Markus Schächter neuer ZDF-Intendant
Endlich Entscheidung nach parteipolitischem
Dauer-Tauziehen
Von Dr. Matthias Kurp, 11.03.2002
Nach
langem parteipolitischen Tauziehen einigte sich der Fernsehrat auf einen Kompromisskandidaten
– ein Sieg für den Parteiproporz.
Fünf Tage
bevor Dieter Stolte am 14. März nach 20-jähriger Amtszeit den Intendantenstuhl
des ZDF verlässt, kam es doch noch
zur Einigung: Die unterschiedlichen parteipolitischen Lager im Fernsehrat
fanden nach monatelangem Gezerre endlich eine Lösung in der heiklen
Personalfrage. Nachdem die ersten Wahlgänge im Dezember und Januar gescheitert
waren und in der öffentlichen Diskussion fast drei Dutzend Kandidaten
verschlissen wurden, machte schließlich einer das Rennen, mit dem fast niemand
mehr gerechnet hatte: ZDF-Programmdirektor Markus Schächter (Foto). Der
52-Jährige galt von Anfang an als Kandidat des CDU-Freundeskreises, zuletzt
aber als chancenlos und beschrieb den Kandidaten-Slalom selbst als eine
"Achterbahn- und manchmal Gruselbahnfahrt".
Bereits
im Dezember stand der Name Schächter neben denen von ZDF-Verwaltungsdirektor
Hans Joachim Suchan, ZDF-Fernsehspielchef Hans Janke, ZDF-Vize-Chefredakteur
Helmut Reitze, 3sat-Direktor Gottfried Langenstein und Dagmar Reim vom NDR auf
einer Liste der so genannten Findungskommission. Doch dann geriet seine
Kandidatur ebenso wie die seiner Mitbewerber in das parteipolitische Mahlwerk
des Parteiproporzes, wobei sich die Freundeskreise von CDU und SPD im
77-köpfigen Fernsehrat gegenseitig blockierten. Erst nachdem am 8. März 2002
ARD-Programmdirektor Günter Struve im ersten Wahlgang mit 33 zu 34 Stimmen
knapp gescheitert war, kam Schächter wieder als Kompromisskandidat ins Rennen.
Unter dem
Druck, vor Stoltes Abschied noch einen Nachfolger wählen zu müssen, brachte der
ZDF-Verwaltungsratsvorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt
Beck (SPD) am Nachmittag plötzlich wieder den CDU-nahen Markus Schächter ins
Spiel. Um 16.10 Uhr verkündete der Fernsehratsvorsitzende Konrad Kraske
schließlich das Ergebnis des zweiten Wahlgangs: 51 Stimmen für Schächter, zehn
gegen ihn und fünf Enthaltungen. Damit hatte ein dreimonatiges peinliches
politisches Tauziehen, das NRW-Regierungssprecherin Miriam Meckel als
"Absurdistan" bezeichnete, ein Ende. Der ZDF-Fernsehrat – aus Sicht
der Wochenzeitung Die Zeit
ein "anthropologisches Abbild der deutschen Clan-Strukturen" – wählte
schließlich nicht den besten Kandidaten, sondern einen, von dem sich alle
Polit-Lager ein Programm der angeblich staatsfernen Rundfunkanstalt
versprechen, das ihnen nicht wehtut. Die Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung nennt das Proporz-Ergebnis schlicht eine
"arithmetische Lösung".
Markus Schächter arbeitet seit etwa zwanzig
Jahren auf dem Mainzer Lerchenberg, ist kein CDU-Mitglied, steht der Union aber
nahe. Bevor er 1981 als Referent für Zukunftsfragen zum ZDF kam, war Schächter
unter anderem Pressesprecher der rheinland-pfälzischen CDU-Kultusministerin
Hanna Renate Laurien. Der aus dem pfälzischen Hauenstein stammende Vater von
drei Kindern war in den 90er Jahren über die Leitung der
Programm-Planungsredaktion und die Leitung der Hauptredaktion Programmplanung
zum ZDF-Programmdirektor aufgestiegen. Als seine wichtigsten Aufgaben nannte
der nach der Wahl sichtlich überraschte Aufsteiger die Einhaltung des
ZDF-Sparkurses, die Verjüngung der Publikumsstruktur und die Digitalisierung
aller Angebote.
Schächter, dessen neue
Position jährlich mit etwa 250.000 Euro dotiert ist, wird Chef eines
TV-Programmanbieters, der zu den größten in Europa zählt. Das ZDF hat etwa 3600
Mitarbeiter, 16 Inlands- und 18 Auslandsstudios. Der Etat lag im vergangenen
Jahr bei etwa 3,5 Milliarden Mark (1,79 Milliarden Euro). Allein im Jahr 2000
verbuchte das ZDF ein Defizit von 251,5 Millionen Mark (128,6 Millionen Euro),
so dass Schächters Vorgänger Stolte bereits einen Sparerlass verfügte. Die
Einnahmen stammen zu etwa 84 Prozent aus Rundfunkgebühren (Werbung: cirka 11
Prozent). Zum neuen Reich von Markus Schächter gehören auch die Partnersender 3sat, Arte, Kinderkanal, Phoenix sowie die digitalen
Kanäle ZDF.Info, Zdf.doku
und der Theaterkanal.