TV-Tabus – abgedreht, doch nie gezeigt
Aus den „Giftschränken“ der
TV-Programmanbieter...
Von Dr. Matthias Kurp, 10.02.2002
In deutschen
TV-Archiven lagert so manche fertig abgedrehte Produktion, die nicht
ausgestrahlt werden darf. Ein Streifzug durch die Giftschränke der
TV-Programmanbieter...
Allein im
Archiv des Westdeutschen Rundfunks lagern mehr als
4000 Filmkassetten, deren Inhalt nie gezeigt wurde oder nicht mehr ausgestrahlt
werden darf. Nachdem Betroffene mit juristischen Konsequenzen drohten, musste
so manches Material mit dem Siegel „Sperrvermerk“ oder „Verwendungsbeschränkung“
versehen werden. Der WDR ist kein Einzelfall. Während es sich meist nur um
kurze O-Töne oder Sequenzen handelt, gibt es auch prominente Fälle, in denen
deutsche TV-Programmanbieter Spielfilme oder Dokumentationen in ihren
Archiv-Giftschränken horten, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden.
Spektakulär
waren zuletzt Fälle wie der des SAT.1-Filmes „Die Russenhure“, von dessen
Ausstrahlung Kirchs Programmchef Fred Kogel vor zwei Jahren absah, nachdem ihn
die Russenmafia offen mit Morddrohungen konfrontiert hatte. Das
Bundeskriminalamt riet daraufhin von einer Ausstrahlung ab, SAT.1 musste etwa 3 Millionen
Mark Produktionskosten abschreiben. Aber es gibt auch andere Fälle, nämlich
die, bei denen fertige TV-Werke aus Gründen des Schutzes der
Persönlichkeitsrechte von dargestellten Personen, aus politischen oder
moralischen Motiven nie zur Ausstrahlung kamen.
Der
Frankfurter Medienjournalist Volker Lilienthal hat bereits 1994 einige dieser
Fälle in Beiträgen für VOX und
das WDR Fernsehen dokumentiert. Hier einige der von ihm recherchierten
bemerkenswertesten Fälle „im Spannungsfeld von Tabu und Toleranz“:
Ø 1970 setzte
der Südwestfunk den Film „Bambule“ über Probleme der Fürsorgeerziehung
aufsässiger Jugendlicher ab, weil das Drehbuch von Ulrike Meinhof stammte. Zehn
Tage vor der geplanten Ausstrahlung hatte die Journalistin an der
Gefängnisbefreiung Andreas Baaders teilgenommen und war damit ins
terroristische Lager gewechselt. Obwohl der Film (Regie: Eberhard Itzenplitz)
nichts mit Terrorismus zu tun hatte, wurde er erst am 24. Mai 1994 genau 24
Jahre nach seiner Fertigstellung ausgestrahlt.
Ø 1972
wollte das ZDF das
Dokumentarspiel „Der Soldatenmord von Lebach“ zeigen. Dabei handelte es sich um
eine Rekonstruktion eines Falles, der 1969 Schlagzeilen gemacht hatte. Junge
Männer hatten ein Bundeswehr-Depot überfallen und vier schlafende Soldaten
getötet. Ein wegen Beihilfe verurteilter Mittäter erwirkte am 5. Juni 1973 ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die Ausstrahlung des
ZDF-Dokumentarspieles untersagte. Angesichts der Resozialisierungschancen der
Täter hielten die Richter die „Persönlichkeitsrechte ernsthaft beeinträchtigt“,
wenn der Fall noch einmal in die Öffentlichkeit gelangen würde. Lilienthal hat
den Fall inzwischen ausführlich untersucht und in seinem soeben erschienenen
Buch Sendefertig abgesetzt dokumentiert.
Ø 1983
mischte bei Radio Bremen die TV-Redaktion „Buten & Binnen“ vor dem
Hintergrund des amerikanischen Films „The Day After“ Fiktion und Wirklichkeit der
Nachrüstung zu einer fingierten Magazinsendung. Als die Macher bei der Abnahme
am 22. Dezember 1983 realisierten, welch bedrückend authentisch wirkendes Werk
ihnen gelungen war, setzte die Redaktion in Abstimmung mit dem damaligen
RB-Fernsehdirektor Hans-Werner Conrad das Doku-Drama kurzfristig ab.
