Der moderne Dreikampf im Informationszeitalter besteht aus Telefon, Internet und Fernsehen. Alle drei Angebote soll es künftig über nur noch einen Netzanschluss geben. Das Spiel heißt Triple Play. Am Start sind zurzeit sowohl Telekommunikationsunternehmen als auch TV-Kabelnetzbetreiber.

Die Vision des Triple Play klingt verlockend: Erst verschmelzen Fernsehgerät und Computer miteinander, dann auch ihre Netzanschlüsse. TV-Gerät und PC können auf diese Weise optimal zusammenarbeiten. Dringend erwartete E-Mails erscheinen während einer Fernsehsendung automatisch auf dem Bildschirm. Klassisches Free-TV und modernes Internet-Fernsehen (IP-TV) nutzen eine gemeinsame Plattform, bei der sich Zuschauer sogar während einer Sendung per Live-Chat über die Inhalte austauschen können. Fernsehfreaks durften diese Anwendung namens COSE (Communication Services on TV) bereits während der CeBIT am Siemens-Stand bestaunen. Was Triple-Play-Kunden aber am meisten freuen wird: Wer Telefonleitung, Internet-Zugang und TV-Kabelanschluss aus einer Hand bezieht, spart Geld und erhält obendrein eine günstige Online-Flatrate.

Ü Starkes Wachstum prognostiziert

Das Triple Play als Win/Win-Situation? Die Verlockungen für die Anbieter sind kaum weniger verheißungsvoll. Hat sich ein Kunde erst einmal entschieden, Telefon, Fernsehen und Internet über ein Kabel zu nutzen, winken den Netzbetreibern Umsatzerlöse aus gleich drei Geschäftsfeldern. Voraussetzung aber sind genügend große Bandbreiten, entweder im digitalen TV-Kabelnetz oder bei den aufgerüsteten DSL-Leitungen der Telekommunikationsunternehmen. Die Solon Management Consulting schätzt, dass bis 2010 das Triple-Play-Volumen in Europa von derzeit 0,7 auf 7,5 Milliarden Euro steigen wird. Für Deutschland sagen die Marktforscher von Steria Mummert Consulting für das selbe Jahr drei Millionen Triple-Play-Haushalte voraus.

Nach einer langen Phase der Stagnation im deutschen TV-Kabelgeschäft – der Anteil digitaler Anschlüsse lag dort Ende 2005 noch unter zehn Prozent – zwingt der Wettbewerbsdruck die Branche inzwischen zum Handeln. Im vergangenen Jahr empfingen bereits mehr als zwei Drittel der Digital-TV-Haushalte ihre Programme per Satellitenschüssel – viele von ihnen waren vom Kabel zu SES Astra gewechselt. Außerdem bedrängen DVB-T und IP-TV (4siehe Artikel IP-TV soll Fernsehmarkt revolutionieren) die Kabelnetzanbieter, die nun mit Hochdruck nach neuen Geschäftsfeldern suchen, um die Kosten für die Aufrüstung ihrer Netze samt Rückkanal wieder einzuspielen.

Ü Millionen-Investitionen geplant

Zusätzliche Einnahmen durch Online- und Telefonie-Anschlüsse bieten für die Kabel-Branche willkommene Expansionsmöglichkeiten. Die großen deutschen TV-Kabelnetzbetreiber und City-Carrier haben inzwischen mehr als acht Millionen Hausanschlüsse so aufgerüstet, dass sie auch mit Telefon- und Internetanschluss versorgt werden können. Bis zum Jahresende 2005 wurden mehr als 150.000 Triple-Play-Pakete verkauft.

Im Laufe dieses Jahres wollen die großen regionalen Kabelnetzbetreiber, so versprachen sie dem Bundeswirtschaftsministerium, insgesamt etwa 200 Millionen Euro in die digitale Aufrüstung von weiteren 4,7 Millionen Kabelanschlüssen investieren. Dann hätten fast elf Millionen deutsche Haushalte die Möglichkeit, via TV-Kabel im Internet zu surfen oder zu telefonieren. Marktführer Kabel Deutschland GmbH (KDG) will in den kommenden drei Jahren neunzig Prozent von 15,3 Millionen anschließbaren Haushalten mit Triple-Play-Produkten versorgen und dafür etwa eine halbe Milliarde Euro investieren.

Ü TV-Kabel als Online-Konkurrenz

KDG, Unity Media (Ish, Iesy, Telecolumbus), Kabel BW (EQT) & Co. können wegen der relativ großen Bandbreite ihrer TV-Netze Internet-Zugänge zu geringeren Kosten anbieten als die Telefongesellschaften. Kabel BW verlangt für die Online-Bandbreite von einem Megabit pro Sekunde (Mbit/s) pauschal monatlich 24,95 Euro. KDG und Ish bieten ihren Kunden einen Telefon- (Inland/Festnetz) und Online-Pauschaltarif (2,2 bzw. 2 Mbit/s) für knapp vierzig Euro pro Monat. Das Triple-Play-Angebot („Kombi flat“) von Ish kostet in Nordrhein-Westfalen samt Pay-TV-Paket monatlich 47,75 Euro.

