Wogen bei der „Welle“: Weirich geht

Nach zwölf Jahren Führungswechsel bereits im April

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 14.02.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Der Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich, hat seinen Rückzug eingeleitet. Nach knapp 12-jähriger Amtszeit scheidet er zum 31. März vorzeitig aus. Der Rundfunkrat der Deutschen Welle hat am 12. Februar der Vertragsauflösung zugestimmt.

 

Dieter Weirich (56) hat mit seinem vorzeitigen Ausscheiden auf das parteipolitische Gezerre um seinen Posten reagiert. Eigentlich wäre seine Vertragszeit für das Amt als Intendant der Deutschen Welle erst am 30. November beendet gewesen. Doch bereits seit Monaten wurde über die Nachfolge diskutiert. Weirich selbst hatte zwar lange mit einer erneuten Kandidatur kokettiert, musste am Ende aber wohl einsehen, dass er angesichts einer rot-grünen Mehrheit im Rundfunkrat der Deutschen Welle nur geringe Erfolgschancen gehabt hätte.

Konsequent zog Weirich jetzt die Notbremse und will sich bald neue Aufgaben „in freier Wildbahn“ suchen und „seine Wettbewerbsfähigkeit draußen testen“. Der mit dem Verwaltungsrat der Deutschen Welle ausgehandelte Aufhebungsvertrag dürfte ihm die Entscheidung leichter gemacht haben, über die genauen Konditionen aber ist nichts zu erfahren. Weirichs Nachfolger, so war einer Pressemitteilung der Deutschen Welle zu entnehmen, soll noch vor der Sommerpause gewählt werden. Wer fürs Kandidatenkarussell ein Ticket erhält, entscheidet eine Findungskommission.

Ü Hartstein übernimmt vorübergehend die Leitung

Damit die Spitze im 31. Stock des Kölner Deutsche-Welle-Hochhauses nicht vorübergehend verwaist ist, rückt Rainer Hartstein, bislang Verwaltungsdirektor bei der Deutschen Welle, zum stellvertretenden Intendanten auf und bekleidet damit eine Position, die es zuvor nicht gab. An einen Fall von Ämterpatronage erinnert auch, dass als Weirichs Nachfolger bereits seit Wochen ausgerechnet der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates der Deutschen Welle gehandelt wird: Erik Bettermann (56). Mit seiner Zustimmung zu Weirichs Vertragsauflösung könnte Bettermann im Verwaltungsrat den Weg für sich selbst frei geräumt haben. Schließlich hatte er bislang immer betont, er werde sich auf keinen Fall zur Wahl stellen, wenn Weirich selbst noch einmal kandidiere.

Der Unions-Mann Weirich hatte, so erklärte er gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger, am Ende keine Lust mehr, „den Grüßgottaugust zu spielen“. In jedem Fall hätte sein SPD-Nachfolger wohl spätestens im Sommer festgestanden. Die Süddeutsche Zeitung zitierte den grollenden General gar wie folgt: „Im April oder Mai wird ein neuer Intendant gewählt, und ich hätte dann hier nur noch als Reichsverweser, Frühstücksdirektor und lame duck gesessen.“ Seine Macht bei der Deutschen Welle aber hatte schon früher zu bröckeln begonnen. Nach Schröders Wahlsieg bei der letzten Bundestageswahl änderten sich auch die politischen Farbenverhältnisse in den Aufsichtsgremien der mit 563 Millionen Mark jährlich aus dem Kanzleramt fließenden Steuermitteln ausgestatteten Deutschen Welle.

Ü Beachtliche Bilanz trotz zurückgehender Mittel

Weirichs Wirken während seiner fast zwölf Jahren Amtszeit hat deutliche Spuren hinterlassen. Der 1989 erstmals gewählte und 1995 in seinem Amt einstimmig bestätigte Intendant verwandelte den einstigen Kurzwellensender in ein multimedial operierendes Unternehmen. Seit 1992 strahlt die Deutsche Welle via Satellit auch Fernsehprogramme aus, zwei Jahre später erhielt das Programm als erstes öffentlich-rechtliches in Deutschland eine Internet-Präsenz. Was vom deutschen Publikum kaum einer hört, sieht oder weiß: Mit 1600 festen Mitarbeitern werden zur Zeit aus Bonn und Berlin 35 Hörfunkprogramme in deutscher Sprache und 34 in Fremdsprachen ausgestrahlt. Komplettiert wird das Angebot vom Nachrichtenprogramm in drei Sprachen (deutsch, englisch, spanisch) und von Sendungen bei 4200 Rundfunkprogrammanbietern weltweit, die einzelne Beiträge als Rebroadcaster übernehmen.

Ins Programm soll sich der CDU-Mann Weirich, der für seine Partei früher im hessischen Landtag (1974-1980) und im Bundestag (1980-1989) sowie im ZDF-Fernsehrat saß, selten eingemischt haben, bescheinigen ihm Journalisten bei der Deutschen Welle. Um so mehr aber krempelte er die inneren Strukturen um, verschlankte er den Apparat und ließ dennoch immer mehr Programme produzieren. Nach dem Regierungswechsel aber geriet die Expansion ins Stocken, als Schröders Kulturbeauftragter Naumann den Etat der Deutschen Welle um 90 Millionen Mark kürzte. Allein in den vergangenen drei Jahren baute Weirich eisern wie ein Technokrat 700 Planstellen ab. Als letzten großen Erfolg konnte er verbuchen, dass der Umzug vom asbestverseuchten Kölner Hochhaus in den Bonner Schürmann-Bau nicht mehr in Frage gestellt und für 2002/2003 fest eingeplant wird.

Ü Bewerber-Karussell bereits mächtig in Schwung

Während Weirich – er gilt als ausgesprochener Multimedia-Experte – sich in den nächsten Wochen schon mal auf seine Zukunft vorbereiten wird, beginnt in der Findungskommission unverzüglich das Fintieren und Fingieren. Schließlich werden außer dem gelernten Journalisten Erik Bettermann, der noch Staatsrat beim SPD-Senator für Bundesangelegenheiten in Bremen ist, noch weitere Bewerber gehandelt. Die Linken in der SPD befürworten eine Kandidatur des Düsseldorfer SPD-Regierungspräsidenten Jürgen Büssow (54), der lange im WDR-Rundfunkrat saß und früher medienpolitischer Sprecher seiner NRW-Landtagsfraktion war. Chancen hat auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel (56), der Mitglied im Rundfunkrat der Deutschen Welle ist. Die Grünen haben hingegen den Hamburger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hans. J. Kleinsteuber ins Spiel gebracht.