Ø 1990
verzichteten alle Anstalten der ARD
mit Ausnahme des Westdeutschen Rundfunks auf die Ausstrahlung einer Folge ihrer
Serie „Der Fahnder“. In der Episode „Baal“ (Regie: Dominik Graf) schlägt ein
Polizist als eine Art vorbeugenden Selbstschutz einen Kriminellen zusammen, was
die Mehrzahl der ARD-Programmchefs für nicht tolerierbar hielt.
Ø 1996
versuchte sich auch SAT.1 am „Fall Lebach“. Doch der von Ex-XY-Fahnder Eduard
Zimmermann produzierte Film musste trotz anonymisierter Figuren nicht aus dem
Programm gestrichen werden. Nachdem diesmal einer der beiden Haupttäter geklagt
hatte, stellte das Bundesverfassungsgericht allerdings 1999 dessen
Persönlichkeitsrechte ausdrücklich nicht über die Freiheit der Medien, weil
Handlungsort und -akteure ausreichend verändert worden waren. SAT.1 hätte den
Film also zeigen können, hat ihn aber bis heute nicht wieder aus dem Archiv
geholt. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden.
Die beschriebenen Beispiele
stellen nur eine Auswahl dar. Zu den nie ausgestrahlten TV-Produktionen zählen
auch die Folge „Reine Routine“ der SAT.1-Krimireihe „Die Unbestechliche“ (1998)
oder eine Folge des WDR-Personality-Talks „Zimmer frei“ mit Cherno Jobatey
(ebenfalls 1998). In allen geschilderten Fällen geht es um die Verletzung von
Tabus oder Persönlichkeitsrechten, um Verstöße gegen das Rechtsempfinden oder
um eine gefährliche Mischung aus Fiktion und Realität. In einigen Fällen haben
sich Programmmacher – für die heutige Zeit ungewöhnlich – sogar freiwillig dazu
entschieden, dass nicht alles gezeigt werden soll, was gezeigt werden kann.
Ü Siehe
auch die folgende Buch-Rezension.
& Buch-Rezension:
Volker Lilienthal: Senderfertig abgesetzt.
ZDF,
SAT.1 und der Soldatenmord von Lebach.
Bereits Mitte der 90-er
Jahre dokumentierte der Frankfurter Journalist Volker Lilienthal für Vox und
das WDR Fernsehen Fälle, in denen aus politischen oder rechtlichen Gründen
Fernsehproduktionen ungesendet in den Archiven von TV-Programmanbietern
verschwanden. Über den spektakulärsten Fall, den „Fall Lebach“, hat Lilienthal
jetzt auch ein Buch geschrieben.
Die
Lebach-Affäre sorgte zuletzt im Dezember 1996 für Schlagzeilen. Als SAT.1
damals zum Auftakt einer neuen Reihe („Verbrechen, die Geschichte machen“) die
Folge „Der Fall Lebach“ ausstrahlen wollte, musste der Sender darauf
kurzfristig „aus rechtlichen Gründen“ verzichten. Doch das war nicht das erste
Mal, dass ein TV-Projekt über den so genannten Soldatenmord von Lebach an
rechtlichen Hürden scheiterte. Für weitaus größeren Wirbel hatte ein ähnliches
Vorhaben bereits 1972/73 beim ZDF gesorgt. Damals bremste das
Bundesverfassungsgericht mit dem so genannten Lebach-Urteil ein
Dokumentarspiel, das einen 1969 verübten vierfachen Soldatenmord und seine
Hintergründe beleuchten sollte.