 

4Kabel-Marktführer

 

DSL-Kunden (Mio.)

Kabel Deutschland

             10,0

Unity Media*

               7,8

Kabel BW

               2,3

EWT

               1,7

Primacom

               1,0

Unternehmensangaben/ Stand: April 2006

Kein Wunder, dass sich die Telekommunikationsunternehmen und Internet-Provider bereits um ihr Stammgeschäft sorgen. Deshalb schaffen auch sie mehr Bandbreite, um außer Telefongesprächen und Online-Zugängen künftig zusätzlich IP-TV zu bieten. Die Deutsche Telekom AG will bis Mitte des Jahres in zehn deutschen Städten ein VDSL-Netz (Very High Speed Digital Subscriber Line) mit der Transportkapazität von bis zu fünfzig Mbit/s pro Sekunde aufbauen. Dann könnten in Düsseldorf, Köln, Berlin, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Leipzig, München, Nürnberg und Stuttgart mühelos TV-Bilder in HDTV-Qualität via Telekomkabel übertragen werden.

Ü Mehr Bandbreite durch VDSL

Auch wenn die DSL-Konkurrenz dem Ex-Monopolisten im vergangenen Jahr Marktanteile abgenommen hat: Die Telekom beherrscht als Direktversorger oder Zulieferer noch immer etwa zwei Drittel des DSL-Marktes in Deutschland und will bis Ende 2007 mehr als drei Milliarden Euro investieren, um insgesamt 18.000 Kilometer Glasfaser in den fünfzig größten deutschen Städten zu verlegen. „Unser Ziel ist es, den Kunden der T-Com in Zukunft rund hundert Free- und Pay-TV-Sender anzubieten“, erklärte der für das Festnetz zuständige Telekom-Vorstand Walter Raizer.

 

4DSL-Marktführer

 

DSL-Kunden (Mio.)

T-Online

              4,5

United Internet

              1,9

Arcor

              1,2

AOL

              1,1

Freenet

              0,7

Hansenet

              0,5

Tiscali

              0,25

Versatel/Tropolys

              0,25

Netcologne

              0,2

Unternehmensangaben/Stand: April 2006

 

Dank VDSL, so verspricht die Telekom, „können Kunden zum Beispiel Filme in HDTV-Qualität empfangen, parallel dazu Musik oder Computerspiele individuell abrufen oder ein Videotelefonat führen“. Bis Ende 2007 will Raizer eine Million Kunden für das neue VDSL-Netz gewinnen. Voraussetzung für das ambitionierte Glasfaser-Projekt sei allerdings, so verlangt die Telekom, dass Gesetzgeber und Bundesnetzagentur der Telekom selbst überlassen, wem sie das neue Netz zu welchen Bedingungen überlasse.

Die EU-Kommission in Brüssel hat signalisiert, sie halte ein solches VDSL-Monopol für nicht akzeptabel. Auch die Telekom-Wettbewerber bestreiten vehement, dass es sich bei VDSL um einen neuen Markt handelt, in dem die Telekom alleine über das Netz und die Zugangskonditionen bestimmen dürfe. Vielmehr vermutet zum Beispiel der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO), dass es der Telekom darum gehe, die Kontrolle über den Wettbewerb im DSL-Geschäft zurückzugewinnen.

Ü Aktive City-Carrier

Konkurrenz droht der Telekom nicht nur durch die TV-Kabelnetzbetreiber, sondern auch von einigen City-Carriern, die mit eigenen Triple-Play-Angeboten in den Startlöchern stehen. Zum Beispiel in Köln: Dort werden außer den VDSL-Kabeln der Telekom zurzeit auch Glasfaserleitungen von Netcologne verlegt. Das Tochterunternehmen des Energieversorgers Rheinenergie hat in Köln bereits 240.000 Telefon sowie 175.000 DSL-Kunden (45 Prozent Marktanteil) und will innerhalb der nächsten fünf Jahre alle Kölner Mehrfamilienhäuser der Stadt mit einem Glasfaserkabel ausstatten. Kunden haben also demnächst in Köln die Wahl zwischen den 100-Mbit/s-Anschlüssen von Netcologne, den VDSL-Leitungen der Telekom oder auch einem Vertrag mit Ish. Der nordrhein-westfälische  TV-Kabelnetzbetreiber stellt nämlich seit Anfang des Jahres ebenfalls im gesamten Stadtgebiet zusätzliche Online- und Telefon-Verbindungen zur Verfügung.

