,5 Milliarden Dollar und suchte
seitdem eine profitable Geldanlage.
Haim Sabans Vermögen wird auf
1,7 Milliarden Dollar geschätzt. Ähnlich wie Kirch machte auch er das große
Geld vor allem mit dem Filmrechtehandel. Saban vermarktete seine Kinder- und
Familienprogramme nach eigenen Angaben in 117 Länder und stellte früher auch
fast zwei Drittel des RTL-Kinderprogrammes. Allein mit dem Merchandising der
„Ninja Turtles“ soll der Medien-Jongleur von 1993 bis 2001 etwa 6 Milliarden
Dollar umgesetzt haben. Das berichtete das Magazin Forbes, auf dessen Liste der Superreichen
Saban den Platz 236 belegt. Seine Beteiligungen werden zurzeit noch von der
2001 gegründeten Saban Capital Group in Los Angeles betreut. Künftig wird er
wohl häufiger mit seiner Privatmaschine (Gulfstream V) nach München jetten. Dem
Management des ProSiebenSat.1 Media AG wolle er aber (vorerst?) freie Hand
lassen, versprach er.