Zunächst
zum historischen Fall: Im Januar 1969 hatten zwei Täter das Bundeswehr-Munitionsdepot
im saarländischen Lebach überfallen, um an Waffen zu gelangen, mit deren Hilfe
später Menschen entführt und deren wohlhabende Verwandte zur Zahlung hoher
Geldsummen erpresst werden sollten. Dabei wurden vier Soldaten erschossen und
einer schwer verletzt. Wenige Monate später konnte die Polizei die beiden Täter
und einen Komplizen verhaften. Alle drei stammten aus der Pfalz, waren zwischen
zwanzig und dreißig Jahre als und galten als homosexuell. Vor Gericht gaben sie
an, sich von der Gesellschaft ausgegrenzt gefühlt zu haben. Mit dem erpressten
Geld, so ihr Traum, wollten sie sich auf einer Südsee-Insel ein neues Leben
aufbauen. Die beiden Haupttäter wurden schließlich zu lebenslänglichen
Haftstrafen verurteilt, der Komplize musste für seine Tat bis 1973 im Gefängnis
büßen.
Zum
umstrittenen Medienthema wurde der „Fall Lebach“ aber erst, als sich das ZDF
entschloss, aus der historischen Vorlage ein Dokumentarspiel zu machen. Das im
Februar 1972 fertig gestellte Werk (190 Minuten, 2 Teile) sollte vier Monate
später ausgestrahlt werden. Doch dazu kam es nicht. Grund war eine
Unterlassungsklage des kurz vor der Freilassung stehenden Komplizen der beiden
Haupttäter. Der Mann argumentierte, er stehe kurz vor der Entlassung und eine
Ausstrahlung des Dokumentarspieles gefährde seine Resozialisierung. Nachdem
zunächst sowohl das Landgericht Mainz als auch im Oktober 1972 das
Oberlandesgericht (OLG) Koblenz einen entsprechenden Antrag auf einstweilige
Verfügung abgelehnt hatten, rief der Betroffene das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) an, das schließlich am 5. Juni 1973 eine Ausstrahlung des ZDF-Filmes
untersagte, weil der zuständige Senat den Persönlichkeitsschutz des „Beschwerdeführers“
über das Grundrecht auf Informationsfreiheit stellte.
Lilienthal
geht in seinem Buch den Fragen nach, warum das ZDF den Film nicht nach dem
positiven Koblenzer OLG-Urteil (noch vor der negativen BVerfG-Entscheidung)
ausstrahlte, warum das ZDF auch später keine modifizierte Version des
Dokumentarspieles zeigte und warum schließlich der Fall Lebach zum TV-Tabu
wurde. Bei seinen Recherchen stieß der Medienfachjournalist unter anderem auf
den im Koblenzer Bundesarchiv verwalteten Nachlass von Jürgen Neven-du Mont.
Der 1979 gestorbene Filmemacher war Autor des Lebach-Projektes und ab 1971
Leiter der ZDF-Hauptabteilung für Dokumentarspiele. In Neven-du Monts Nachlass,
aber auch in ZDF-Sitzungsprotokollen fand Lilienthal Puzzlestücke, mit deren
Hilfe er zu rekonstruieren versucht, warum der Sender sein Dokumentarspiel bis
heute gut gesichert in den Archivschrank legte.
Nüchtern
dokumentarisch widmet sich die Beschreibung im Buch zunächst der Stimmungslage
in den frühen 70-er Jahren. Lilienthal erinnert an das Baader-Meinhof-Trauma,
an das Tabu Homosexualität und an die dem Parteinproporz gehorchenden
ZDF-Gründungsstrukturen. Bei der Suche nach dem Motor für öffentliche
Forderungen, das Dokumentarspiel abzusetzen, wurde der Buchautor und Redakteur
von epd Medien rasch im eigenen Haus fündig. Schließlich war es vor allem der
ehemalige Leiter von epd/Kirche und Rundfunk, Friedrich Wilhelm Hymmen, der den
ehemaligen ZDF-Intendanten Karl Holzamer mit seinen Artikeln immer wieder dazu
aufgefordert hatte, den Fall Lebach nicht als TV-Stoff zu verwenden. Kurz vor
seinem Tod 1995 schilderte Hymmen im Gespräch mit Lilienthal, wie es dazu
gekommen war. Ein Hilferuf der Eltern des verurteilten und kurz vor seiner
Freilassung stehenden Komplizen habe Hymmen demnach dazu veranlasst, öffentlich
gegen die „Fernsehausbeutung des Elends der anderen“ (Artikelüberschrift) zu
plädieren.
