Europas größter
Satellitenbetreiber SES Astra will ab 2007 bisher frei empfangbare Fernsehsender
digital verschlüsseln und nur noch gegen Gebühr frei schalten. Während analoge
Angebote weiter gratis empfangbar bleiben, drohen den Haushalten mit digitalen
Satellitenreceivern Kosten für neue Empfangsgeräte und eine monatliche Gebühr von bis
zu fünf Euro.
Etwa 6,3 Millionen
deutsche Haushalte empfangen zurzeit digitale Free-TV-Programme via
Astra-Satellit. Die dafür notwendigen Receiver sind allerdings für
verschlüsselte Angebote meist ungeeignet. Sollte SES Astra demnächst
Programme nur für solche Haushalte frei schalten, die gegen Gebühr eine
passende Smartcard erworben haben, benötigen die Astra-Kunden geeignete
Decoder, um verschlüsselte Inhalte sichtbar zu machen. Für eine Übergangszeit von ein bis zwei Jahren will
SES Astra zwar voraussichtlich die Programme parallel auch weiter
unverschlüsselt ausstrahlen. Dauerhaft aber dürfte kein Weg an der Anschaffung
neuer Decoder vorbei gehen. Diese so genannten Set-Top-Boxen kosten in der
Standard-Variante etwa hundert Euro.
Ü
Gebühr „sicherlich unter 5 Euro“
Mit der digitalen
Verschlüsselung soll bereits Ende des Jahres begonnen werden. Astra-Chef
Ferdinand Kayser erklärte gegenüber der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung, wie hoch die Gebühr
künftig liege, sei noch nicht entschieden. Der Betrag werde aber „sicherlich
unter fünf Euro liegen“. Zusätzlich müssen die Kunden mit einer einmaligen
„Freischaltgebühr“ von voraussichtlich etwa zehn Euro rechnen.
Bereits seit Monaten verhandelt
Kayser mit Vertretern der ProSiebenSat.1
Media AG und der RTL Group, denen eine
Grundverschlüsselung ihrer Programme angeboten wurde. Die massenattraktiven
Free-TV-Programme wären dann digital via Satellit nur noch gegen eine
Astra-Gebühr zu empfangen. Die Programmanbieter
sollen nach Kaysers Angaben einen kleineren Anteil der Gebühr abbekommen. Dass
RTL, Sat.1 und Co. angesichts stagnierender Werbeeinnahmen bereits Interesse an
zusätzlichen Einnahmen bekundet haben, verwundert kaum. „Wir sehen nur Nutzen
bei einer solchen Plattform“, sagte eine ProSiebenSat1-Sprecherin dem Handelsblatt. „Verschlüsselung ist eine
Option für uns“, heißt es auch bei RTL in Köln.
Ü Astra investiert 100 Mio. Euro
Dauerhaft dürfte für Satellitenhaushalte also
aus dem frei empfangbaren „Free-TV“ ein entgeltpflichtiges „Fee-TV“
(Gebührenfernsehen) werden. „Die Satellitenbetreiber
wollen das gleiche Angebotsmodell wie die Kabelanbieter“, kommentierte der
Präsident der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB)
im Gespräch mit der Financial Times Deutschland.
Die Last der Transportkosten werde dabei von den Sendern zu den Zuschauern
verlagert. SES Astra argumentiert, dass
zur Erweiterung der digitalen Satellitentechnik Investitionen erforderlich
seien, weshalb es das „Satellitenfernsehen
der Zukunft nicht mehr zum Nulltarif“ geben
könne. „Wir werden über 100 Millionen Euro in den Aufbau einer
digitalen Plattform investieren", kündigte Kayser an.
Für die Sendeabwicklung soll künftig die Tochtergesellschaft Astra Platform Services (APS) in Unterföhring bei München zuständig sein, die SES vor zwei
Jahren vom Pay-TV-Unternehmen Premiere erwerben konnte. SES Astra
übernehme außerdem die Codierung der Sendesignale, die Verbreitung von
Zugangskarten („Smart Cards“) sowie den Kundendienst, erklärte Kayser, der
früher einmal Chef von Premiere war.
Ü
Einstiegsoption fürs Pay TV
Das Bundeskartellamt prüft seit Januar
einen Verdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung von SES Astra
und den beiden in Deutschland dominierenden Senderfamilien RTL Group und
ProSiebenSat.1. Dabei gehe es allerdings nur um die Frage, ob die technische
Einrichtung der Decoder zur Marktabschottung genutzt werden könne, betonte eine
Behördensprecherin: „Es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, ob für
verschlüsselte Programme Gebühren erhoben werden oder nicht.“ Die Unternehmen
hätten bereits „umfangreiche Stellungnahmen“ eingereicht, die das Kartellamt
derzeit prüfe. SES Astra teilte mit, die Infrastruktur der neuen
Verschlüsselung sei völlig offen, das Angebot wende sich an alle interessierten
Programmanbieter. Die durch Rundfunkgebühren finanzierten Anstalten ARD und ZDF
haben bereits abgewunken.
Für alle anderen Unternehmen könnte die
neue Astra-Plattform zur Basis für den Einstieg ins Pay-TV-Geschäft bedeuten. „Unser Angebot wird allen interessierten Free- und
Pay-TV-Sendern den Eintritt ins digitale Zeitalter erleichtern und die
Verbreitung neuer Programme und Programmpakete und damit mehr Wettbewerb
ermöglichen“, heißt es in einer Astra-Erklärung. So könnte zum Beispiel das
Programm Arena als neuer Inhaber an den TV-Rechten für die Fußball-Bundesliga
die Astra-Decoder für die Entschlüsselung von Pay-TV-Angeboten einsetzen und
wäre nicht auf die Premiere-Infrastruktur angewiesen. Setzt APS das ehemalige
Premiere-Sendezentrum für andere Pay-TV-Anbieter ein, verlangt
Premiere dafür zurzeit noch immer zwischen 2,50 und 3,00 Euro pro Kunde plus –
im Falle von Bundesliga-Übertragungen Dritter mithilfe der Premiere-Technik –
fünf Prozent. Nach Modellrechnungen von Vorstandschef
Kofler gingen Premiere durch eine unabhängige Astra-Pay-TV-Plattform bis zu vierzig
Millionen Euro „Transporteinnahmen“ verloren.