ARD & ZDF Info-Sieger

RTL, SAT.1 & Co. setzen mehr auf Boulevard-Themen

 

 

Von Dr. Matthias Kurp, 09.08.2001

 
 

 

 

 

 

 

 


Harte Informationen, Nachrichten und Hintergrundberichte bleiben bei den privat-kommerziellen TV-Programmen Mangelware. Das ist ein Ergebnis einer umfangreichen Programmanalyse.

 

Das Kölner Institut für empirische Medienforschung IFEM untersucht bereits seit Jahren regelmäßig die Programme der großen TV-Programmanbieter. Bei der Inhaltsanalyse für das Jahr 2000 ergaben sich dabei erneut große Defizite, was die politikrelevanten Informationsleistungen von RTL, SAT.1 & Co. anbelangt. So stammten jenseits der tagesaktuellen Nachrichten(sonder)sendungen nur zehn Prozent aller Angebote zu Themen aus Politik oder Wirtschaft von privatwirtschaftlichen TV-Programmanbietern. Während auf RTL und SAT.1 jeweils vier Prozent entfielen, trug ProSieben nur zwei Prozent zur Summe aller nicht tagesaktuellen Inhalte mit Themenprofilen aus Politik und Wirtschaft bei. Bei ARD und ZDF gehörte immerhin knapp ein Viertel aller nicht tagesaktuellen Beiträge zu den Bereichen Politik und Wirtschaft. „Harte“ Themen gelten im werbefinanzierten Free-TV also noch immer als Abschaltfaktor, während Reality-Formate und Boulevard-Journalismus Marktanteile versprechen.

Ü Boulevardisierungskluft unübersehbar

Die von der ARD/ZDF-Medienkommission in Auftrag gegebene Untersuchung belegt aber auch, dass die Auftraggeber selbst Grund haben, über ihr öffentlich-rechtliches Programmprofil nachzudenken. Während etwa bei den drei großen kommerziell ausgerichteten Free-TV-Anbietern der Anteil der Boulevardthemen in den nicht tagesaktuellen Informationssendungen (keine Nachrichten/Morgenmagazine) zurückging (RTL: -2 Prozentpunkte, SAT.1: -16 Prozentpunkte, Pro7: -9 Prozentpunkte), stieg der Anteil bei ARD und ZDF um jeweils zwei Prozentpunkte. Dennoch aber liegt der Boulevard-Anteil in den öffentlich-rechtlichen Info-Programmen (außer Nachrichten) nur bei 13 Prozent (ARD) bzw. 15 Prozent (ZDF), während die Quote bei RTL (47 Prozent), SAT.1 (31 Prozent) und ProSieben (39 Prozent) im vergangenen Jahr fast dreimal höher lag. Udo Michael Krüger und Thomas Zapf-Schramm, die beiden Autoren der IFEM-Studie, bilanzieren deshalb noch immer eine „Boulevardisierungskluft im deutschen Fernsehen“.

Deutlich messbar wirkte sich im Olympia-Jahr 2000 die Sportberichterstattung auf das Gesamtprogramm von ARD und ZDF aus. Bei der ARD betrug der Sport-Anteil 11,1 Prozent (1999: 4,9 Prozent), beim ZDF 10,9 Prozent (1999: 6,0 Prozent). Während sich diese Entwicklung bei der ARD vor allem zu Lasten der Informationsprogramme auswirkte, verzichtete das ZDF lieber auf fiktionale Inhalte. So sank der Anteil von Informationsendungen 2000 bei der ARD um 6,3 Prozentpunkte auf 38,3 Prozent, während er beim ZDF sogar um 1,5 Prozentpunkte auf 47,2 Prozent zunahm. Bei den privatwirtschaftlichen Anbietern kommt Spitzenreiter RTL für das vergangene Jahr nur auf einen Informationsanteil von 21,4 Prozent, gefolgt von SAT.1 (18,5 Prozent) und ProSieben (13,4 Prozent).

Ü Informationssendungen Domäne von ARD & ZDF

Auch in der Hauptsendezeit zwischen 19 und 23 Uhr dominieren bei ARD und ZDF noch immer informationsorientierte Sendungen. Bei der ARD gehörten 2000 immerhin 35,4 Prozent aller Sendeminuten zu diesem Genre, während der Fictionanteil nur 31,2 Prozent erreichte. Für das ZDF wurde im Abendprogramm ein Informationsanteil von 41,3 Prozent ermittelt. Bei RTL erreichte der Informationsanteil noch 24 Prozent, bei ProSieben nur 18,6 Prozent und bei ProSieben sogar lediglich 16,4 Prozent. Deutlich wird das Informationsgefälle auch bei den Nachrichten, die bei der ARD 9,6 Prozent und beim ZDF 9,8 Prozent des Programms ausmachen. Während RTL immerhin noch 6,5 Prozent aller Sendeminuten mit News bestreitet, liegen die Werte bei SAT.1 (2,6 Prozent) und ProSieben (1,1 Prozent) deutlich darunter.

Die Auswertung des Institutes für empirische Medienforschung macht auch deutlich, dass die privatwirtschaftlichen Anbieter die gesetzlich erlaubte Schranke von tagesdurchschnittlich 20 Prozent Werbung pro Stunde zumindest außerhalb der Nächte nahezu ausschöpfen. Alles in allem bestand das RTL-Programm im vergangenen Jahr zu 14,8 Prozent aus Werbung, bei SAT.1 betrug dieser Anteil sogar 16,2 Prozent, bei ProSieben „nur“ 13,4 Prozent. Zum Vergleich: ARD (1,5 Prozent) und ZDF (1,7 Prozent) strahlten nur ein Zehntel dessen aus.