Während
der Dokumentarspiel-Autor Jürgen Neven-du Mont stets jede Sensationshascherei
von sich wies, ergreift Lilienthal, der – anders als Hymmen – zu den wenigen
gehört, die den umstrittenen ZDF-Film je sehen durften, an dieser Stelle Partei
und zweifelt die rein dokumentarische Intention des ZDF und seiner Filmemacher
an. Zugleich aber kritisiert Lilienthal Hymmens Hang, „Fernsehdirektor zu
spielen“ und „einzugreifen in das Räderwerk der Bildmaschinerie Fernsehen“.
Die
Kritik von epd/Kirche und Rundfunk aber war nicht der einzige Grund, warum das
ZDF nach dem positiven OLG-Urteil freiwillig ein Jahr lang auf ein
BVerfG-Signal aus Karlsruhe wartete, statt mit der Ausstrahlung Fakten zu
schaffen. In Lilienthals Buch lassen sich Belege finden, die dafür sprechen,
dass konservative Kreise in den ZDF-Aufsichtsgremien befürchteten, der Film
stelle eine gesellschaftspolitische Provokation dar. Vor allem die
Thematisierung von Homosexualität und der Beleg für mangelnde Sicherheitsvorkehrungen
der Bundeswehr-Depots sorgten für Unruhe im Fernsehrat und kamen sogar bei
einer Bundestagsdebatte zur Sprache.
Bis
Juni 1972 ließ Intendant Holzamer in das fertig geschnittene Dokumentarspiel
zunächst einige Ergänzungen einfügen – u.a. den Kommentar eines
Bundeswehr-Generals. Schließlich traute sich der CDU-Intendant aber trotzdem
nicht, den Film ins Programm zu heben. Ob und inwiefern die inkriminierten
Inhalte tatsächlich einen berechtigten Anlass zur Besorgnis darstellen, erwähnt
Lilienthal leider nicht ausführlich. Schade, schließlich gehört er zu den
wenigen externen Journalisten, die den ZDF-Film je sehen durften.
Mit
dem so genannten Lebach-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. Juni 1973
wurde schließlich dem Persönlichkeitsrecht endgültig Vorrang vor Presse- bzw.
Informationsfreiheit eingeräumt. In der Urteilsbegründung heißt es, „dass die
Ausstrahlung einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des
Beschwerdeführers“ bedeuten würde. Das etwa 1,2 Mio. Mark teure Dokumentarspiel
verschwand daraufhin auf Nimmerwiedersehen im „Giftschrank“ und der ehemalige
Dokumentarspiel-Chef Neven-du Mont auf einer geringer dotierten Position im
ZDF. Die radikale Reaktion verwundert um so mehr, findet Lilienthal, als sich
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nur auf eine einstweilige
Verfügung bezog und ein Hauptsacheverfahren aufgrund fehlender ZDF-Gegenwehr
nie zustande kam.
Lilienthal
fragt in diesem Zusammenhang zu Recht, warum der Film nie so umgeschnitten
wurde, dass alle auf den Kläger hinweisenden Elemente entfernt oder verfremdet
wurden. Die Antwort des ehemaligen ZDF-Justiziars Ernst W. Fuhr darauf klingt
wenig plausibel: Verschiedene Stellen des Lebach-Urteils wiesen daraufhin, dass
der Film auch eine Resozialisierung der anderen beiden Täter bedrohe. Diese
Argumentation hält Lilienthal angesichts der hohen Freiheitsstrafen der beiden
Haupttäter (fünfmal lebenslänglich) für wenig überzeugend und kommentiert: „Fuhrs
selbstrestriktive Auslegung mag unter dem Druck der damaligen Niederlage vor
dem Bundesverfassungsgericht psychologisch verständlich gewesen sein,
Gültigkeit für alle Zeit aber kann sie nicht beanspruchen.“
Problematisch
an Neven-du Monts Verfilmung war, so ist dem im Buch-Anhang abgedruckten
BVerfG-Urteil zu entnehmen, vor allem die dokumentarische statt fiktionale Nähe
zum tatsächlich Geschehenen. Dass der Fall Lebach im ZDF-Archiv statt erneut
auf dem Schneidetisch landete, so kann Lilienthal mit zahlreichen Dokumenten
nachweisen, lag vor allem am politischen Druck der CDU. Eine der
Schlüsselfiguren war dabei kein geringerer als der damalige
rheinland-pfälzischen Ministerpräsident und spätere Bundeskanzler Helmut Kohl.