Bei der DSL-Netzabdeckung steht Deutschland im europäischen Vergleich mit neunzig Prozent recht gut da. Allerdings hat bislang durchschnittlich nur einer von vier Haushalten einen DSL-Vertrag unterschrieben, was in internationalen Rankings einen Platz in der unteren Tabellenhälfte bedeutet. Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland zwar 3,6 Millionen DSL-Anschlüsse hinzu, jedoch begnügen sich etwa neunzig Prozent der Ende 2005 registrierten 10,4 Millionen deutschen DSL-Haushalte mit der geringen Bandbreite von 1 Mbit/s. Das reicht für das Internet aus, ist für IP-TV-Anwendungen aber eine viel zu geringe Bandbreite.

Ü Auf dem Weg zum Quadruple Play?

In den kommenden fünf Jahren, so schätzt die Unternehmensberatung A.T. Kearney, soll sich die Zahl der DSL-Verträge in Deutschland etwa verdoppeln. Mehr Geld für mehr Bandbreite werden die meisten Haushalte jedoch nur dann ausgeben, wenn das Triple Play ihnen zusätzliche, möglichst exklusive Inhalte verspricht. Dazu könnten zum Beispiel TV-Bilder über die Spiele der Fußball-Bundesliga via DSL gehören, wie sie die Telekom ab der kommenden Spielzeit als IP-TV-Programme präsentieren kann. Vorbilder dafür finden sich in Frankreich oder Belgien: Die France Télécom zeigt bereits seit 2004 Fußball im eigenen Paket namens Ma Ligne TV. Belgacom-Kunden können Paarungen der belgischen Jupiter League für 25 Euro pro Monat via Internet sehen und haben darüber hinaus auch Zugriff auf Pay-TV-Programme, eine virtuelle Videothek sowie Video-Telefonie und Online-Dienste.

Solange Fußball im deutschen Free-TV allerdings nicht zur Mangelware wird, hat es die Konkurrenz im Internet schwer. Deshalb sehen viele Branchenexperten kaum Chancen für ein „Free-IP-TV“. Arcor-Chef Harald Stöber hält Pay-Sparten-Kanäle plus ergänzende Online-Dienste für das erfolgreichere Modell. Außerdem könnten Video-on-Demand-Inhalte oder Internet-Telefonate (Voice over IP) dem Triple Play zum Durchbruch verhelfen, vielleicht auch ergänzende Mobilfunk-Services („Quadruple Play“).

Ü Suche nach attraktiven Inhalten

Um attraktive Angebote zu gewinnen, schauen sich die großen Netzbetreiber nach Allianzen mit Inhalte-Anbietern um. Charles Fränkl, Geschäftsführer von AOL Deutschland, warnt vor allzu großen Triple-Play-Erwartungen, spricht von einem „Hype“ und davon, dass mehr Bandbreite nicht automatisch mehr Kunden-Umsatz bedeute. Auch Ralph Dommermuth, Chef von United Internet (Web.de, GMX, 1&1), sieht im IP-TV-Geschäft weder einen Massenmarkt noch einen Motor für das Triple Play.

Schlechte Karten, das weiß auch Dommermuth, haben künftig vor allem die Online-Provider, die nicht über eigene Netze verfügen und deshalb auf die Telekom angewiesen sind. Ihnen bleiben meist nur geringe Wiederverkaufsmargen. Um von der Telekom weniger abhängig zu sein, kooperieren etwa der Hamburger Anbieter Hansenet (Telecom Italia), United Internet und AOL mit Telefónica. Das deutsche Tochterunternehmen des spanischen Marktführers will bis zur Jahresmitte etwa ein Drittel aller deutschen Haushalte per ADSL2+ mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 25 Mbit/s anschließen können. Hansenet hat für den Sommer ein DSL-Angebot mit etwa hundert Free- oder Pay-TV-Kanälen angekündigt. Auch Arcor sowie Tropolys/Versatel rüsten auf ADSL2+ um und bauen damit Kapazitäten auf, die sogar für HDTV-Qualität ausreichen würden.

Ü Dreikampf erfordert Allianzen

Fazit: Beim Triple-Play-Dreikampf haben Telekommunikationsunternehmen, Internet-Provider und TV-Kabelnetzbetreiber mit unterschiedlichen Handicaps zu kämpfen: Die Telekom besitzt zwar Leitungen und Endkunden-Beziehungen, allerdings kaum Inhalte. Die großen TV-Kabelnetzanbieter verfügen zwar über ausreichend digitale Bandbreite, bei den Hausanschlüssen (Netzebene 4) aber nur zu etwa einem Drittel über Kontakte zum Endkunden. Der Rest befindet sich im Besitz von unabhängigen kleineren Netzbetreibern oder gehört der Wohnungswirtschaft. Die großen Provider und Portale im Internet schließlich bauen mit Content und den boomenden Online-Communities erfolgreich Kundenbindung auf, sind aber auf die Leitungsnetze Dritter angewiesen und müssen wegen dieser Abhängigkeit im DSL-Geschäft sinkende Gewinnmargen befürchten.