Offene Rechtsfragen beim E-Commerce
Verbraucherschutz muss weiter verbessert
werden
Von Dr. Matthias Kurp, 21.01.2001
Trotz
E-Commerce-Richtlinie, Digitaler Signatur und Fernabsatzgesetz bleiben in
punkto Verbraucherschutz beim E-Commerce noch jede Mengen Fragen offen. Dabei
scheitern nationale oder transnationale Regelungen häufig an der globalen
Ausdehnung des World Wide Web (WWW).
Mit der E-Commerce-Richtlinie hat die Europäische Union am 8. Juni
2000 einen Rahmen vorgegeben, an den nun bis Mitte des Jahres die nationalen Bestimmungen
angepasst werden müssen. In Deutschland ist über das existierende Informations- und
Kommunikationsdienstegesetz hinaus das Gesetz über
rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG)
geplant.
Für den Verbraucherschutz verlangt die
E-Commerce-Richtlinie vor allem mehr Transparenz. Dabei müssen alle Anbieter
grundlegende Angaben zu ihrer Identität machen. Ihre Informationspflichten
erstrecken sich darüber hinaus von den Regularien des Vertragsabschlusses über
genaue Preisangaben samt Nebenkosten bis hin zum Kundendienst. Verbindlich
geregelt wurde außerdem, welches nationale Recht jeweils zur Anwendung kommt,
wenn Vertragspartner aus unterschiedlichen Staaten kommen. Dabei gilt für den
Business-to-Business-Bereich grundsätzlich das Herkunftslandprinzip, also das
Recht des Landes, aus dem die Waren stammen. Beim Business-to-Consumer-Geschäft
greifen die Bestimmungen des Staates, dem der Käufer angehört.
Ü
Verbraucherschutz scheitert oft an seiner Durchsetzung
Innerhalb der Europäischen Union kann der Verbraucher
zwar recht sicher sein, dass die ihm bekannte Rechtsordnung gilt. In der Praxis
aber ergeben sich dennoch Probleme: Versuche, deutsches Verbraucherrecht bei
ausländischen Unternehmen geltend zu machen, scheitern nämlich oft an den
immens hohen Gerichts- und Vollstreckungskosten im Ausland. Rechtsexperten
empfehlen deshalb etwa eine Vollstreckung erst ab Beträgen von mehr als 10.000
Mark. Befindet sich der Sitz eines E-Commerce-Anbieters gar außerhalb der
Europäischen Union, ist ein geprellter Verbraucher praktisch chancenlos.
Wer online ein Geschäft abschießt, sollte sich in
jedem Fall genau die Geschäftsbedingungen anschauen. Die E-Commerce-Richtlinie
verlangt in diesem Zusammenhang in Artikel 10, dass Anbieter ihre Allgemeinen
Geschäftsbedingungen so dokumentieren, dass jeder Konsument sie speichern und
ausdrucken kann. Artikel 11 der Richtlinie bestimmt, dass Verbraucher die
Möglichkeit haben müssen, Eingabefehler vor der Online-Bestellung jederzeit
noch korrigieren zu können. Darüber hinaus soll der Händler jeweils eine
Bestätigung des Eingangs einer Bestellung absenden, deren rechtliche Relevanz
allerdings bislang noch umstritten ist.
Früher ließen sich
Online-Geschäfte praktisch nicht mehr rückgängig machen. Das am 17. Juni 2000
in Deutschland verabschiedete Fernabsatzgesetz gewährleistet inzwischen allerdings, dass
Verbraucher auch bei Bestellungen per Internet binnen zwei Wochen ohne Angabe
von Gründen vom Geschäft zurücktreten können. Ausgenommen dabei sind Audio- und
Videoaufzeichnungen, Software, verderbliche Waren, aktuelle Printmedien,
Co-Shopping-Produkte ("Powershopping") sowie Online-Auktionen. Ein
Widerspruchsrecht fehlt auch für Finanzdienstleistungen, wird allerdings zur
Zeit in einem EU-Richtlinienvorschlag vorbereitet.
Ü
Elektronische Signatur spielt praktisch noch keine Rolle
Große Rechtsunsicherheiten existieren in der
Online-Welt auch noch immer bei der Gültigkeit von Vertragsabschlüssen. Wollen
Anbieter und Nachfrager sicher gehen, dass niemand unter falschem Namen online
Angebote oder Kaufanforderungen verschickt oder deren Inhalt manipuliert,
müssen Identität und Echtheit mit einer elektronischen Unterschrift
gewährleistet werden. Zu diesem Zweck wurde in Deutschland bereits 1997 das so
genannte Signaturgesetz geschaffen. Seitdem können verschickte Dokumente im
Internet mit einer digitalen Signatur versehen werden, die wie eine persönliche
und fälschungssichere Unterschrift wirken soll.
Die Digitale Signatur in Deutschland ist ein äußerst
kompliziertes System: Ein Nutzer erhält von einem "Trust Center" eine
Chipkarte (Smart Card), auf der ein öffentlicher und ein privater Schlüsselcode
(sowie evt. eine PIN) gespeichert ist. Der erste ist in einer öffentlichen
Datenbank für jeden zugänglich. Der Absender einer Nachricht erzeugt dann mit
seinem privaten Schlüssel, der weltweit nur einmal vergeben wird, eine Signatur
und schickt den damit verschlüsselten Text an den Empfänger. Dieser überprüft
schließlich die Nachricht mit dem öffentlich verfügbaren Schlüssel des
Absenders und entschlüsselt ihn somit. Das Verfahren aber spielt in der Praxis
kaum eine Rolle. Außer der Post und der Telekom vertreibt noch niemand die
Chipkarten samt Lesegeräten und Software. Hard- und Software kosten im ersten
Jahr etwa 200 Mark, kommen nur zum Einsatz, wenn Anbieter und Nachfrager über
das identische System verfügen, und sind auch deshalb für viele uninteressant,
weil die Systeme von Post und Telekom nicht kompatibel sind.
Ü
Risikopotenziale bei Datensicherheit und
Datenschutz
Mit der 1999 beschlossenen Signatur-Richtlinie der
Europäischen Union soll das Verfahren nun vereinfacht werden. Spätestens im
Juli 2001 muss das deutsche Signaturgesetz deshalb novelliert sein. Dann soll,
so der Anfang Dezember 2000 in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Referentenentwurf,
alles weniger kompliziert werden. Das bislang umständliche und teure Verfahren
soll nur noch bei ganz wichtigen Geschäfts- oder Behördenvorgängen zum Einsatz
kommen.
Einfachere Verschlüsselungsmethoden aber bringen neue
Risiken mit sich, weil sie meist allein auf Software-Mechanismen beruhen, die
wiederum online von Hackern manipuliert werden könnten. Auch beim Datenschutz
lauern für die Verbraucher erhebliche Risiken. Große Medien- und
Handelskonzerne träumen bereits vom "Customer Relationship
Management" (CRM), das nichts anderes bedeutet als den gläsernen
Verbraucher. Dabei werden Mediennutzungs- und Konsumgewohnheiten von Kunden im
Internet systematisch gesammelt und ausgewertet ("Data-Mining"). Im
Rahmen eines geschickten "One-to-One-Marketing" könnte dem
Verbraucher dabei am Ende seine Rolle als Souverän Stück für Stück streitig
gemacht werden.