Im
zweiten Hauptteil seines Buches schildert Lilienthal, wie es kam, dass auch
SAT.1 seine Version des Falles Lebach nicht wie geplant am 4. Dezember 1996
zeigen konnte. Damals hatte zunächst einer der beiden Haupttäter, der noch
immer in der JVA Saarbrücken inhaftiert ist, basierend auf dem BVerfG-Entscheid
von 1973 vor dem Landgericht Mainz geltend gemacht, auch er sehe seine
Persönlichkeitsrechte verletzt. Das Landgericht verhängte daraufhin ein
Sendeverbot, doch SAT.1 siegte wenige Monate später vor dem
Bundesverfassungsgericht. Wegen bereits vollzogener Reintegration bzw. der
lebenslangen Haft der Täter sahen die Richter Resozialisierungsinteressen nicht
berührt. Weil in der SAT.1-Fassung außerdem alle wesentlichen Täter- und
Ortsnamen verändert worden waren, bewertete der erste BVerfG-Senat am 25.
November 1999 das Grundrecht des Art. 5 Grundgesetz höher als die
Persönlichkeitsrechte der Täter. Warum SAT.1 den Film dennoch nie gesendet hat,
konnte Lilienthal nicht ergründen.
Alles
in allem ist Volker Lilienthals Buch eine nüchterne Rekonstruktion und
kritische Analyse der Lebach-Affäre. Die Materie ist kompliziert, manchmal gar
komplex. Um so mehr zwang sich der Autor bei seiner Präsentation der
zahlreichen Details zur Sachlichkeit. Der besondere Wert des Buches liegt in
der akribischen Aufdeckung von parteipolitischen Pressionen auf die ZDF-Programmverantwortlichen
und in der Aufarbeitung eines wegweisenden Urteils deutscher
Rundfunkgeschichte.
In
seiner kritischen Rückschau auf das Urteil von 1973 nimmt Lilienthal nur
vorsichtig, aber kritisch Stellung zur Art, in der das Bundesverfassungsgericht
den Persönlichkeitsrechten einen höheren Wert einräumte als dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Dass vom höchsten deutschen Gericht
1999 viele der 26 Jahre zuvor gefällten Werturteile in Bezug auf die
Güterabwägung zwischen dem Schutz persönlicher Rechte und der Pressefreiheit
revidiert wurden, wertet Lilienthal als längst überfällige Korrektur: „Das „Lebach-Urteil“,
überstrapaziert und missverstanden, führte zu einem fatalen Tabu, zu einem
generellen Bilderverbot (...). An die Opfer durfte erinnert werden, nicht aber
an die Täter oder auch nur an die Umstände der Tat.“
Die
knapp hundert Seiten umfassende Auseinandersetzung mit der TV-Chronik „Lebach
und die Folgen“ (Klappentext) wird durch die komplett abgedruckten
Bundesverfassungsgerichturteile von 1973 und 1999 ergänzt sowie durch das
Urteil des Mainzer Landgerichtes gegen SAT.1 von 1997, das später kassiert
wurde.
& Volker
Lilienthal:
Senderfertig abgesetzt. ZDF, SAT.1 und der Soldatenmord von
Lebach.
Berlin 2001. Vistas
Verlag (147 Seiten, 17 Euro).
Diese Kritik ist in der Funkkorrespondenz 6-7/2002 erschienen (S. 21-23).